Einbeck. Vom Schlusslicht zur Modellregion: Ministerpräsident sieht den Süden des Landes weiter im Aufwind.

Vor gut fünf Jahren hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im PS. Speicher in Einbeck den Startschuss für das Südniedersachsenprogramm gegeben, am Freitag am gleichen Ort eine Erfolgsbilanz gezogen. Zugleich wurden Weichen für eine Fortsetzung der Bemühungen gestellt, die Region weiter voranzubringen. Göttingens Landrat Bernhard Reuter (SPD) überreichte Weil und Regionalministerin Birgit Honé (SPD) im Namen der Südniedersachsenstiftung die Regionalstrategie für die kommenden Jahre.

Der vom Göttinger Hörfunkjournalisten Jan Fragel moderierte Rück- und Ausblick in Einbeck, an dem sich auch Ottobock-Chef Hans Georg Näder beteiligte, konnte per Livestream im Internet verfolgt werden. Die Corona-Pandemie spielte auch inhaltlich eine Rolle. Vor ihrem Hintergrund habe sich die Power und Dynamik von Life Science in Südniedersachsen gezeigt, sagte Weil. Der Neubau der Universitätsmedizin Göttingen als größtem Arbeitgeber der Region werde das weiter vorantreiben.

Kooperationskultur statt Ich-AGs

Knapp 110 Millionen Euro Fördermittel vom Land über die EU bis zu Stiftungen sind im Zuge des Südniedersachsenprogramms in die Landkreise Göttingen (und Osterode ), Northeim , Goslar , Holzminden sowie die Stadt Göttingen geflossen. In dieser Zeit habe sich die Stimmung gewandelt, meinte Weil. Zuvor habe er den Eindruck gehabt, dass die Region wenig zuversichtlich und zukunftsorientiert sowie eher gegeneinander als miteinander aufgestellt sei: „Die vorherrschende Musikrichtung war der Blues.“ Jetzt sei eine ganz andere Zuversicht zu spüren.

„Hier war eine Reihe von Ich-AGs unterwegs“, meinte auch Honé. In der Region mit internationalem Potenzial sei eine Kooperationskultur von Kommunen , Wirtschaft und Wissenschaft gewachsen: „Wir haben viel geschafft. Jetzt muss es mit Volldampf weitergehen.“ Das Programm sei für das Land ein großer Erfolg gewesen, Südniedersachsen zur Modellregion geworden: „Hier wurde ein Instrumentenkoffer entwickelt, den wir auch anderen Regionen anbieten wollen.“

Großes Potenzial an Unternehmen

Entscheidend sei, so Honé, sich auf zukunftsweisende Projekte zu konzentrieren, in großen Maßstäben zu denken, sich im Wettbewerb um Fachkräfte gut zu platzieren, ein vernünftiges Umfeld für Life-Work-Balance zu schaffen, Kultur und Daseinsfürsorge weiter zu stärken. „Die Region ist auch international sichtbarer geworden. Das müssen wir noch steigern.“ Südniedersachsen habe vorgedacht, sagte Honé mit Blick auf den Green Deal der EU, nannte als Stichworte Nachhaltigkeit , Kreislaufwirtschaft und regionale Wertschöpfungsketten .

Dem schloss sich Näder an: „Wir haben ein großes Potenzial an Unternehmen und alle ingredients, um in den Feldern E-Mobilität , regenerative Energien und Wasserstoff führend zu werden.“ Hochschullandschaft und Life-Science-Weltmarktführer seien ein Pfund, mit dem man wuchern könne, der Innovationscampus wirke wie ein Teilchenbeschleuniger, der Gesundheitscampus sei ein weiterer wichtiger Baustein : „Alle Karten liegen auf dem Tisch. Wir müssen sie nur zusammenlegen.“ Die Region müsse attraktiv sein für Talente. Dabei spielten auch Wohnraum und Infrastruktur eine Rolle.

Aus der Idee der Südniedersachsenstiftung seien Leuchtturmtreffen wirtschaftlicher Entscheider erwachsen, sagte Näder. Als Erfolgsbeispiele unternehmerischen Handelns nannte er unter anderem Sartorius, KWS und Symrise: „Programme leben immer von den Köpfen, die sie lebendig machen.“ Als wichtige Fortschrittsfaktoren nannte Näder qualifizierte Zuwanderung und die Digitalisierung , die auch durch Corona einen unumkehrbaren Schub erfahren habe: „Die digitale Transformation verändert unser Leben. In Duderstadt haben wir in vier Wochen ein Studio aufgebaut, das auf Niveau der Tagesthemen senden kann.“

Den Innovationscampus bezeichnete Weil als „größte und schönste Blume des Programms“. Studierende in die Betriebe zu bringen und Existenzgründer zu unterstützen, seien wichtige Ziele. Kooperationen habe es immer schon gegeben, aber keinen systematischen Prozess. Auch das Welcome Center wirke Fachkräftemangel entgegen: „Wir werden attraktiver für die klugen Köpfe dieser Welt.“

Region im Aufwind

In den vergangenen Jahren sei auch eine neue Kompetenz entstanden, Kräfte zu bündeln und Mittel zu hebeln, merkte Weil an. Das Projektbüro in Göttingen bleibe, das Land werde den Entwicklungsprozess weiter begleiten, müsse aber keine großen Anstöße mehr geben. Die Wirtschaftsförderung werde sich noch stärker auf die Gründungskultur fokussieren, sagte Reuter.

Der Landrat verwies auf eine Studie des Deutschen Wirtschaftsinstitutes , nach der Südniedersachsen zu den zwölf Aufsteigerregionen in Deutschland gehört. In Hannover und Berlin habe die Region lange als wenig innovativ und chronisch zerstritten gegolten: „Heute wird das keiner mehr sagen.“

Den demografischen Wandel haben alle Bemühungen bislang zwar nicht bremsen können, aber es gibt auch positive Signale. Vor einigen Jahren musste der Westharz immer wieder als Musterbeispiel für Landflucht und Überalterung herhalten. „Inzwischen ist er zu einer Top-Destination für den Tourismus geworden“, sagte Weil: „Durch eigene Entscheidungen sind neue Attraktionen entstanden.“