Wolfsburg/Washington. Drei Jahre lang kontrollierte er als “Aufpasser“ der US-Regierung, ob Volkswagen nach der Abgasaffäre interne Regeln hinreichend verschärfte. Das Zeugnis von Larry Thompson fällt insgesamt gut aus. Aber der Jurist richtet auch einen neuen Auftrag an die Wolfsburger.

US-Aufseher Larry Thompson hat VW bescheinigt, aus dem Dieselskandal gelernt zu haben - bei der Umsetzung schärferer Regeln dürfe der Konzern aber nicht nachlassen.

"Volkswagen ist heute ein besseres Unternehmen als vor drei Jahren", erklärte der Jurist am Montag zum Abschluss seiner Prüfungen. Die Regierung in Washington hatte Thompson entsandt, um zu kontrollieren, ob VW Reformzusagen nach der Aufdeckung der Abgasaffäre einhält.

Die Vorständin für Integrität und Recht, Hiltrud Werner, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Das Erreichen des Zertifikats, das er uns ausgestellt hat, ist ein Meilenstein, aber nicht das Ende. Wir werden in gleicher Weise weiterarbeiten." Auch Thompson stellte klar, dass "ständige Achtsamkeit" nötig sei. "Aber die vorhandenen Strukturen und Prozesse sowie Verpflichtungen auf allen Ebenen des Unternehmens (...) können Volkswagen zu einem langfristigen und nachhaltigen Erfolg in Bezug auf Ethik, Integrität und Compliance (Regelbefolgung) verhelfen", zitierte der Konzern ihn in einer Mitteilung.

Aufgabe des früheren Staatssekretärs im US-Justizministerium war es, sicherzustellen, dass sich kriminelles Verhalten beim weltgrößten Autohersteller nach dem Diesel-Schuldeingeständnis nicht wiederholt. Anfang 2017 hatte sich VW mit den US-Behörden auf einen Vergleich in Milliardenhöhe verständigt, anschließend war Thompson nach Wolfsburg geschickt worden. Er beobachtete und überprüfte die Verschärfung bestehender sowie die Einführung neuer Vorschriften und Abläufe. Dabei ging es vor allem darum, dass Fehlverhalten konsequenter geahndet wird und Beschäftigte keine Angst mehr haben müssen, ein Whistleblower-System für entsprechende Hinweise zu nutzen.

"Das Hinweisgeber-System hat den Großteil der Testing-Aktivitäten beansprucht", erklärte Werner. Thompson habe gesagt, es könne nur so gut sein wie der am schlechtesten abgewickelte Fall. "Da lag die Latte sehr hoch." Beschäftigte hätten nun die Möglichkeit, rund um die Uhr per Telefon oder online, anonym oder mit Offenlegung ihrer Identität auf mögliche Unregelmäßigkeiten aufmerksam zu machen.

Über vier Fünftel der Angaben erfolgen inzwischen nicht-anonym, was Nachfragen bei Ermittlungen erleichtert. "Das zeigt ein gewachsenes Vertrauen in die Unternehmenskultur", meinte Werner. 2019 betätigten Konzernmitarbeiter sich rund 2000 Mal als Whistleblower. In 60 bis 70 Fällen habe es sich nach eingehender Prüfung um "ernsthafte Verstöße" gehandelt, "denen intensiv nachgegangen werden musste", wie es hieß.

Im dritten Jahr der Aufsicht habe Thompson mit über 150 Mitarbeitern der internen Revision und dem 50-köpfigen eigenen Team weiter viele Abläufe und Verfahren untersucht - bei der Kernmarke VW, aber auch bei Audi, Skoda und Seat. "Das war eine anstrengende Übung", sagte Werner. "Aber dieses Testing hat ergeben, dass es keine kritischen Feststellungen mehr gab. Wir haben dadurch jetzt mehr Sicherheit."

In den zivilrechtlichen Fragen hatte der US-Jurist bereits im Sommer ein Fazit der "Bewährungszeit" von VW gezogen. In einigen Punkten sah Thompson zwischenzeitlich zunächst noch Verbesserungsbedarf. So waren während seines ersten Aufsichtsjahres Defizite bei der rechtzeitigen Weitergabe von Informationen aus einer Mitarbeiterbefragung sowie von Daten zu neuen Abgastests an die kalifornische Umweltbehörde CARB festgestellt worden. Solche Mängel tauchten nun nicht wieder auf.

Vorstandschef Herbert Diess zeigte sich zufrieden. Auch er betonte jedoch, dass sich der Konzern nicht zurücklehnen dürfe: "Ich bin der kontinuierlichen weiteren Verbesserung unseres Unternehmens und seiner Kultur verpflichtet, ebenso wie alle meine Vorstandskollegen."

Auch den Streit um ein rassistisches Instagram-Video habe Thompson beobachtet, sagte Werner. Über den Stand in deutschen Strafverfahren sei ihm regelmäßig berichtet worden: "Wir sind in vielen Verfahren zwar nicht mehr Prozessbeteiligte, aber die juristische Aufklärung von Einzelverfahren ist für uns dennoch ein wichtiger Schritt, um die Aufarbeitung der Dieselkrise zum Abschluss zu bringen."

So soll es etwa gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn und weitere frühere Führungskräfte einen Betrugsprozess wegen "Dieselgate" geben. Im Fall von Diess sowie Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wurde ein Marktmanipulations-Verfahren gegen 9 Millionen Euro eingestellt.

In der Summe setzte Volkswagen nach eigenen Angaben etwa 300 neue oder angepasste Vorschriften um. Sie sollen einen "weltweit einheitlichen Rahmen zur Förderung der Integrität und Compliance" schaffen. Neu ist auch ein übergreifender Verhaltenskodex für alle zwölf Konzernmarken. Etwa 690 Millionen Euro flossen in die Verbesserung der Strukturen. Insgesamt musste VW bisher 32 Milliarden Euro an Rechtskosten verbuchen, den Großteil davon in Nordamerika.

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