Berlin. Viele Firmen im Lockdown sitzen buchstäblich auf “heißen Kohlen“: Wann kommen staatliche Zuschüsse an? Die Kritik an der Politik nimmt zu. Nun kam aber eine gute Nachricht für Unternehmen.

Verzweiflung, Frust, Existenzängste - und Wut auf die Politik: So beschreiben Wirtschaftsverbände die Stimmung bei vielen Firmen, deren Betrieb wegen des Lockdowns dicht ist.

In den staatlichen Hilfstöpfen sind zwar Milliardengelder veranschlagt - bei den Betroffenen sei aber bisher nur wenig angekommen, klagen Wirtschaftsvertreter. Bei der Auszahlung der Novemberhilfen kam es zu Verzögerungen, und bei der Überbrückungshilfe II gibt es einen Haken.

Am Dienstag gab es dann aber eine gute Nachricht. Nach Verzögerungen wegen technischer Probleme können die Auszahlungen der regulären Novemberhilfe durch die Länder ab sofort starten und umgesetzt werden. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Seit Ende November fließen bereits Abschlagszahlungen, das ist ein Vorschuss auf spätere Zahlungen. Bislang wurden laut Ministerium mehr als 1,3 Milliarden Euro an Abschlagszahlungen geleistet.

Solche Abschläge gibt es auch für die Dezemberhilfen. Die Systematik ist dieselbe: Im Grundsatz bekommen von Schließungen betroffene Unternehmen wie Gastronomie sowie Selbstständige Zuschüsse von bis zu 75 Prozent des Umsatzes - bezogen auf den Vorjahresmonat.

Mit der Umsatzausfall-Erstattung hatte der Bund Ende Oktober einen Kurswechsel vollzogen, denn bei den parallel laufenden Überbrückungshilfen werden betriebliche Fixkosten erstattet - damit Firmen weiter Mieten zahlen können oder Zinsen für Kredite.

Dieser Kurswechsel wird bei einigen innerhalb der Regierung schon länger als Fehler angesehen. Auch unter Verweis auf die hohen Kosten - für November- und Dezemberhilfe wird mit jeweils 15 Milliarden Euro gerechnet - machte der Bund dann im Zuge des harten Lockdowns, der zuletzt bis Ende Januar verlängert wurde, deutlich: das Hauptinstrument ist die Erstattung von Fixkosten. Die gilt auch bei der Überbrückungshilfe III, die für die Fördermonate Januar bis Ende Juni gilt.

Seit Beginn der Pandemie beschloss die schwarz-rote Koalition umfassende Hilfsprogramme, um die Folgen der Pandemie für Firmen und Jobs einzudämmen. Doch mit den November- und Dezemberhilfen sowie den Überbrückungshilfen hat der Bund ein komplexes System geschaffen, das für viele schwer verständlich ist.

Der Präsident des Verbands Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée, sagte, Hilfen kämen zu spät, gar nicht oder in enttäuschender Höhe an. Außerdem gebe es ein "Kommunikations-Wirrwarr". So habe sich herausgestellt, dass die Betriebe neben einem Umsatzeinbruch nun auch noch einen Reinverlust vorweisen müssten, um finanzielle Hilfen zu erhalten.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Freien Berufe, Peter Klotzki, sagte, eine auf "ungedeckte Fixkosten" beschränkende Regelung bei der Berechnung der Überbrückungshilfen sei erst nachträglich aufgenommen worden. "Das ist kein lapidarer Haken, der im Kleingedruckten gesetzt wurde. Damit rutschen sicherlich etliche Anträge mindestens in die Grauzone, Rückzahlungen stehen zu befürchten."

Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, Guido Zöllick, sagte, die Unternehmer fühlten sich zunehmend von der Politik im Stich gelassen. "Das aktuelle Hilfschaos und die kaum noch zu überbietende Komplexität müssen beseitigt werden." Die Betriebe hätten sich darauf verlassen, dass die umsatzorientierten Hilfen nach Abzug des Kurzarbeitergeldes in voller Höhe fließen. "Stattdessen erleben sie jetzt, dass die Hilfe nur sehr schleppend gezahlt wird und aufgrund von Anrechnungen an anderer Stelle auch nicht im vollen Umfang ankommt." Dies führe zu "Verzweiflung und maximalem Frust" bei Betrieben.

Hintergrund der Kritik ist zum einen die Verzögerung bei der Auszahlung der Novemberhilfen. Zum anderen wurden Regelungen bei der Überbrückungshilfe II vor dem Hintergrund des EU-Beihilferechts angepasst. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums sind "ungedeckte Fixkosten" Voraussetzung für die Gewährung von Beihilfen - also für Kosten, die eine Firma nicht mit den noch vorhandenen Einnahmen decken kann.

Eine Sprecherin des Ministeriums wies darauf hin, dass für die Überbrückungshilfe II Verlustmonate seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 angesetzt werden könnten - sofern in diesen ein Umsatzeinbruch von mehr als 30 Prozent ausgewiesen wurde. Gewinnmonate müssten nicht berücksichtigt werden. Das Ministerium geht davon aus, dass die Mehrzahl der Firmen, die Hilfen beantragen, auch Verluste gemacht haben.

Das Wirtschaftsministerium fühlt sich bei der Kritik seit längerem zu Unrecht an den Pranger gestellt. So sei es in kürzester Zeit gelungen, das System der Abschlagszahlungen umzusetzen und die Gelder über die Bundeskasse auszuzahlen - die Länder hätten sich dazu nicht imstande gesehen. Weil bei den regulären Novemberhilfen zum Beispiel Kurzarbeitergeld abgezogen wird, dauere es, bis alle Informationen darüber vorliegen. Außerdem liefen Verhandlungen mit der Kommission über Nachbesserungen im Beihilferecht.

Dennoch gibt es vom Koalitionspartner SPD Kritik an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) - offenkundig auch, um den SPD-Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl, Finanzminister Olaf Scholz, zu schützen. Scholz habe nicht gezögert, um die notwendigen Mittel für die Wirtschaftshilfen zur Verfügung zu stellen, sagte der SPD-Haushaltspolitiker Dennis Rohde. Der für die Administration der Hilfen zuständige Wirtschaftsminister aber bekomme die Gelder seit Wochen nicht ausgezahlt, weil seine Online-Plattform nicht funktioniere.

Natürlich kontert die Union: Der Chefhaushälter von CDU/CSU im Bundestag, Eckhardt Rehberg, verlangte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe Antworten von Scholz, warum die Auszahlung nicht schneller gehe. Während Scholz vollmundig nahezu unbegrenzte Wirtschaftshilfen ankündige und dafür sehr viele Schulden mache, komme in der Praxis bei den Unternehmen zu wenig Geld an.

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