Holzminden/Berlin. Deutschland soll klimafreundlicher heizen: Ob das gelingt, hängt von Firmen wie Stiebel Eltron ab. Ein Besuch in bei dem Unternehmen.

Die Zeit ist knapp. Kein Jahr mehr, dann sollen in Deutschland keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden. Stattdessen müssen, so will es die Bundesregierung, ab dem 1. Januar 2024 neu eingebaute Heizungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Die Heizung der Zukunft ist also eine Wärmepumpe. Doch ist dieser Kraftakt zu schaffen? Können in Deutschland in den nächsten Jahren Millionen von Wärmepumpen verbaut werden?

„Ja“, sagt einer, der es wissen muss: Kai Schiefelbein, Geschäftsführer von Stiebel Eltron in Holzminden. Das Mittelstandsunternehmen gehört zu den größten Herstellern von Wärmepumpen in Deutschland. 2022 hat Stiebel Eltron die Umsatzmarke von mehr als einer Milliarden Euro geknackt – erstmals in der fast 100-jährigen Firmengeschichte. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat sich der Umsatz nach Unternehmensangaben mehr als verdoppelt. Alles dank der Wärmepumpen. „Wir befinden uns in einer linearen Wachstumskurve“, sagt Schiefelbein im Gespräch mit dieser Redaktion. Er weiß aber auch, dass das Ziel der Bundesregierung nicht leicht zu erreichen ist.

In diesen Häusern kann man Wärmepumpen einbauen

„Natürlich geht es nicht immer einfach; das wäre Quatsch“, sagt er. In einem Mehrparteienhaus im Zentrum einer Großstadt müssten beispielsweise die Gegebenheiten vor Ort beachtet werden. „Mehrfamilienhäuser sind anspruchsvoller als Einfamilienhäuser, weil die zur Verfügung stehende Fläche kleiner ist, weil die Lärmbelästigung durch eine Wärmepumpe vielleicht größer ist und eine Erd-Wärmepumpe vielleicht nicht gebohrt werden kann“, erklärt er.

Trotzdem ist sich Schiefelbein sicher: „Irgendwas mit einer Wärmepumpe geht immer.“ Wärmepumpen könnten beispielsweise auch auf Flachdächern oder in Innenhöfen angebracht werden. In manchen Fällen könnten sie sogar im Haus aufgestellt werden – das sei aber etwas aufwendiger. „Ich schätze, dass für 80 bis 90 Prozent der Mehrfamilienhäuser Wärmepumpen infrage kommen.“ Die berühmt-berüchtigte Fußbodenheizung, von der oft behauptet wird, dass diese für eine Wärmepumpe benötigt würde, braucht es laut Schiefelbein nicht. Die Kombination sei zwar noch effizienter, aber nicht notwendig.

In den 90er Jahren waren Wärmepumpen noch ein Nischenprodukt

Schiefelbein selbst hat 1997 bei Stiebel Eltron angefangen, hat sich vom Produktentwickler zum Geschäftsführer hochgearbeitet. Er sagt, zu seiner Anfangszeit habe Stiebel Eltron rund 1000 Wärmepumpen im Jahr hergestellt. „90 Prozent gingen in die Schweiz“, in Deutschland waren Wärmepumpen damals noch weitgehend unbekannt, ein Nischenprodukt.

Heute macht das Unternehmen mehr als 60 Prozent seines weltweiten Umsatzes mit Wärmepumpen. In Holzminden wurden 2022 etwa 60.000 Wärmepumpen hergestellt. Hier hat Stiebel Eltron rund 3200 Mitarbeiter. Weltweit wurden von weiteren 2200 Mitarbeitern nochmals 20.000 Wärmepumpen hergestellt. Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland hat sich nach Unternehmensangaben in den vergangenen drei Jahren etwa verdreifacht.

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© FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Doch Schiefelbein ist mit seinem Unternehmen noch nicht dort, wo wo er hin will. Noch lange nicht. Bis 2027 investiert Stiebel Eltron 670 Millionen Euro in den Ausbau des Unternehmens. Der Standort in Holzminden, bisher eher beschaulich gelegen, wird „bedeutend“ wachsen, verspricht Schiefelbein. 210.000 Wärmepumpen will er dann jährlich produzieren lassen.

