Berlin. Der Wohnungsmarkt steckt in Turbulenzen. Mieten steigen, Kaufpreise fallen, Baugenehmigungen brechen ein. Sollte man jetzt zuschlagen?

Der Traum von den eigenen vier Wänden liegt bei vielen derzeit auf Eis. Waren in den letzten Jahren die Immobilienpreise immer weiter in die Höhe geschossen, konnten sich Häuslebauer oder Wohnungskäufer immerhin noch mit den günstigen Finanzierungsbedingungen trösten. Selbst Vollfinanzierungen waren bei Zinssätzen von unter einem Prozent stemmbar. Gleichzeitig sorgten institutionelle Käufer für Preissprünge, da Immobilien im Null- und Niedrigzinsumfeld noch etwas Rendite versprachen. Wer ein Eigenheim erwarb, konnte sich glücklich schätzen über den schnellen Wertzuwachs.

Doch damit ist es vorbei. Die Bauzinsen notieren mittlerweile über der Drei-Prozent-Marke, auch die 4 Prozent wurden zeitweilig gerissen. Da im Zuge der Zinswende andere sichere Anlageklassen attraktiv für Investoren werden, kehren einige dem Immobilienmarkt den Rücken.

Wohnen: Zahl der Baugenehmigungen bricht ein – Ampel-Ziel in weiter Ferne

Hohe Materialpreise und das veränderte Umfeld bei der Baufinanzierung lassen den Neubau einbrechen. Vom selbstgesteckten Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ist die Ampel-Koalition meilenweit entfernt. Die Zahl der Baugenehmigungen ist im vergangenen Jahr um 6,9 Prozent auf 354.400 Wohnungen gesunken, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. „Entweder Bund und Länder schaffen es, das Ruder in den kommenden Wochen noch herumzureißen. Oder wir erleben ein wahres Desaster auf dem Wohnungsmarkt“, sagte Robert Feiger, Chef der Baugewerkschaft IG BAU, unserer Redaktion.

Passiere politisch nichts, falle in diesem Jahr die Zahl der neuen fertiggestellten Wohnungen unter die Marke von 250.000, prognostiziert Feiger. Im nächsten Jahr drohe sie unter die 200.00er-Marke abzustürzen.

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Analyse: Bestandsmieten legten 2022 um 4,5 Prozent zu

Es sind trübe Aussichten – für die verhinderten neuen Eigentümer, die weder den Hausbau noch den Kauf einer Eigentumswohnung mehr finanzieren können. Aber auch für Mieter, deren Kosten steigen. Wie stark sich die Situation verändert hat, wird an einer Untersuchung des auf Immobilientransaktionen spezialisierten Beratungsunternehmens Lübke Kelber deutlich, die unserer Redaktion vorliegt.

In dem sogenannten Rendite-Risiko-Ranking wurde dabei eine Marktanalyse zu 111 Städten durchgeführt. Ein Ergebnis: Im Mittel zogen die Bestandsmieten 2022 um 4,5 Prozent an. Da im Zuge der Energiekrise die Nebenkosten drastisch zulegten, stieg insgesamt die Belastungsquote der Mieter. Im Durchschnitt bringen Mieterinnen und Mieter 28,3 Prozent ihres Haushaltseinkommens für das Wohnen auf – im Vorjahr waren es noch 3,8 Prozentpunkte weniger. Als Faustregel gilt, dass die Wohnkosten nicht mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens betragen sollten. In fast 50 der untersuchten Städte wird diese Grenze bereits erreicht.

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Finanzierungsbedingungen für den Kauf haben sich verschlechtert

Kaufen allerdings wird noch stärker zur Belastungsprobe. Wer eine 3-Zimmer-Wohnung mit 70 Quadratmetern bei 5,0 Prozent Annuität und 1,5 Prozent Tilgung vollfinanziert, musste dafür im Schnitt im Jahr 2021 noch 28,2 Prozent seines Haushaltseinkommens aufbringen. Die Zinswende im vergangenen Jahr sorgte laut der Analyse dafür, dass die Belastungsquote auf 40,8 Prozent in die Höhe schoss. Bei einer 80-prozentigen Finanzierung stieg demnach die Belastungsquote von 24,5 Prozent auf 35,4 Prozent. Oder in Zahlen: Wer Ende 2021 eine Wohnung im Wert von 600.000 Euro gekauft hatte, musste dafür im Schnitt ohne Tilgung rund 640 Euro im Monat an Zinsen zahlen. Aktuell wären es 1.400 Euro.

Für viele ist der Eigentumswohnungskauf damit längst nicht mehr erschwinglich. Das wird am Beispiel Berlin deutlich: In der Hauptstadt bräuchte ein Käufer den Berechnungen zufolge ein jährliches Haushaltseinkommen von 70.000 Euro pro Jahr, um bei einer Belastung von einem Drittel eine 70-Quadratmeterwohnung zu finanzieren – ein Wert, der vom Durchschnitt weit entfernt ist.

Belastung bei Mieten ist in den meisten Städten geringer

Zwar berichten Immobilienportale bereits von sinkenden Preisen. So ermittelten Immoscout24 und Immowelt Preisrückgänge bei Bestandswohnungen im vierten Quartal des vergangenen Jahres um bis zu 10 Prozent. Aber: Würde man etwa in München auf die Belastungsquote von vor der Krise zurückkehren, müssten die Preise um 26 Prozent fallen, heißt es von Lübke Kelber.

Das führt dazu, dass sich im direkten Vergleich zwischen der Miet- und Kaufbelastung von den 111 untersuchten Städten nur noch in Dessau-Roßlau der Kauf lohnen würde. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr hätten noch 69 Städte eine tendenziell niedrigere Belastung beim Kauf als bei der Miete verursacht.

Diese Städte versprechen die beste Rendite

Trotzdem könne sich der Kauf je nach Lebenssituation anbieten, meint Mark Holz, Head of Research bei Lübke Kelber: „Auf lange Sicht kann man mit dem Kauf einer Immobilie Wohlstand aufbauen.“ Zugleich rechnet Holz damit, dass die Privatkäufer noch auf sinkende Preise setzen können. „Noch sind die angebotenen Preise auf den Immobilienportalen hoch. Oftmals finden sich dafür aber keine Käufer mehr. Entsprechend werden die Preise zurückgehen, Kaufen dürfte attraktiver werden.“ Gerade in kleineren Städten gebe es noch bezahlbare Marktpreise.

Wer Geld auf der hohen Kante hat und sich eine Wohnung etwa zur Altersvorsorge als Anlage kaufen möchte, kann auf Wertzuwächse setzen. Die beste Rendite zum geringen Risiko würden hier aufstrebende Städte wie Leipzig, Darmstadt oder Potsdam versprechen, heißt es in der Analyse.

Wer es sich leisten kann und genug Eigenkapital mitbringt, könne auch in Metropolen wie Frankfurt am Main, Hamburg oder Berlin investieren. Einigermaßen gut würde man auch in Städten wie Mannheim, Braunschweig oder Erfurt fahren, während vor allem im Ruhrgebiet und in strukturschwachen ostdeutschen Regionen die Aussichten eher trüb seien. In Städten wie Recklinghausen, Frankfurt (Oder), Gera oder Dessau-Roßlau sei der Immobilienkauf mit Risiken bei mäßiger Renditeaussicht verbunden.