Berlin. Staatsanwaltschaft München verhaftet Audi-Chef wegen Verdunklungsgefahr. Spitzenmanager hatte Skandal bislang unbeschadet überstanden.

Im Skandal um gefälschte Abgaswerte bei Millionen Dieselautos gab er sich als Saubermann. Audi-Chef Rupert Stadler wehrte sich gegen Vorwürfe der Mitwisser- und Mittäterschaft. Er überstand die Krise und folgende Personalrochaden. Jetzt zieht sich das Netz um den Manager, der die VW-Tochter von Rekord zu Rekord trieb, schnell zusammen.

Ende Mai nahm die Staatsanwaltschaft München Ermittlungen wegen Betrugsverdachts auf und durchsuchte vor einer Woche Stadlers Privatwohnung – nun sitzt er in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Verdunklungsgefahr. Ermittler haben ihn Montagfrüh zu Hause in Ingolstadt festgenommen.

Staatsanwaltschaft hörte Stadlers Telefonate ab

Die Festnahme erfolgte wenige Stunden vor einer Sitzung des VW-Aufsichtsrates. Es hätten sich laut einem Justizsprecher Hinweise ergeben, dass der Manager womöglich auf Beweismittel, andere Beschuldigte oder Zeugen Einfluss nehmen könnte.

Dabei habe die Staatsanwaltschaft auch Telefonate Stadlers abgehört, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Das Kontrollgremium des Autokonzerns soll sich auf Vertriebsvorstand Bram Schot als Interimschef verständigt haben. Der Niederländer kam im September 2017 zu Audi. Eine Abberufung Stadlers ist offenbar zunächst nicht geplant.

„Für Herrn Stadler gilt weiterhin die Unschuldsvermutung“

Ein VW-Sprecher bestätigte die Festnahme. „Darüber hinaus können wir uns vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen inhaltlich nicht äußern. Für Herrn Stadler gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.“ Stadler selbst habe sich gegenüber den Ermittlern bislang nicht geäußert, erklärte die Staatsanwaltschaft. Der Manager wolle zunächst mit seinem Verteidiger sprechen. Dieser sehe derzeit die Akten ein. Die Vernehmung soll voraussichtlich am Mittwoch beginnen.

Die Ermittler werfen Stadler und einem weiteren Audi-Vorstand „Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung zur Last“ vor. Sie hätten Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung in Europa in den Verkehr gebracht. Der Audi-Chef soll nach der Aufdeckung der Manipulationen in den USA von den gefälschten Abgaswerten auch in Europa gewusst, aber anders als in Amerika keinen Vertriebsstopp angeordnet haben.

Die Ermittler stützten sich dem Vernehmen nach auf die Auswertung von Korrespondenz. Sie hatten die Audi-Zentrale in Ingolstadt und das Werk Neckarsulm im März 2017 und im Februar 2018 durchsucht. Insgesamt beschuldigt die Staatsanwaltschaft nun 20 Personen.

Audi nimmt im Diesel-Skandal eine Schlüsselposition ein

Neben Stadler sitzt seit September 2017 ein ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand in Untersuchungshaft. Einer seiner früheren Mitarbeiter bei Audi in Neckarsulm war nach mehreren Monaten U-Haft im November 2017 wieder freigekommen.

Audi soll in den USA und Europa seit 2009 rund 220.000 manipulierte Dieselautos verkauft haben. Nachdem der Betrug im Herbst 2015 aufflog, mussten bei Audi sechs Vorstandsmitglieder gehen. Immer wieder gab es Forderungen, dass auch Stadler zurücktreten müsse. Ihm wird intern eine schleppende Aufarbeitung des Dieselskandals vorgeworfen. Besonders die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch hatten den Manager verteidigt.

Dabei spielt Audi im Dieselskandal eine Schlüsselrolle. Die Premiummarke des Volkswagen-Konzerns entwickelt und produziert leistungsstarke Motoren auch für VW und Porsche. Der Sportwagenhersteller verabschiedete sich im Frühjahr vorläufig vom einst stark gefragten Diesel, nachdem unzulässige Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung zu einem Massenrückruf führten. Aktuell steht selbst die neueste Generation des Audi-Flaggschiffs A8 unter Manipulationsverdacht. Das Verkehrsministerium bestätigte Untersuchungen des Kraftfahrtbundesamtes.

Scheuer: „Das Signal ist nicht nur schockierend, sondern auch traurig“

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte zu der Verhaftung: „Das Signal ist nicht nur schockierend, sondern auch traurig“. Er betonte: „Ich habe großes Vertrauen in die Behörden, die diese Untersuchungen und Ermittlungen vornehmen.“ Der Minister hatte zuletzt eine härtere Gangart gegen die Autohersteller eingeschlagen.

„Heute ist die Mär der Autoindus­trie endgültig in sich zusammengefallen, beim Abgasskandal handle sich um die Verfehlungen einzelner Ingenieure“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Im Abgasskandal hätten es weder VW noch die Branche geschafft, einen klaren Schnitt zu ziehen.

Stadler leitete er das Büro des Konzernchefs Ferdinand Piëch

Die Karriere des Bauernsohns Rupert Stadler aus Oberbayern bei Audi begann 1990 im Controlling, vier Jahre später wurde der Diplom-Betriebswirt kaufmännischer Geschäftsführer von Volkswagen-Audi in Spanien. Von 1997 bis 2002 folgte eine Schlüsselposition – er leitete er das Büro des Konzernchefs Ferdinand Piëch in Wolfsburg. Anschließend ging es für ihn zurück nach Bayern in den Audi-Vorstand. Seit 2007 leitet er die Marke.

Er folgte auf Martin Winterkorn, der damals Chef des Mutterkonzerns Volkswagen wurde und im Herbst 2015 wegen des Dieselskandals zurücktrat. Der 55-jährige Vater von drei Kindern sitzt zudem in Aufsichts- und Verwaltungsräten verschiedener VW-Töchter.

Neben Stadler haben Staatsanwälte weitere aktive Manager des VW-Konzerns im Visier. In Braunschweig laufen Ermittlungen gegen Vorstandschef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wegen des Verdachts der Marktmanipulation.