Braunschweig. Die von der Corona-Krise gebeutelte Reisebranche fordert stattdessen Gutscheine – die Bundesregierung zeigt sich offen.

Unsere Reiseanbieter hat bis dato den Reisepreis nicht zurückerstattet, da die Lufthansa eine Erstattung ablehne.

Das schreibt unser Leser Michael Schütz.

Dazu recherchierte Christina Lohner mit unseren Agenturen

Nächsten Freitag sollte es losgehen. In Texas wollten unser Leser Michael Schütz und seine Frau zwei Wochen lang in die Welt von Country-Musik und Barbecue eintauchen. Doch dann verhängte US-Präsident Donald Trump einen Einreisestopp – das Ehepaar aus Meinersen im Kreis Gifhorn stornierte bei seinem Reiseveranstalter America Unlimited aus Hannover. 5600 Euro hätte die Rundreise für zwei Personen gekostet. Wie viel Geld Schütz zurückbekommt, ist jedoch unklar. Denn laut America Unlimited erstattet die Lufthansa bislang nicht die Kosten für die Flüge.

Bisher haben Verbraucher das Recht auf eine umgehende Erstattung ihres Geldes. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen erklärte, wegen der weltweiten Reisewarnung des Auswärtigen Amtes und der Reisebeschränkungen der deutschen Regierung könnten Reisen, die bis Ende April angetreten werden sollten, kostenlos storniert werden. „Dies betrifft unserer Einschätzung nach sowohl Pauschal- als auch Individualreisen, da die gebuchten Leistungen zurzeit nicht angeboten werden können“, sagte Rechtsexpertin Tiana Preuschoff. „Umbuchungen müssen Kunden nicht akzeptieren.“

Genau das fordert nun aber die Reisebranche – und stieß bei der Bundesregierung damit offenbar auf offene Ohren. Bei stornierten Flügen und Pauschalreisen sollen Konsumenten nach Vorschlägen aus der Bundesregierung künftig Gutscheine erhalten anstelle von Erstattungen. Damit könnten Fluggesellschaften und Reiseveranstalter in der Corona-Krise finanziell entlastet und vor Liquiditätsengpässen bewahrt werden, argumentierten Regierungsvertreter. Er mache sich um die Veranstalter große Sorgen, sagte der Wirtschafts-Staatssekretär und Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU). In den kommenden Wochen würden enorme Rückerstattungen für ausgefallene Reisen fällig. Der Branchenverband DRV gehe von 4,8 Milliarden Euro bis Ende April aus. „Auch kerngesunde Unternehmen halten das nicht länger aus.“ 29 Verbände und Unternehmen wandten sicht am Donnerstag in einem Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehrere Minister.

Fluggesellschaften wollen Erstattungen vermeiden

Auch die Luftverkehrsbranche brauche Entlastungen, sagte der Regierungs-Koordinator für Luft- und Raumfahrt, Thomas Jarzombek (CDU). „Die Airlines sollten die Möglichkeit bekommen, Gutscheine für Kunden auszustellen – diese könnten sie dann einlösen, wenn der Flugbetrieb wieder hochgefahren wird oder später auch auszahlen lassen. Dies würde die Airlines und am Ende die Steuerzahler finanziell deutlich entlasten.“

Lufthansa und andere Gesellschaften versuchen derzeit, ihre Kunden von konkreten Erstattungsanträgen für stornierte Flüge abzuhalten. Sie gewähren lange Fristen, um auf andere Flüge im Laufe des Jahres umzubuchen. Lufthansa bietet dafür einen Bonus von 50 Euro an. In den professionellen Buchungssystemen etwa für Reisebüros hat der Konzern die automatisierte Erstattung einseitig gestoppt.

