Frankfurt/Main. Viele Bankenkunden gehen schon in normalen Zeiten kaum noch in die Filiale. In der Corona-Krise hat sich dieser Trend verstärkt. Deutschlands größtes Geldhaus zieht Konsequenzen.

Die Corona-Krise beschleunigt das Filialsterben in der Finanzbranche - auch bei der Deutschen Bank. Deutschlands größtes Geldhaus will jede fünfte seiner Filialen im Heimatmarkt schließen.

"Wir planen, das Filialnetz im Laufe des kommenden Jahres möglichst rasch auf die Zielgröße von 400 zurückzubauen", sagte ein Sprecher des Frankfurter Dax-Konzerns am Dienstag und bestätigte damit in verschiedenen Medien zitierte Aussagen von Deutsche-Bank-Manager Philipp Gossow.

"Die Anforderungen an die Beratung und das Filialgeschäft haben sich durch Corona weiter verändert", begründete Gossow, der das Privatkundengeschäft der Marke Deutsche Bank leitet. "Wir haben Konsolidierungschancen in den Innenstädten."

Ende vergangenen Jahres hatte die Deutsche Bank 511 eigene Filialen, derzeit sind es nach Angaben der Bank etwas mehr als 500. Zusätzlich stehen den Kunden für einfache Bankgeschäfte wie Überweisungen die 800 Filialen der zum Konzern gehörenden Postbank zur Verfügung.

Filialen schließen will die Deutsche Bank den Angaben zufolge vor allem in städtischen Regionen, wo das Institut mit mehreren Standorten vertreten ist. Der Sprecher betonte: "Wir werden uns nicht aus der Fläche zurückziehen." Für die Kundenberatung will die Bank zusätzlich sogenannte DB Anlagezentren einrichten.

Wie viele Stellen den Filialschließungen zum Opfer fallen werden, blieb zunächst unklar. Die Deutsche Bank erklärte jedoch, ein möglicher Stellenabbau sei bereits in den Zahlen enthalten, die der Vorstand für alle Geschäftsbereiche und Regionen im Juli 2019 verkündet habe. Vorstandschef Christian Sewing hatte seinerzeit das Ziel ausgegeben, bis Ende 2022 die Zahl der Vollzeitstellen im Konzern um etwa 18 000 auf weltweit 74 000 zu verringern.

"Wir halten es grundsätzlich für richtig, dass die Deutsche Bank AG ihr Filialnetz überprüft und weiterentwickelt", teilte der Bankenexperte der Gewerkschaft Verdi, Jan Duscheck, mit. "Dies darf aber keine reine Kosteneinsparmaßnahme bleiben." Der Umbau müsse sich daran messen lassen, dass Beziehungen zu Kunden auf lange Sicht gestärkt und neue Kunden gewonnen würden. "Außerdem müssen die Belange der Beschäftigten berücksichtigt werden. Diese sind durch einen Tarifvertrag nicht nur vor Kündigungen geschützt, sondern es gibt auch Zumutbarkeitskriterien für die Versetzung in andere Standorte. Diese Regeln muss das Management berücksichtigen", mahnte Duscheck.

Seit Jahren schrumpft die Zahl der Banken und der Zweigstellen in Deutschland. 1717 Kreditinstitute zählte die Bundesbank Ende vergangenen Jahres und damit 66 weniger als ein Jahr zuvor. Das Filialsterben setzte sich fort: 26 667 Zweigstellen bedeuteten einen Rückgang um 1220 Standorte.

Die gesamte Branche versucht den Spagat zwischen teurem Filialnetz und digitalen Angeboten. Denn immer mehr Bankkunden wickeln Bankgeschäfte online am heimischen Rechner ab, Beratung findet inzwischen vielfach telefonisch oder per Videoschalte statt.

Die Corona-Krise hat der Digitalisierung einen weiteren Schub gegeben. Darum haben auch andere Institute beschlossen, Filialen nicht wieder zu öffnen, die während der Pandemie vorübergehend geschlossen waren. So hat zum Beispiel die Commerzbank sich entschieden, 200 Standorte in ihrem vergleichsweise engmaschigen Netz mit etwa 1000 Filialen gar nicht erst wieder in Betrieb zu nehmen. Intern laufen bei der Commerzbank seit Monaten Diskussionen über einen weit darüber hinausgehenden Sparkurs - doch zunächst muss die Commerzbank die Nachfolge von Konzernchef Martin Zielke regeln, der nach harscher Kritik von Investoren seinen Rücktritt angekündigt hat.

Zinstief und Digitalkonkurrenz setzen die Finanzbranche seit Jahren unter Druck - die Corona-Krise kam als weitere Belastung hinzu. Nach Einschätzung von Raimund Röseler, oberster Bankenaufseher bei der Finanzaufsicht Bafin, haben sich die Banken in Deutschland bislang jedoch operativ "wirklich gut in der Krise geschlagen". Auch wirtschaftlich kämen die Institute "bisher recht gut durch die Krise". Röseler mahnte gleichwohl, Banken müssten "gerade jetzt strategisch denken und die Weichen für die Zukunft stellen" - denn es drohe eine drastisch steigende Zahl von Kreditausfällen.

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