Berlin/Bamberg. 2018 wurden 20 Millionen zurückgeschickte Produkte von Online-Händlern entsorgt. Bei Otto wird der Großteil bereits wiederverwertet

Wer Schuhe oder Bekleidung im Internet kauft, bestellt die Produkte gern gleich in zwei oder drei verschiedenen Größen. Aus Bequemlichkeit – und um wie im Laden auszuprobieren, welches Stück am besten passt. Die perfekte Größe wird behalten, die übrigen Modelle an den Händler zurückgesendet. Und zwar kostenlos.

Diese gängige Praxis führt dazu, dass Online-Händler jedes Jahr Millionen Waren zurückerhalten. Manche sind fabrikneu, manche nur einmal anprobiert, andere sogar schon getragen. Viele der Retouren können nicht mehr wiederverkauft werden, sondern landen im Müll.

Online-Händler haben im vergangenen Jahr geschätzt rund 20 Millionen Artikel entsorgt. Dabei handelte es sich um Kleidung, aber auch um Elektro- und Freizeitartikel, Möbel und Haushaltswaren sowie Produkte des täglichen Bedarfs. Dies hat eine Untersuchung der Universität Bamberg ergeben, für die Vertreter aus Handel, Logistik und Produktion befragt wurden.

Wegwerfen kostet pro Produkt im Schnitt nur 85 Cent

Etwa 53 Prozent der Artikel konnten nicht wiederaufbereitet werden, weil sie zum Beispiel technisch defekt waren. Weitere 40 Prozent hätten von den Händlern durchaus noch für einen guten Zweck gespendet werden können. Doch dies sei nicht passiert, wodurch weitere 7,5 Millionen Produkte auf dem Müll landeten. Rund eine Million Artikel – und damit fünf Prozent der Retouren – landete im Schrott, weil Marken- oder Patentinhaber eine Weiterverwertung aktiv untersagen.

Die Praxis verwundert zumindest aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht. Denn die Entsorgung ist offenbar günstiger als eine Weiterverwertung: Bei 80 Prozent aller Produkte liegt der Warenwert unter 15 Euro, heißt es in der Studie. Die Entsorgungskosten schätzen die Befragten auf etwa 85 Cent pro Artikel.

Versandhändler Otto verwendet 97 Prozent der Retouren wieder für den Verkauf

Einer der großen Versandhändler in Deutschland, die Hamburger Otto Group, bezweifelt die Studienergebnisse. Bei Otto werde mit Retouren anders umgegangen. „Der Anteil der retournierten Ware, der nicht mehr verkauft oder gespendet werden kann, sondern vernichtet werden muss, liegt im Promillebereich“, sagt ein Sprecher des Unternehmens. Zurückgegebene Ware werde in dem Versandhandelskonzern „zu 97 Prozent nach einer Prüfung direkt wieder dem Verkauf zugeführt.“ Nur drei Prozent der retournierten Ware könne nicht sofort wieder in den Verkauf, sondern müsse zuvor aufbereitet werden, erläutert der Sprecher. So würden beispielsweise Fingerspuren an TV-Bildschirmen entfernt oder Kleidungsstücke gereinigt oder gebügelt. „Lediglich 15-20 Prozent der genannten drei Prozent gehen in den Sonder-Drittverkauf und werden dort zu einem geringeren Preis verkauft.“

Hintergrund: Online-Händler: So sollen Retouren nicht im Müll landen

Die Grünen fordern höherer Wiederverwertungsquote

Die Grünen fordern unterdessen ein radikales Umdenken im Umgang mit Retouren. „Wenn 7,5 Millionen brauchbare Artikel im Müll landen, dann sind das 7,5 Millionen zu viel“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, unserer Redaktion. „Weder die Bundesregierung noch die Händler selbst darf man dabei aus der Pflicht lassen.“

Die Umsatzsteuer ist höher als die Entsorgungskosten

Konkret fordert Göring-Eckardt ein durchgängiges und einheitliches Reporting über den Umgang von Versandrückläufern. „Nur so können wir Klarheit darüber schaffen, wie viel Ware im Müll landet und wie wir dieses Problem lösen können.“

Dass intakte Produkte nicht gespendet werden, hat vor allem steuerliche Gründe, heißt es in der Studie. So müsste bei Spenden der Warenwert ermittelt und darauf Umsatzsteuern bezahlt werden. Hierbei könne die Umsatzsteuer schnell die Entsorgungskosten übersteigen.

Göring-Eckardt fordert deshalb vom Bundesfinanzminister klarem Regeln, damit auf das Spenden an gemeinwohlorientierte Organisationen nicht auch noch Steuern gezahlt werden müssen. „Und von gut organisierten Handelsverbänden kann man durchaus erwarten, die nötigen Informationen zusammenzutragen, damit Unternehmen wissen, an wen sie spenden können.“