Berlin. Das Verkehrsministerium will elektronische Abbiegeassistenten in Lkw durchsetzen. Helfen soll bei dem Vorhaben ein Förderprogramm.

„Ich hab den Assi“, steht auf den rot-gelben Aufkleber, den sich die Fahrer an die Lkw pappen sollen. Aber nur diejenigen, deren Fahrzeuge mit einem elektronischen Radfahrer-Retter, dem „Abbiegeassistenten“, ausgerüstet sind. Damit sich die Geräte möglichst bald verbreiten, legte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Dienstag eine entsprechende Vereinbarung mit Unternehmen vor. Bis 2019 will er zusätzlich die Transportfahrzeuge aller Behörden, für die er zuständig ist, mit dem Alarmsystem ausstatten lassen – etwa bei den Wasser- und Schifffahrtsdirektionen.

Zur „Aktion Abbiegeassistent“ hatte Scheuer Vertreter der Lkw-Hersteller, Spediteure, Prüforganisationen, Experten für Verkehrssicherheit, sowie Autofahrer- und Radfahrerverbände eingeladen. Wichtigste Frage: Wie lassen sich die Fahrzeuge schnell mit den Abbiegeassistenten ausrüsten? Das sind elektronische Systeme an und in den Lastwagen, die Personen bemerken, wenn sie sich neben den Lkw aufhalten.

Die in der EU vorgeschriebenen Spiegel, die die Seiten der Lkw abdecken sollen, helfen offenbar wenig: Mindestens 23 Radfahrer sind nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) dieses Jahr bundesweit schon bei Unfällen mit Schwertransportern gestorben, davon allein vier in Berlin.

800 bis 1200 Euro Umrüstkosten

Einige Lkw, die solch elektronische Systeme bereits an Bord haben, waren im Hof des Verkehrsministeriums in Berlin zu begutachten. Beim neuen Actros-Lastzug von Daimler blinkt rechts in der Fahrerkabine ein rotes Warnlicht und ein Signal ertönt, wenn das Radar, eingebaut vor der Hinterachse der Zugmaschine, ein Fahrrad erkennt.

Ein Radfahrer steht mit seinem Fahrrad in der Versuchsabteilung von Mercedes Benz neben einem Lkw mit einem Abbiegeassistenten (gestellte Szene).
Ein Radfahrer steht mit seinem Fahrrad in der Versuchsabteilung von Mercedes Benz neben einem Lkw mit einem Abbiegeassistenten (gestellte Szene). © dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

Sechs Firmen sagten zu, die Alarmsysteme zügig einführen zu wollen – Edeka, Netto, Aldi Nord und Süd, Alba und DB Schenker. Scheuer kündigte ein Förderprogramm an, um weitere Speditionen zu ermuntern. Von Zuschüssen bis zu 80 Prozent der Kosten pro Fahrzeug war offenbar die Rede, wie Teilnehmer der Veranstaltung berichteten. Systeme, die die Lkw-Hersteller Mercedes-Benz und MAN anbieten, kosten 2500 Euro. Scheuer sprach von 800 bis 1200 Euro Umrüstkosten.

Angela Kohls vom ADFC begrüßte die Fortschritte. Sie wies darauf hin, dass Scheuer Schritte zur flächendeckenden Einführung der Radretter auf EU-Ebene bis 2019 erreichen wolle. Andererseits wünscht sich der ADFC mehr Aktivitäten. Kohls forderte beispielsweise ein staatliches Programm, um auch die kommunalen Fuhrparks umzurüsten – etwa Müllwagen.

EU und Vereinte Nationen sind an Regulierung beteiligt

Dass es gut wäre, die Alarmsysteme in alle Lastwagen einzubauen, darüber sind sich alle weitgehend einig. Doch viele Beteiligte arbeiten sich an kleinteiligen Maßnahmen ab. Denn die Sache ist juristisch schwierig: Die Kompetenz für die Typengenehmigung der Fahrzeuge liegt zum guten Teil bei der Europäischen Union. Nationale Sonderregeln für die schnelle Nachrüstung der rund 900.000 in Deutschland zugelassenen Lkw würden Hersteller und Fahrzeuge aus anderen EU-Mitgliedsstaaten benachteiligen.

Noch komplizierter wird es, weil auch die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen mitmischt (UNECE). Sie bezieht auch russische, ukrainische oder türkische Laster in die Regulierung ein. Veränderungen dauern deshalb ziemlich lange. Fünf oder zehn Jahre könnten ins Land gehen, bis alle Fahrzeuge, die in der Bundesrepublik unterwegs sind, die Warnsysteme an Bord haben.

Frank Huster, Geschäftsführer des Speditionsverbands DSLV, sagte: „Wir plädieren dafür, Abbiegeassistenten für neue Fahrzeuge verpflichtend vorzuschreiben. Unser Verband hält auch einen nationalen Alleingang für möglich, bei dem in Deutschland zugelassene Fahrzeuge umgerüstet werden.“ Zuvor solle der Bund allerdings konkret benennen, was solche Systeme leisten müssten.

Grüne wollen verpflichtende Lösung für Lkw

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte: „Minister Andreas Scheuer darf sich nicht hinter irgendwelchen europäischen Lösungen verstecken, die noch jahrelang brauchen. Gefragt ist eine nationale und verpflichtende Lösung für neue Lkw und für solche, die schon auf der Straße fahren - das geht über die Straßenverkehrsordnung.“

Union, SPD und Grüne im Bundestag forderten Scheuer unlängst in einem gemeinsamen Antrag auf, bei der EU auf die baldige Änderung der Typengenehmigung für Lastwagen zu drängen. Abbiegeassistenten seien für neue Laster ab 3,5 Tonnen Gewicht verpflichtend vorzuschreiben. Die EU müsse dafür sorgen, dass Fahrzeuge, die bereits im Verkehr seien, nachgerüstet würden.