Leverkusen. Mit der Übernahme von Monsanto steigt Bayer zur Nummer eins der Agrarchemie auf. Kritik wird laut. Doch ist die überhaupt berechtigt?

An diesem Donnerstag ist es so weit: Bayer übernimmt den umstrittenen US-Saatgutkonzern Monsanto und steigt somit zum größten Agrochemie-Unternehmen der Welt auf. Antworten auf die wichtigsten Fragen zu der spektakulären Übernahme.

Wie wertvoll ist das Geschäft?

Bayer kostet der Kauf von Monsanto 63 Milliarden Dollar (54 Milliarden Euro). Die Übernahme ist der Summe nach zu urteilen nicht nur die größte in der Geschichte von Bayer, sondern auch die bislang größte eines deutschen Unternehmens überhaupt. Rekordhalter war bislang Daimler mit dem Kauf des US-Autokonzerns Chrysler 1998.

Warum ist Bayer die Übernahme so viel wert?

Durch den Monsanto-Kauf wird Bayer zum größten Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut in der Welt. Die Idee dahinter: Weil die Weltbevölkerung steigt, die Zahl der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen aber stagniert, sind neue ertragreichere Pflanzen und besserer Schutz nötig. Ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld. Beide Konzerne ergänzen sich bei Produkten und Absatzmärkten. Bayer ist künftig weltweit in der Branche vertreten.

Wie steht es nun um den Wettbewerb in der Branche?

Bayer muss sich gegen mächtige Rivalen behaupten. Im Milliardengeschäft mit Agrochemie hatten sich unlängst auch die US-Konzerne Dupont und Dow sowie Chemchina und die Schweizer Syngenta verbündet. Nun steigt die Marktmacht von Bayer mit Monsanto erheblich.

Kritiker betrachten das mit Sorge: „Die wachsende Konzentration im Agro­chemie-Geschäft verschärft einen gefährlichen Trend, an dessen Ende nach dem Willen der Agrarkonzerne die Kontrolle über die Zukunft unserer Ernährung steht“, sagt Dirk Zimmermann von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Bayer-Chef Werner Baumann beteuert hingegen, der Monsanto-Deal ermögliche es dem Konzern, „noch besser dabei zu helfen, gesunde, sichere und erschwingliche Lebensmittel“ herzustellen.

Wie funktioniert der Kauf?

An diesem Donnerstag möchte Bayer die Monsanto-Übernahme vollenden. Rund 57 Milliarden Dollar – den Baranteil der Übernahmekosten, der Rest sind übernommene Schulden – will Bayer am Donnerstagvormittag US-Zeit mithilfe der beteiligten Banken auf einen Schlag von Europa in die USA überweisen.

Proteste vor Bayer-Hauptversammlung

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    Dort wird das Geld an die Monsanto-Aktionäre überwiesen. Bayer wird dann zum alleinigen Eigentümer von Monsanto, das Unternehmen verschwindet vom Kurszettel an der Wall Street.

    Woher kommt das Geld zum Kauf?

    Unter anderem von den Aktionären, die Geld über eine Kapitalerhöhung beisteuern. Zudem plant Bayer Anleihen im Wert von bis zu 20 Milliarden Euro. Eine wichtige Rolle spielt auch Temasek, der Staatsfonds Singapurs, der mit einer Milliardensumme einsteigt.

    Wie verändert sich der Bayer-Konzern durch Monsanto?

    „Bayer wird Bayer bleiben“, beteuert Konzernchef Baumann, doch das Unternehmen aus Leverkusen verändert sich kräftig. Das Agrargeschäft wird durch den Zukauf verdoppelt – damit verschieben sich die Gewichte innerhalb des Konzerns, der bisher stark vom Pharmageschäft geprägt wird. Künftig sind die Geschäftsbereiche Gesundheit und Ernährung etwa gleich groß.

    Warum soll der Name Monsanto verschwinden?

    Monsanto steht unter anderem wegen ruppiger Geschäftspraktiken und dem umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat unter Beschuss. Kritiker machen Glyphosat für das Artensterben und die Entstehung resistenter Unkräuter verantwortlich. Es steht zudem unter Verdacht, krebserregend zu sein.

    Der Name Monsanto verschwindet, weil Bayer ein bei Weitem besseres Image hat. Die zugekauften Produkte, die am Markt bekannt sind, sollen ihre Namen behalten. Bayer-Chef Baumann sagt, der Konzern wolle „Kritikern zuhören und mit ihnen zusammenzuarbeiten“, wo es eine gemeinsame Basis gebe.

    Welche Folgen hat die Übernahme für Umwelt und Verbraucher?

    „Sowohl Bayer als Monsanto stehen für einen Intensivanbau landwirtschaftlicher Nutzpflanzen unter Einsatz von Agrochemikalien und Gentechnik“, sagt Ralf Bilke, Agrarreferent des Umweltverbands BUND in Nordrhein-Westfalen. Viele Probleme wie der Verlust der biologischen Vielfalt seien dieser Art von Landbewirtschaftung geschuldet.

    Die Übernahme von Monsanto zementiere dieses Agrarmodell. Bayer nehme künftig eine Schlüsselstellung ein, wenn es um die Agrarproduktion und Nahrungsmittelsicherheit gehe.

    Gibt es Auflagen der Wettbewerbshüter für Bayer?

    Die vor zwei Jahren angekündigte Übernahme ist streng geprüft worden. In rund 30 Ländern mussten die Wettbewerbshüter zustimmen. „Allein bei der Europäischen Kommission und dem Department of Justice in den USA haben wir schätzungsweise rund 40 Millionen Seiten eingereicht“, sagt Bayer-Chef Baumann. „Würde man sie alle ausdrucken und aneinanderreihen, käme man von Leverkusen nach St. Louis – und fast wieder zurück.“

    Eine Auflage ist der Verkauf von Teilen des Bayer-Saatgut-Geschäfts mit 2,2 Milliarden Jahresumsatz. Es geht an den Chemiekonzern BASF, der rund 7,6 Milliarden Euro zahlt.

    Werden nach der Übernahme Stellen gestrichen?

    Das lässt der Bayer-Chef offen. Baumann rechnet damit, dass die Übernahme ab 2022 jährlich 1,2 Milliarden Dollar zum operativen Gewinn beitragen wird. An welcher Stelle genau die Kosten sinken sollen, sagt Baumann nicht. Unter dem Strich soll die Belegschaft von Bayer durch die Monsanto-Übernahme wachsen. Derzeit beschäftigt der Konzern rund 100.000 Mitarbeiter, nach dem Kauf sollen es etwa 115.000 sein.