Berlin. Deutschland hat mit die höchsten Strompreise in der EU. Infolge der Corona-Krise wäre die EEG-Umlage im nächsten Jahr durch die Decke gegangen. Die Bundesregierung steuert mit Milliardenzuschüssen gegen. Aber wie geht es grundsätzlich weiter - auch mit dem gesamten System?

Mit einer milliardenteuren Deckelung der EEG-Umlage hat die Bundesregierung deutlich höhere Strompreise im nächsten Jahr verhindert - dauerhaft spürbare Entlastungen für Verbraucher und Firmen aber sind nicht in Sicht.

Der Grund für den rechnerisch starken Sprung der Umlage zur Förderung des Ökostroms sind vor allem Folgen der Corona-Krise. Allerdings kommt zunehmend eine Debatte über eine grundlegende Reform des Fördersystems in Gang, 20 Jahre nach dem Start des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Der Druck auf die Bundesregierung wächst - damit die Stromrechnung günstiger wird. Ein Überblick:

DECKELUNG DER UMLAGE

Die EEG-Umlage wäre ohne einen Bundeszuschuss im kommenden Jahr drastisch gestiegen. Die Umlage als wichtiger Bestandteil des Strompreises hätte sich auf 9,651 Cent pro Kilowattstunde erhöht, wie die Betreiber der großen Stromnetze mitteilten.

Der Bund hatte aber bereits beschlossen, die Umlage 2021 auf 6,5 Cent zu deckeln und im Jahr 2022 auf 6,0 Cent. Das kostet rund elf Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt. Daneben sollen ab 2021 Einnahmen aus der CO2-Bepreisung für die Bereiche Verkehr und Gebäude verwendet werden, um die EEG-Umlage zu stabilisieren. In diesem Jahr liegt die Umlage bei 6,756 Cent.

Hauptgründe für den rein rechnerisch starken Anstieg der EEG-Umlage sind Effekte aus der Corona-Krise. Die Netzbetreiber nannten einen Verfall der Börsenstrompreise sowie einen ebenfalls hauptsächlich durch die Pandemie verursachten Rückgang beim Stromletztverbrauch.

Mit den Einnahmen aus der Umlage wird die Differenz zwischen dem an der Börse ermittelten Strompreis und den garantierten Zahlungen an die Ökostromproduzenten ausgeglichen. Wegen deutlich gesunkener Börsenpreise ist diese Lücke zuletzt erheblich größer geworden.

Die EEG-Umlage wurde zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne eingeführt. Sie finanziert die festen Vergütungen, die Ökostrom-Produzenten für die Einspeisung ihres Stroms bislang unabhängig vom Marktpreis bekommen.

FOLGEN FÜR STROMPREISE

Die Deckelung der Umlage hat stark erhöhte Strompreise verhindert. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox hätten sich die durchschnittlichen Strompreise um 13 Prozent verteuert, was 136 Euro Mehrkosten für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden bedeutet hätte.

Neben der EEG-Umlage gibt es aber noch andere Bestandteile des Strompreises. Dazu gehören Steuern, Produktionskosten und die Netzentgelte. Wie stark die Netzentgelte steigen, ist bisher noch unklar. Die meisten Experten rechnen damit, dass die Strompreise unterm Strich stabil bleiben. Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen, sagte, die Stabilisierung der Umlage sei ein richtiger Schritt. "Unterm Strich droht diese Maßnahme jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein zu werden."

DEBATTE ÜBER EEG-REFORM

Der über die EEG-Umlage von den Stromverbrauchern zu tragende Betrag kostete 2019 rund 22,7 Milliarden Euro. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will mit einer EEG-Novelle die Förderkosten für Ökostrom aus Wind und Sonne durch verschiedene Maßnahmen verringern und auf mehr Marktwirtschaft setzen. Im Gesetzentwurf heißt es, die Kosten müssten im Interesse einer preisgünstigen Energieversorgung und bezahlbarer Strompreise begrenzt bleiben.

Zugleich aber läuft der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien schleppend. Das liegt vor allem an langen Genehmigungsverfahren und vielen Klagen. So fallen ältere Windkraftanlagen mit Beginn des neuen Jahres aus der Förderung. Die Windkraftbranche befürchtet einen massiven Abbau, weil Anlagen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten. In der Debatte ist eine "Übergangsfinanzierung", was allerdings etwa vom Unions-Wirtschaftsflügel strikt abgelehnt wird - weil Betreiber lange eine feste, hohe Vergütung bekommen hätten.

Immer mehr Stimmen fordern weitergehende Schritte, um Wirtschaft und Verbraucher bei den Strompreisen zu entlasten. Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Energieverbandes BDEW, sagte: "Die EEG-Umlage sollte gesetzlich auf einem Niveau von maximal 5 Cent eingefroren, die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum gesenkt werden." Dies würde alle Haushalte beim Strompreis entlasten. Zudem würden umweltfreundliche strombasierte Anwendungen wie die Elektromobilität oder Wasserstoff wettbewerbsfähiger gegenüber fossilen Energieträgern wie Heizöl und Benzin.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte: "Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat sich von einem schlanken Anreizsystem zu einem bürokratischen Monstrum entwickelt." Ohne eine umfassende Reform des Abgaben- und Umlagesystems und auch der Netzentgelte drohe eine massive Schieflage.

Für den Bundesverband der Deutschen Industrie sagte Vize-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch, die beschlossene leichte Absenkung könne nur der erste Schritt sein zu einem "beherzten Entlastungskurs" und dem Anfang vom Ende der EEG-Umlage. Nötig seien mehr Markt und weniger Regulierung. Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann schrieb im "Handelsblatt", es sei höchste Zeit, dem Wettbewerb und dem Markt eine Chance zu geben und das alte Subventionsregime des EEG - parallel zum Kohleausstieg - bis Ende der 2030er-Jahre vollständig abzuschaffen.

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