Berlin/Mannheim. Unter Ex-Minister Roland Koch soll es bei Bilfinger recht feudal zugegangen sein. Die Geschäftsmoral ließ offenbar zu wünschen übrig.

Roland Kochs Zeit als Konzernlenker endete, wie sie begonnen hat: überraschend. Am 3. August 2014 erklärte der Bilfinger-Chef, das Vertrauen in ihn sei erschüttert, er sei verantwortlich für zwei Gewinnwarnungen. Fünf Tage später war Koch raus aus dem Unternehmen. Bemerkenswert für einen Mann, der elf Jahre lang CDU-Ministerpräsident in Hessen und nicht gerade als zurückhaltend bekannt war.

Bemerkenswert ist auch, was jetzt öffentlich wird: Bilfinger nahm es unter Kochs Ägide mit der Geschäftsmoral offenbar nicht so genau. Das jedenfalls legen Papiere nah, aus denen der „Spiegel“ zitiert. Koch droht eine Millionenklage Bilfingers.

Die vertraulichen Dossiers hat der Züricher Anwalt Mark Livschitz für das US-Justizministerium erstellt. Livschitz ist im Auftrag der Amerikaner als „Monitor“ im Konzern unterwegs. Er schaut, ob Bilfinger Korruption wirksam bekämpft. Die US-Ermittler untersuchten einen Bestechungsfall aus Nigeria von 2003, an dem Bilfinger beteiligt war.

„Defekte, vererbte Unternehmenskultur“

Das Verfahren wurde 2013 gegen eine Strafe von umgerechnet 27 Millionen Euro eingestellt, Livschitz kam als Aufpasser. Und berichtet Irritierendes, wie der „Spiegel“ schreibt: „Die Mitglieder des Vorstandes agierten wie Könige in ihren Schlössern. Sie fühlten sich an keine Regeln gebunden, benutzten die Kasse in der Unternehmenszentrale wie einen SB-Geldautomaten und fällten strategische Entscheidungen in korruptionsempfindlichen Bereichen, ohne die Korruptionsproblematik zu bedenken.“ Bilfinger leide unter einer „defekten, vererbten Unternehmenskultur“.

Und Koch hat den Berichten zufolge nicht ausreichend dagegen durchgegriffen. Er selbst wies am Freitagabend auf Anfrage dieser Redaktion alle Anschuldigungen zurück. Jedenfalls kaufte Bilfinger kräftig zu, auch in Ländern, in denen Korruption eher üblich war – China, Vietnam, Brasilien. Livschitz’ Mandat wurde jedenfalls bis Ende 2018 verlängert – offenbar gefiel den US-Behörden nicht, was im Konzern so vorging. Das ist vor allem für Bilfinger ein teures Problem, weil etwa aus den USA praktisch niemand mit einer Firma Geschäfte macht, wenn sie erst einmal auf der Schwarzen Liste der Amerikaner gelandet ist.

Konzern fordert wohl 120 Millionen Euro zurück

Das neue Management jedenfalls räumt auf. Nicht nur die wild zusammengekaufte Konzernstruktur, sondern auch bei den Compliance-Problemen der Vergangenheit. Neben Koch hat das Unternehmen elf weitere ehemalige Vorstandsmitglieder angeschrieben – wegen „Pflichtverletzungen bei der Implementierung eines ordnungsgemäßen Compliance-Management-Systems“.

Insgesamt fordert der Konzern wohl gut 120 Millionen Euro zurück. So hoch sind die Kosten, die entstanden sind, weil das Management das Thema Bestechung nicht so ernst genommen hat, wie es hätte sollen. Offiziell will die Summe niemand bestätigen. Man sei in Gesprächen mit den Ex-Managern, heißt es. Einigt sich der Konzern nicht mit ihnen, wird Bilfinger klagen. Auch gegen Koch.

Nach dessen Abgang geriet der Konzern etwas ins Trudeln, seit 2017 hat er sich klar neu ausgerichtet: auf Instandhaltung und Wartung von Industrieanlagen nebst Digitalisierung sowie auf Anlagenbau etwa für die Pharmaindustrie. Mit Hoch- und Tiefbau hat der Konzern nichts mehr zu tun. Und von den Zielen, die Koch im Juli 2011 zu seinem Amtsantritt verkündete – elf bis zwölf Milliarden Euro Umsatz (plus 50 Prozent) und 280 Millionen Euro Gewinn –, ist Bilfinger weit entfernt: 2017 setzte der Konzern rund vier Milliarden Euro um und schrieb 89 Millionen Euro Verlust – dafür mit solidem Management.