Berlin. Laut „Spiegel“ sind 24 Daimler-Modelle von einem Rückruf betroffen. Die Zahl der Fahrzeuge ist aber offenbar geringer als angenommen.

Wie groß ist das Ausmaß von Diesel-Manipulationen beim Autokonzern Daimler? Eine Liste des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), auf die sich der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe beruft, soll zeigen: Verbotene Veränderungen an der Abgasreinigung ziehen sich offenbar quer durch die Modellpalette des Stuttgarter Autobauers. Dem Nachrichtenmagazin zufolge gehe es um insgesamt 24 Modelle. Der „Spiegel“ spricht von einer „peinlichen Liste“, die zum „Debakel“ für Konzernchef Dieter Zetsche gerate.

Wirklich neu sind diese Vorwürfe jedoch nicht. Das KBA hatte die Unregelmäßigkeiten bei der Motorsteuerung verschiedener Daimler-Modelle bereits im Frühjahr beanstandet – zunächst beim Kleintransporter Vito, dann bei weiteren Modellen. Daimler selbst gibt an, dass überwiegend diese Diesel-Modelle betroffen seien: Der Vito und die C-Klasse mit 1,6-Liter-Motor, V-Klasse und GLC mit 2,2-Liter-Motor sowie ML, GL, GLE und GLS mit 3,0-Liter-Motor. Zudem seien weitere einzelne Modellvarianten betroffen.

700.000 statt eine Million betroffene Fahrzeuge

Der „Spiegel“ nennt zu diesem Punkt nun Details: Etwa „diverse Modelle“ der E-Klasse, eine als „besonders umweltfreundlich beworbene Variante“ der S-Klasse sowie das Sportcoupé CLS und den Roadster SLK. Letztere produziert Daimler in vergleichsweise geringen Stückzahlen. Jedoch musste der „Spiegel“ seine eigene Meldung korrigieren, von den Manipulationen seien rund eine Million Fahrzeuge mit Dieselmotor betroffen – tatsächlich geht es um rund 700.000 Autos.

Diese Zahl bestätigte ein Daimler-Sprecher gegenüber dieser Redaktion. Nach Konzernangaben handele es sich um Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 6b, deren Produktion spätestens bis Ende Mai 2018 ausgelaufen sei.

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    Der Hersteller betont zudem: Allein anhand der Baureihe ließen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob einzelne Fahrzeuge von dem bevorstehenden Rückruf betroffen sind. Es gehe um bestimmte Produktionszeiträume.

    Zetsche musste bei Scheuer vorsprechen

    „Wenn ein Fahrzeug betroffen ist, werden wir unsere Kunden selbstverständlich schriftlich informieren, sobald die entsprechenden Software-Updates vorliegen“, erklärt der Daimler-Sprecher. Derzeit arbeite der Stuttgarter Konzern an einer Online-Anwendung, mit der Kunden überprüfen können, ob ihr Auto demnächst in die Werkstatt muss.

    Ende Mai und Anfang Juni musste Daimler-Chef Zetsche wegen der Manipulationsvorwürfe bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vorsprechen. Zunächst ging es um rund 5000 Vito-Transporter, in denen Mercedes Dieselmotoren des französischen Partners Renault verbaut hatte. Nachdem für dieses Modell umgehend ein Rückruf angeordnet wurde, weitete sich der Verdacht aus: Auf 774.000 Diesel-Fahrzeuge, die Daimler in Europa ausgeliefert hat, davon 238.000 in Deutschland.

    Daimler soll deutschlandweit 238.000 Fahrzeuge zurückrufen

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      Minister Scheuer kündigte nach dem zweiten, stundenlangen Gespräch mit Zetsche an, der Bund werde einen weiteren Rückruf anordnen. Die entsprechende Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes ist nun Ende Juli ergangen. Die beanstandete Zahl auffälliger Diesel-Autos ist darin jedoch auf die nun genannten rund 700.000 gesunken.

      Daimler wehrt sich rechtlich gegen KBA-Vorwürfe

      Gegen den ersten KBA-Bescheid, der nur den Vito betrifft, hat Daimler bereits Widerspruch eingelegt. Der Konzern wehrt sich gegen die Feststellung, dass eine nach Ansicht der Flensburger Behörde unzulässige Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung verbaut worden ist. Strittig sind Funktionen in der Motorsteuerung. Diese sollen nach Daimler-Angaben „eine robuste Abgasreinigung bei unterschiedlichen Fahrbedingungen“ sicherstellen.

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        Für den zweiten, umfassenderen Rückrufbescheid für Hunderttausende Autos hat der Konzern ebenfalls angekündigt, sich zur Wehr zu setzen. „Unabhängig von der rechtlichen Klärung der Angelegenheit wird Daimler weiterhin vollumfänglich mit den Behörden kooperieren und Transparenz herstellen“, betont der Daimler-Sprecher.

        Ermittlungen gegen etliche Top-Manager

        Der Skandal um Manipulationen bei der Abgasreinigung von Diesel-Fahrzeugen kam im September 2015 ans Licht. Damals musste Volkswagen einräumen, konzernweit bei rund elf Millionen Autos mit Dieselmotor eine Manipulationssoftware eingesetzt zu haben. Diese erkennt, ob sich ein Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet – nur dann arbeitet die Abgasreinigung wie vorgeschrieben. Gegen zahlreiche Manager, auch den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn, wird wegen Betrugs und Marktmanipulation ermittelt.

        Rupert Stadler, Chef der Volkswagen-Tochter Audi sitzt wegen Verdunklungsgefahr im Diesel-Sandal in Untersuchungshaft. Unklar ist, ob und in welchem Ausmaß weitere Hersteller betroffen sind. BMW-Chef Harald Krüger etwa wehrt sich mit Nachdruck gegen Manipulationsvorwürfe. Bei rund 11.000 auffälligen Autos der 5er- und 7er-Baureihe sei irrtümlich eine falsche Software aufgespielt worden.

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