Berlin. Finanzinvestoren haben es zunehmend auf Agrarflächen abgesehen. Das treibt die Preise – und nimmt Landwirten die Existenzgrundlage.

Aus Entwicklungsländern ist dieser Besorgnis erregende Trend längst bekannt: Staatsfonds und andere Investoren eignen sich im großen Stil Ländereien an. „Land-Grabbing“ heißt der Fachbegriff dafür. Oft passiert das zum Nachteil der örtlichen Bauern, denn ihnen fehlen Bodenflächen, die sie bewirtschaften können.

Inzwischen sehen sich auch in Deutschland zunehmend Investoren nach Agrarland um. Innerhalb der Bundesregierung gibt es deshalb nun Überlegungen, die Gesetze zugunsten der Landwirte zu ändern.

Meist handelt es sich um riesige Flächen, wie das Beispiel der mittlerweile insolventen Gesellschaft KTG Agrar zeigt. Das Unternehmen bewirtschaftete vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg 46.000 Hektar Land. Nach der Pleite 2016 ging ein großer Teil des Bodens an die Gustav-Zech-Stiftung, hinter der eine Bau- und Beteiligungsfirma steckt.

Auch der Versicherungskonzern MunichRe kaufte aus der Vermögensmasse Land. Ein Vergleich verdeutlicht die Dimension. Im Durchschnitt bewirtschaften die fast 270.000 Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland knapp 62 Hektar Fläche.

Investoren haben in bestimmten Fällen Steuervorteile

Wenn die Investoren kommen, haben örtliche Landwirte einen schweren Stand, wie nun die Ergebnisse aus dem Insolvenzverfahren zeigen. „Es konnte kein landwirtschaftlicher Betrieb aus der Umgebung kaufen“, erläutert ein Fachmann aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium.

Dabei soll das Gesetz die Bauern eigentlich vor einem Ausverkauf schützen. Das Grundstücksverkehrsrecht sieht ein Vorkaufsrecht für ansässige Landwirte vor. Allerdings müssen sie für den Boden genauso viel Geld bieten wie ein fremder Interessent.

Das fällt ihnen auch schwer, weil sie finanziell durch eine Gesetzeslücke an anderer Stelle benachteiligt sind. Für den Bodenkauf müssen sie die Grunderwerbsteuer bezahlen. Kauft ein Investor dagegen Anteile an einer GmbH mit Landbesitz, entfällt diese Steuerpflicht, sofern die Beteiligung unterhalb von 95 Prozent der Gesellschaft bleibt.

Flächen in NRW und Niedersachsen bei Investoren begehrt

Die Entwicklung der Bodenpreise haben sich allein in diesem Jahrzehnt nach Angaben des Statistischen Bundesamts nahezu verdoppelt, allerdings mit großen regionalen Unterschieden. Zwischen 1996 und 2016 stieg der Durchschnittspreis pro Hektar im Westen von 16.300 Euro auf 32.500 Euro an. Im Osten hat er sich von 3300 Euro auf 13.800 Euro mehr als vervierfacht.

Im Westen sind vor allem Flächen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bei Investoren begehrt. In Baden-Württemberg sieht das Landwirtschaftsministerium dagegen kein Problem. Angesichts der kleinteiligen Struktur seien Landkäufe für Finanzinvestoren nicht interessant.

Der aktuelle Situationsbericht des Bauernverbands geht von knapp 90.000 Hektar verkauften Ackers im Jahr aus. Das ist angesichts einer Gesamtfläche von 18,4 Millionen Hektar nur ein geringer Teil. Doch weil die Investoren nach dem Erwerb das Land an die Bauern verpachten, wirken sich die Preissteigerungen auch auf die für die aktiven Landwirte existenziell wichtigen Pachtpreise aus. Bei neuen Verträgen haben sich diese in den vergangenen Jahren erheblich verteuert.

Bund und Länder prüfen Gesetzesänderung

„Die zunehmende Konzentration von Landeigentum kann zum Problem für die von solchen Entwicklungen betroffenen ländlichen Regionen werden“, warnt das bundeseigene Thünen-Institut, das die Entwicklung anhand von Fallstudien in Ostdeutschland untersucht hat.

Die Sorgen verdeutlicht der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Seehausen in der Altmark, Willi Hamann: „Die Eigentümer versteuern ihre Gewinne an ihren Firmensitzen“, erläutert er. Das Geld fehle der strukturschwachen Gemeinde. Ein weiteres Problem lässt sich in Mecklenburg-Vorpommern beobachten. Dort gibt es in manchen Gegenden kaum aktive Höfe mehr. Lediglich zur Aussaat und zur Ernte reisen für ein paar Tage Landarbeiter an. Die Orte veröden.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fordert daher ein Ende der Steuerfreiheit für Anteilskäufe an Kapitalgesellschaften mit Grundvermögen. Und auch Bund und Länder werden aktiv: Konkrete Vorschläge soll aber erst einmal eine Arbeitsgruppe erarbeiten. Ein erster Bericht wird erst im Herbst 2019 erwartet.