Gerade erst wurde Stiebel Eltron vom Europäischen Umweltbüro (EEB) zum „Leader“ klimafreundlicher Heiztechnologie in Europa gewählt – als einziges deutsches Unternehmen in diesem Bereich. Laut EEB führt das Holzmindener Unternehmen die Energiewende in den Heizungskellern an – sie setzten heute schon strengere Maßstäbe an die eigenen Technologien an, als der Gesetzgeber fordert. Und: Die gesamte Produkt-Palette des deutschen Mittelständlers ist mit den Klimazielen vereinbar.

Stiebel Eltron: Verbot von Gas- und Ölheizungen gibt Sicherheit

Der Geschäftsführer unterstützt das Gesetz der Bundesregierung, ab dem nächsten Jahr keine neuen Gas- und Ölheizungen in Gebäude einzubauen, nicht nur aus Umweltschutzgründen. „Der Gesetzentwurf ist eine notwendige Maßnahme, um den Markt zu stabilisieren. Handwerker beispielsweise müssen sich ja umorientieren. Und mit der klaren Ankündigung, ab 2024 auf Wärmepumpen zu setzen, kann der Markt sich umorientieren.“

Wie der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) mitteilt, wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 236.000 Anlagen verbaut. Insgesamt gibt es in der Bundesrepublik jetzt rund 1,3 Mio Wärmepumpen. Jährlich würden nun rund 500.000 Stück benötigt. „Das wird nicht einfach“, sagt Schiefelbein. Und erklärt: „Es sind ja auch Vorketten dabei, also Zulieferer, auf die wir angewiesen sind. Und da ist der Vorlauf möglich, aber nicht einfach. Es wird ziemlich sicher Lieferengpässe und Lieferzeiten geben. Aber das andere ist das Fachhandwerk.“

Einbau von Wärmepumpen: Es fehlen rund 190.000 Installateure

Schiefelbein erklärt, dass der Austausch einer Gastherme zwei Installateure etwa einen Tag lang beschäftigen würde, der Einbau einer Wärmepumpe hingegen zwei Tage. „Wenn man zwei Mal so lange braucht, eine Wärmepumpe auszutauschen wie einen Gaskessel, dann brauchen wir mehr Fachhandwerker dafür." Laut Schiefelbein gibt es in Deutschland derzeit rund 45.000 Fachhandwerksbetriebe, die 380.000 Installateure beschäftigen. Er schätzt, dass in den kommenden Jahren 190.000 zusätzliche Installateure benötigt werden, um die Heizungswende zu schaffen.

Teils in Handarbeit werden in Holzminden jährlich rund 60.000 Wärmepumpen hergestellt. Im Bild: Andre Winkler bei Lötarbeiten.
Teils in Handarbeit werden in Holzminden jährlich rund 60.000 Wärmepumpen hergestellt. Im Bild: Andre Winkler bei Lötarbeiten. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Das Bundeswirtschaftsministerium teilt dazu auf Nachfrage mit, dass ab diesem Frühjahr ein Aufbauprogramm geplant sei, welches insbesondere Schulungen zum Einbau von Wärmepumpen im Bestand fördert. Insgesamt setzt das Ministerium von Robert Habeck (Grüne) stark auf Aus-, Weiter- und Fortbildungen und Umschulungen für Fachkräfte im Bereich der Klimaschutztechnologien.

Außerdem bemühe man sich, gezielterer Berufsorientierungen für klimarelevante Berufe herzustellen sowie ausländische Fachkräfte mit entsprechenden Qualifikationen zu gewinnen. „Die Handwerksbetriebe sind gleichzeitig betriebswirtschaftlich orientiert und werden die Geschäftsmodelle durch die Energiewende erkennen; ebenso im Übrigen die Industrie und Start-ups“, teilte eine Sprecherin mit.

Ein weiteres, zumindest temporäres, Problem: die Energiepreisdeckel, die dieses Jahr in Kraft getreten sind. Damit eine Wärmepumpe überhaupt läuft, muss man sie mit Strom betreiben: Wärmepumpen nutzen für die Wärmeerzeugung bis zu 75 Prozent Umweltwärme und rund 25 Prozent Strom als Antriebsenergie. „Man sollte aufpassen, dass die Energiepreise nicht gegen den Einbau von Wärmepumpen sprechen“, sagt Schiefelbein. Doch das tun sie im Moment: Der Preisdeckel für Strom liegt derzeit bei 40 Cent pro Kilowattstunde, der für Gas bei 12 Cent. „Aber dann ist Heizen mit Gas genauso wirtschaftlich wie Heizen mit Strom.“