Berlin. Die „Jewish Voice from Germany“ gibt es bald nicht mehr. Dem Gründer fehlt die Kraft zur Anzeigenakquise. Fördergelder gibt es nicht.

Zum Schluss hat sich der Bundespräsident die Ehre gegeben. In der diesen Samstag erscheinenden Ausgabe der „Jewish Voice from Germany“ spricht Herausgeber Rafael Seligmann mit Frank-Walter Steinmeier. Es ist nicht Steinmeiers erstes Interview mit der „Jewish Voice“.

Bei den vorangegangenen Gesprächen war er noch Außenminister. Das Besondere an dem aktuellen Interview ist, das es in der letzten Ausgabe der Zeitung erscheint. Seligmann hat sich entschlossen, das von ihm 2012 gegründete Blatt einzustellen.

„Jewish Voice“: Leserschaft vor allem im Ausland

Dieser Entschluss ist dem Publizisten nicht leichtgefallen. Die „Jewish ­Voice“ sei sein „Lebenswerk“, sagte er. Die seit 2012 erscheinende Zeitung ist die einzige, die jüdisches Leben in Deutschland gezielt für eine vorwiegend im Ausland lebende Leserschaft abbildet. Das Blatt erhalten die Abgeordneten des US-Kongresses ebenso wie die Mitglieder der Parlamente von Kanada und Australien sowie die der israelischen Knesset.

Die „Jewish Voice“ geht an alle deutschen Konsulate und Botschaften in Nordamerika. Die Deutsche Atlantische Gesellschaft bezieht 20.000 Exemplare. So kommt die „Jewish Voice“ auf eine Auflage von 50.000 Zeitungen. Da sie seit 2015 in deutscher Übersetzung auch Axel Springers Tageszeitung „Die Welt“ beiliegt, beträgt ihre Gesamtauflage 200.000 Exemplare.

Herausgeber ist gleichzeitig Anzeigenverkäufer

Die „Jewish Voice“ finanziert sich ausschließlich durch Werbung – und das ist auch der Grund für ihre Einstellung. Nicht, dass es an Anzeigenkunden fehlen würde. Das Auswärtige Amt etwa ­schaltet ebenso regelmäßig Werbung wie die Allianz-Versicherung. Doch auch der treuste Anzeigenkunde will gepflegt werden.

Und genau hier liegt das Problem: Die „Jewish Voice“ hat genau einen einzigen Anzeigenverkäufer – und das ist ­Seligmann. Dabei schreibt der Publizist ja auch noch Bücher, weshalb er vor ein paar Jahren die Erscheinungsfrequenz der „Jewish Voice“ von vier auf drei Mal jährlich reduziert hat.

Fördergelder für „Jewish Voice“ nicht in Sicht

Dieses Jahr wird Seligmann 72 Jahre alt. Er hat Probleme mit dem Herzen. Anfang des Jahres entschied er sich, dass es so nicht weitergehen kann. Doch zum bisherigen Finanzierungsmodell gibt es keine Alternativen. Der Zentralrat der Juden wäre, so Seligmann, bereit gewesen die „Jewish Voice“ zu übernehmen – vorausgesetzt, ihr Herausgeber hätte auch weiterhin die Anzeigenakquise verantwortet.

Öffentliche Fördergelder sind nicht in Sicht. Zwar benötigt Seligmann für die „Jewish Voice“, die er mit einer Handvoll freier Mitarbeiter produziert, jährlich nur 250.000 Euro. Doch 2015 – als er erstmals die Idee hatte, sich nach Fördergeldern zu erkundigen – ließ ihm Kulturstaatsministerin Monika Grütters ausrichten, sie habe keine Zeit für ihn. Das ärgert Seligmann heute noch.

Zwar wäre das Auswärtige Amt bereit, zusätzlich zu seinen Anzeigen dem Blatt einmalig einen namhaften Betrag zu zahlen. Doch damit allein wäre die „Jewish Voice“ nicht zu retten. Und so wird die aktuelle Ausgabe des Blattes seine letzte sein.

(Kai-Hinrich Renner)