Berlin. Immer mehr Beschäftigte fühlen sich mit ihrem Arbeitgeber nicht mehr emotional verbunden. Oft liegt das am Chef – aber nicht immer.

Ob Corona, Inflation, Energiekrise oder Fachkräftemangel – die Dauerkrisen in deutschen Unternehmen hinterlassen auch im Arbeitsklima deutliche Spuren. Immer weniger Beschäftigte fühlen sich emotional an ihr Unternehmen gebunden, fast ein Fünftel der deutschen Beschäftigten hat bereits innerlich gekündigt und nur noch 25 Prozent der Arbeitnehmer ist mit seiner direkten Führungskraft rundum zufrieden, 38 Prozent sehen hier Nachholbedarf. Dies sind die Kernergebnisse des Gallup Engagement Index, der seit 2001 erhoben wird und zu den wichtigsten Indikatoren für die Führungskultur in Deutschland gilt.

Während in den Pandemiejahren 2020 und 2021 der Anteil der Beschäftigten mit hoher emotionaler Bindung zu ihrem Unternehmen mit je 17 Prozent ein Rekordhoch erreichte, sackte der Anteil 2022 auf 13 Prozent deutlich ab. Die Mehrheit der Beschäftigten (69 Prozent) hätten eine geringe Bindung und machten nur noch Dienst nach Vorschrift, 18 Prozent hätten keinerlei Bindung. Damit entstehe laut Gallup ein volkswirtschaftlicher Schaden von jährlich 118 bis 151 Milliarden Euro.

Die geringe Bindung an ihren Arbeitgeber und die gleichzeitig gute Lage am Arbeitsmarkt erhöht zugleich die Bereitschaft zum Jobwechsel. Sagten 2018 noch 78 Prozent der Befragten, noch im nächsten Jahr bei ihrem Arbeitgeber zu sein, beabsichtigen dies heute nur noch 55 Prozent. 81 Prozent der Befragten sagen zudem, dass es derzeit eine gute Zeit sei, eine neue Arbeit zu finden. Vor der Corona-Pandemie glaubten dies nur 72 Prozent, während der Pandemie im Jahr 2020 nur 37 Prozent.

Unzufrieden im Job: Starke Änderungen am Arbeitsmarkt

Die Wechselbereitschaft sinkt laut Umfrage mit steigendem Alter. „Wir sehen massive Umwälzungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt“, sagt Pa Sinyan, Managing Partner von Gallup EMEA. „Die Wechselbereitschaft nimmt konstant zu, Beschäftigte schätzen ihre Aussichten in einem für Unternehmen herausfordernden Umfeld so positiv ein wie selten zuvor.“ Unternehmen, die jetzt nicht gezielt gegensteuern, würden ins Schleudern geraten und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig gefährden.

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Auch das Vertrauen in die finanzielle Zukunft der Unternehmen hat gelitten. Nur 41 Prozent der Beschäftigten äußern hier ein uneingeschränktes Vertrauen. Nur noch 29 Prozent trauen ihrer Geschäftsführung zu, dass sie die künftigen Herausforderungen erfolgreich meistern. Auch die Arbeitsbedingungen sind vielen wichtig: 38 Prozent der Befragten würden für eine 4-Tage-Woche den Arbeitgeber wechseln. Zudem sagen drei Viertel der Befragten, dass sie zu Hause genauso gut oder besser arbeiten können.

Nur jeder Dritte fühlt sich unterdessen von seiner direkten Führungskräften ausreichend unterstützt, auch mal Dinge zu tun, die sie sich zunächst nicht zugetraut hätten. „Zu viele Vorgesetzte legen immer noch den Schwerpunkt auf die Schwächen ihrer Beschäftigten statt auf ihre Stärken und positiven Eigenschaften“, sagt Marco Nink, Forschungsdirektor bei Gallup. Durch eine andere Führungskultur lasse sich die emotionale Bindung jedoch erhöhen. Der Vorteil: Beschäftigte mit hoher emotionaler Bindung sind deutlich weniger offen für einen Arbeitgeberwechsel.

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