Berlin. Geräte des Medizintechnik-Unternehmens Melag stehen in fast jeder deutschen Arztpraxis. Damit das so bleibt, bauen die Berliner vor.

Nachdem Steffen Gebauer in seinem Büro mehr als eine Stunde über sein Unternehmen gesprochen hat, steht er auf und geht zu einem Schrank. Um zu zeigen, wie das erste Produkt seiner Firma entstanden ist, greift er zu einer silbernen Brotdose aus Aluminium. Gebauer erzählt dann, wie schwer es dem jungen Medizintechnik-Unternehmen Melag Anfang der 50er-Jahre gefallen ist, Materialien für die Produktion der ersten Geräte zu besorgen.

Die Melag-Gründer, Gebauers Vater Alfred und sein Geschäftspartner Kurt Thiede, hätten deswegen Brotbüchsen als Außengehäuse für die ersten Heißluftsterilisatoren verwendet. Die Geräte verwendeten Ärzte damals, um medizinische Klammern, Scheren und Skalpelle zu desinfizieren. Der Anwendungsbereich für die Produkte des Unternehmens aus Tempelhof hat sich bis heute nicht verändert. Die Technik allerdings hat gleich mehrere Entwicklungssprünge gemacht.

Melag-Technik sorgt für die Desinfektion medizinischer Instrumente

Heute verlassen Produkte wie Autoklaven, Thermodesinfektoren und Wasseraufbereitungsanlagen das Werk nahe dem Bahnhof Südkreuz. Die Melag-Technik sorgt mit unterschiedlichen Verfahren für die Desinfektion von medizinischen Instrumenten. Branchenkenner schätzen, dass Melag-Geräte wohl in fast jeder deutschen Arztpraxis zu finden sind.

Aber die Produkte aus Berlin sind auch längst weltweit gefragt: Nach Unternehmensangaben arbeiten Mediziner in 120 Ländern mit der Technik aus Berlin. Seit der Gründung 1951 bis heute sind mehr als eine halbe Million Sterilisationsgeräte verkauft worden. Melag ist ein Leuchtturm für den Medizintechnik-Standort Berlin, dem es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gelungen ist, Konkurrenten in die Schranken zu weisen.

In Deutschland gibt es nur noch zwei Konkurrenten

Als Steffen Gebauer und Christian Thiede im Jahr 1973 die Geschäftsleitung von ihren Vätern übernommen hatten, sah sich Melag in Deutschland noch einem Dutzend Wettbewerbern gegenüber. Gebauer und Thiede haben nicht nur einen langen Atem bewiesen. Den Unternehmern gelang es vor allem, die Geräte stets weiterzuentwickeln.

Mittlerweile gibt es mit dem Konzern Miele aus Gütersloh und Aesculap aus Tuttlingen nur noch zwei deutsche Konkurrenten, die mit Melag um Marktanteile im Inland ringen.

Steffen Gebauer sagt, sein Unternehmen könne vor allem mit einer Systemlösung punkten: Die Berliner bieten alle Geräte aus einer Hand an, die Ärzte zur Aufbereitung von medizinischen Werkzeugen benötigen. Praxen sparten so vor allem Kosten. Techniker, die Geräte warten und mitunter neu einstellen, müssten nur einmal kommen.

Auf dem heimischen Markt kann Melag kaum noch wachsen

Mit 400 Mitarbeitern setzte Melag zuletzt etwa 80 Millionen Euro um. Die Erträge sind seit einigen Jahren konstant, verrät Gebauer. Vor allem im deutschen Markt gibt es für die Berliner kaum noch Wachstum.

Das hat mehrere Gründe: Die Zahl der niedergelassenen Ärzte mit eigener Praxis geht seit Jahren zurück. Immer mehr Mediziner würden zudem die Sterilisation ihrer medizinischen In­strumente an Dienstleister auslagern. Hinzu kommt der Trend zu Einmal­besteck, das nach der Behandlung entsorgt wird.

Melag versucht deswegen seit einigen Jahren neue Märkte im Ausland zu erschließen. „Die Welt ist groß. Wir haben sehr viele Chancen“, erklärt Gebauer. Die Berliner schielen dabei vor allem nach Afrika und Asien. In China gebe es bereits Mitarbeiter, die eine Vertriebsstruktur aufbauen und Kontakte zu Zwischenhändlern und Medizinern halten, sagt Melag-Vertriebsleiter Christoph Sandow.

Asiatische Konkurrenten setzen den Berlinern zu

Die Marktanteile sind aber noch niedrig, was vor allem an der Billig-Konkurrenz aus asiatischen Ländern liegt. Die Wettbewerber würden die Medizintechnik teilweise zu Dumpingpreisen verschleudern, sagt Steffen Gebauer. Einen Preiskampf, den die Berliner nicht mitgehen wollen – und offenbar auch nicht müssen.

Im Ausland gehe es vor allem darum, Kunden von der deutschen Technik zu überzeugen. Melag-Geräte hätten eine Lebensdauer von etwa zehn Jahren, sagt Gebauer. Die asiatische Billig-Technik könne da nicht mithalten.

Damit der „Made-in-Germany“-Vorsprung nicht kleiner wird, arbeiten in der Melag-Zentrale in Berlin etwa 160 Ingenieure an Innovationen und der Weiterentwicklung bestehender Produkte. Einige Ärzte setzen vermehrt auf elektronische Behandlungsinstrumente, die etwa mit herkömmlichen Dampf-Verfahren nicht gereinigt werden könnten, sagt der technische Leiter von Melag, Matthias Liebetrau. Gefragt seien deswegen neue Lösungen, wie Sterilisation durch Kälte oder mit Chemie.

Das Unternehmen investiert Millionen in einen Neubau

Die Ingenieure tüfteln aber auch an neuen, sparsameren Geräten, die zum Beispiel weniger Wasser verbrauchen. Liebetrau geht es zudem darum, die Produkte digitaler zu machen. Seit einigen Jahren schon werden einige Melag-Geräte mit Touchscreens ausgeliefert. Derzeit entwickeln Mitarbeiter eine App, mit der Kunden den Einsatz der Technik einfacher als bisher überwachen könnten, so Liebetrau.

Die wohl größte Veränderung geschieht momentan aber auf dem Firmengelände selbst: Im Oktober wollen die Geschäftsführer Gebauer und Thiede das Richtfest für den Neubau feiern, der gerade im Innenhof der Unternehmenszentrale entsteht. Einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag investiert das Unternehmen in den Ausbau.

Das Land fördert die Erweiterung mit 1,9 Millionen Euro. Berlin sei stolz, ein solches Unternehmen in der Stadt zu haben, sagte kürzlich Wirtschaftsstaatssekretär Henner Bunde (CDU) bei der Übergabe des Zuwendungsbescheids.