Berlin. Amazon will seinen digitalen Assistenten Alexa verbessern und lässt deswegen Gespräche von Nutzern abhören. Die wissen nichts davon.

Der weltweit größte Online-Händler Amazon beschäftigt offenbar tausende Mitarbeiter, deren Aufgabe es ist, Audio-Mitschnitte von Befehlen an die Sprachassistentin Alexa nachträglich anzuhören und teilweise zu transkribieren. Das berichtet die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg. Die Mitschnitte entstehen, wenn Kunden etwa über ihren smarten „Echo“-Lautsprecher mit Alexa sprechen.

Bislang war folgende Praxis bekannt: Die Audioschnipsel werden an Amazons Server geschickt, dort analysiert Software die Bedeutung der gesprochenen Worte und startet anschließend entsprechende Befehle. Auch danach bleibt ein Mitschnitt dieser Sprachkommandos auf Amazons Server gespeichert, wenn Kunden diese Aufnahmen nicht löschen.

Neu ist hingegen die Information, dass auch Menschen einzelne Sprachdateien anhören, intern mit Schlagworten oder Kommentaren versehen oder gleich alles, was zu hören ist, transkribieren. Das dürfte bei vielen Echo-Besitzern zumindest Unbehagen hervorrufen, denn auf den Aufnahmen können auch Geräusche und Gespräche aus dem Hintergrund zu hören sein, die unter Umständen sehr privater Natur sind.

Amazon räumt Abhör-Aktionen ein

Laut Informationen von Bloomberg seien die zuständigen Mitarbeiter teils angewiesen, alles mitzuschreiben, was zu hören ist. Dasselbe gelte für Aufnahmen, die nur versehentlich entstanden sind, weil Echo fälschlicherweise das Aktivierungswort „Alexa“ verstanden habe. Laut Aussagen von anonymen Amazon-Mitarbeitern betreffe das etwa 100 von den täglich rund 1000 zu bearbeitenden Audiodateien.

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    Amazon räumte die Praxis gegenüber Bloomberg ein, erklärte allerdings, dass man die Sicherheit und Privatsphäre der persönlichen Daten ihrer Kunden „sehr ernst“ nehme. Zudem würde nur ein extrem kleiner Teil der Sprachdateien ausgewertet, und zwar um die Nutzererfahrung zu verbessern.

    Tatsächlich sähen die Amazon-Mitarbeiter laut Bloomberg-Recherchen nur eine Nummer, einen Vornamen sowie die Seriennummer des Geräts mit dem die Sprache aufgezeichnet wurde. Außerdem gebe es die Anweisung, die Mitschrift sofort zu beenden, sobald persönliche Details wie Namen oder Bankinformationen zu hören seien. In diesem Fall solle ein Kästchen mit dem Schriftzug „Kritische Daten“ angeklickt werden.

    Google und Apple testen ähnlich

    Das Vorgehen an sich ist zumindest nicht ungewöhnlich. Algorithmen zur Spracherkennung müssen „angelernt“ werden, damit sie die vielen Varianten menschlicher Sprache halbwegs in Text übersetzen können. Hierbei ist auch wichtig, dass Menschen überprüfen, was die Maschine verstanden hat, und sie unter Umständen dann auch korrigieren.

    Auch Google und Apple erklärten, einzelne Aufzeichnungen ihrer Sprachassistenten von Menschen abhören zu lassen und für die Verbesserung der Spracherkennung zu nutzen. Google gibt allerdings an, die Sprachfetzen zusätzlich zu verzerren und keinerlei persönliche Informationen an den Mitarbeiter preiszugeben. Apple kann Kommandos an Siri laut eigener Aussage grundsätzlich nicht zu einem konkreten Anwender zurückverfolgen, da die Daten von vornherein anonymisiert übertragen werden.

    (von Jan Mölleken)