Timo Kohlenberg, Geschäftsführer des Reiseveranstalters unseres Lesers, berichtete am Donnerstag, die Lufthansa wie auch andere Fluggesellschaften ermöglichten seinem Unternehmen zurzeit keine Erstattung für stornierte Flüge – nur Gutscheine oder Umbuchungen würden angeboten. Deshalb könne er seinen Kunden die Kosten für Flüge nicht erstatten, sondern nur für Hotels, Wohnmobils, Mietwagen oder Transfers, wo die Erstattung durch die Anbieter funktioniere.

Würden die Reiseveranstalter und -büros auch die Flugkosten erstatten, für die sie selbst aber kein Geld erhalten, „wären wir ja von heute auf morgen pleite“, sagte Kohlenberg. America Unlimited, das mit seinen 25 Mitarbeitern zu den bundesweit führenden Veranstaltern von USA- und Kanada-Reisen gehöre, sei ein gesundes Unternehmen mit rund zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Doch aktuell sei der gesamte Umsatz weggebrochen – während die eigenen Kosten weiterlaufen. Dies könne nicht wie punktuelle Ausfälle etwa wegen eines Hurrikans abgefedert werden. Schließlich würden für lange Zeit nun gar keine Reisen gebucht.

Lufthansa weist Vorwurf zurück

Ein Lufthansa-Sprecher wies den Vorwurf gegenüber unserer Zeitung zurück: „Erstattungen bleiben grundsätzlich möglich. Wir bitten jedoch um Verständnis, dass dies in der aktuellen Situation nicht in den sonst üblichen Fristen möglich ist.“ Kunden und Reisebüros würden gebeten, sich an die jeweiligen Service-Center für Geschäfts- und Einzelkunden zu wenden.

Wer sein Ticket behält, muss sich zunächst nicht auf ein neues Datum festlegen. Bis Ende August könnten Tickets auf ein Abflugdatum bis 31. Dezember umgebucht werden, auch auf ein neues Ziel.

Reiseveranstalter Kohlenberg fordert ebenfalls eine Regelung durch die Politik, um eine Insolvenzwelle zu verhindern. Für die „kriminelle Energie oder auch Verzweiflungstat“ der Lufthansa, von der er berichtete, hat der Unternehmer Verständnis: Würden die Fluggesellschaften alle Fluge erstatten, wären sie schon nach kurzer Zeit pleite. Auch der Großteil von Kohlenbergs Kunden reagiere positiv. Schütz aus Meinersen möchte America Unlimited ebenfalls nicht in die Insolvenz treiben, wie er sagte, und zeigte sich deshalb geduldig, dass er seine Reisekosten noch nicht erstattet bekam. Doch irgendwann könnte auch er das Geld dringender brauchen, etwa falls sein Arbeitgeber Kurzarbeit anmeldet.

Verbraucherschützer gegen Gutschein-Zwang

Der Verbraucherzentrale-Bundesverband sprach sich am Donnerstag gegen einen Gutschein-Zwang aus. „Das wäre unfair und gerade für Menschen mit kleinen Einkommen eine nicht zu verantwortende soziale Härte“, sagte Mobilitätsexpertin Marion Jungbluth.

Bei Reisen, die nach April stattfinden sollten, mahnte Niedersachsens Verbraucherzentrale zur Vorsicht. „Solange keine Reisewarnung besteht und die Reisen nicht abgesagt werden, sind Kunden an die bestehenden Verträge gebunden“, so Preuschoff. Sie sollten daher lieber abwarten: Wer jetzt storniert, müsse damit rechnen, die Stornokosten zu tragen – auch wenn die Reise später gar nicht angeboten werden kann.

Bei fälligen Restzahlungen hingegen müsse jeder abwägen: „Oft ist in den allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt, dass der Vertrag bei Nichtzahlung hinfällig ist und die geleistete Anzahlung einbehalten wird.“ Andererseits bestehe bei einer Zahlung das Risiko, das gesamte Geld zu verlieren, etwa wenn der Veranstalter Insolvenz anmeldet. Die Verbraucherschützer empfehlen, mit dem Anbieter zu reden.