Frankfurt/Main. Die Commerzbank sieht sich nach ihrem radikalen Umbau auf Kurs zu einem Milliardenüberschuss im Gesamtjahr. Für Unsicherheit sorgt allerdings der Ukraine-Krieg.

Die Commerzbank sieht sich nach einem unerwartet guten ersten Halbjahr auf Kurs zu ihrem geplanten Milliardengewinn für 2022. «Die starke Ergebnisentwicklung zeigt, dass unsere Strategie 2024 auch in einer Phase niedrigen Wirtschaftswachstums greift», sagte Vorstandschef Manfred Knof am Mittwoch.

Damit der Gewinn in diesem Jahr die Marke von einer Milliarde Euro wie geplant überspringt, dürfe sich jedoch die Konjunktur nicht noch deutlicher verschlechtern, sagte Finanzchefin Bettina Orlopp: «Ein großer Unsicherheitsfaktor bleibt in diesem Zusammenhang die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Gas.»

Anstieg der Einnahmen

Im zweiten Quartal verdiente das Institut unter dem Strich 470 Millionen Euro und damit 100 Millionen mehr als von Analysten im Schnitt erwartet. Ein Jahr zuvor hatten hohe Kosten für Stellenabbau und Filialschließungen das Institut mit 527 Millionen Euro tief in die roten Zahlen gerissen. Dass es diesmal so gut lief, verdankte die Bank einem kräftigen Anstieg der Einnahmen: Dank deutlicher Zinssteigerungen unter anderem in Polen legten die Erträge im Jahresvergleich um 30 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro zu.

Trotz der wirtschaftlichen Verwerfungen durch den Ukraine-Krieg verdiente die Commerzbank in den ersten sechs Monaten 768 Millionen Euro. Das entspricht rund drei Vierteln des angepeilten Jahresgewinns. Neben dem Krieg und der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung muss die Bank im zweiten Halbjahr allerdings noch speziellere Belastungen fürchten. Dazu zählt nicht nur die Risikovorsorge für gefährdete Kredite, die in diesem Jahr insgesamt bei rund 700 Millionen Euro liegen soll.

Belastungen durch Krieg in der Ukraine

So dürfen Kunden der polnischen Commerzbank-Tochter mBank aufgrund eines neuen Gesetzes in dem Land ihre Ratenzahlungen für Hypothekenkredite bis Ende kommenden Jahres jetzt bis zu achtmal aussetzen. Für das dritte Quartal erwartet die mBank deshalb Belastungen von 210 bis 290 Millionen Euro.

Bereits im zweiten Quartal legte die mBank weiteres Geld für die umstrittenen Schweizer-Franken-Kredite aus früheren Jahren zurück. Der Commerzbank-Vorstand macht sein Gewinnziel weiterhin auch davon abhängig, dass die mBank nicht wesentlich mehr Geld für diese Kredite aufwenden muss. Der Streit um den Umgang mit diesen Darlehen läuft seit Jahren. Die Commerzbank hat dafür insgesamt bereits Belastungen von mehr als 900 Millionen Euro verbucht.

Belastungen im Zusammenhang mit dem russischen Krieg in der Ukraine summierten sich den Angaben zufolge auf 228 Millionen Euro. Diese würden größtenteils von der dafür gebildeten Rückstellung abgedeckt. Die Bank reduzierte ihre Russland-Risiken bis Mitte Juli der Mitteilung zufolge um 45 Prozent auf netto 1,02 Milliarden Euro.

Trotz allgemeiner Kostensteigerung stellt sich die Commerzbank auf lukrativere Geschäfte ein. Die bislang geplante Senkung der Kosten auf 5,4 Milliarden Euro im Jahr 2024 sei voraussichtlich kaum zu erreichen, erklärte Finanzchefin Bettina Orlopp. Der Anstieg der Erträge im Zuge der Zinswende dürfte dies aber mehr als wettmachen. Daher wolle die Bank das Verhältnis von Kosten zu Erträgen bis 2024 weiterhin auf 60 Prozent senken. Voraussichtlich werde der Vorstand sogar das Renditeziel anheben. Bisher peilt das Institut für 2024 eine Rendite auf das materielle Eigenkapital von mehr als sieben Prozent an.

Angesichts der jüngsten Geschäftszahlen sieht sich Commerzbank-Chef Knof in seiner Strategie bestätigt. Der Manager hatte die Führung der Bank Anfang 2021 übernommen und wenig später ein umfangreiches Sparprogramm mit einem radikalen Stellenabbau eingeleitet.

Stellenkürzungen und Filialschließungen

Bis Ende des Jahres will die Bank die Kürzung von brutto 10.000 Vollzeitstellen weitgehend geregelt haben. Für 7700 Stellen sei dies schon bis Ende Juni geschehen, hieß es. Bei der Verkleinerung ihres Filialnetzes kam die Bank deutlich schneller voran: Schon bis Ende Juni sei die Zahl der Geschäftsstellen in Deutschland auf 450 gesunken, hieß es in der Mitteilung. Zu Beginn des Sparprogramms waren es noch 790 Filialen. Allein im ersten Halbjahr 2022 hat die Commerzbank demnach 100 Geschäftsstellen geschlossen.

Parallel laufe der Aufbau der neuen Beratungscenter «auf Hochtouren», hieß es. Nach den ersten drei Standorten sollten ab Mitte September weitere in Betrieb gehen. Die Commerzbank-Aktionäre dürfen sich für 2022 jedenfalls wieder auf eine Dividende freuen: Das Institut will 30 Prozent des auf die Anteilseigner entfallenden Jahresgewinns als Dividende ausschütten.