Berlin. Jeder fünfte Kauf im Internet wird in Deutschland über PayPal bezahlt. Der US-Bezahldienst PayPal eröffnet nun ein neues Geschäftsfeld.

Ihre Konferenzräume heißen Hawaii, Spandau, Boom! oder Casino Royale. Benannt nach Inseln, Berliner Bezirken, Comic-Worten und James-Bond-Filmen. Das Treppenhaus ist von Straßenkünstler bunt bemalt. Alle arbeiten im Großraum, zumeist vor Bildschirmen. Es geht um Marketing, Vertrieb und Produktmanagement. Das „Du“ zählt zum Alltag, auf bunten Sitzmöbeln trifft man sich zu Meetings.

Obwohl PayPal weltweit zu den großen Finanzdienstleistern zählt und eine Banklizenz in Luxemburg besitzt, wirkt die Atmosphäre am deutschen Firmensitz in Kleinmachnow bei Berlin locker, innovativ – und unterscheidet sich deutlich von der gediegenen Attitüde anderer Geldinstitute.

Wer im Internet Waren bestellt, stößt regelmäßig auf PayPal. Rund 90 Prozent aller Online-Shops in Deutschland nutzen den Bezahlservice. Ein Fünftel aller Interneteinkäufe werden damit beglichen. Vor 20 Jahren in den USA von den legendären Internetgrößen rund um Peter Thiel, Max Levchin und Elon Musk gegründet, ist PayPal seit 2004 auch in Deutschland präsent.

Diente das Unternehmen zunächst nur als Bezahlplattform für das Online-Auktionshaus eBay, das PayPal 2002 kurz nach seinem Börsengang übernahm, gehen die beiden Unternehmen seit gut drei Jahren wieder getrennte Wege. Doch dies schmälert nicht den Erfolg. Im Gegenteil.

20,5 Millionen nutzen in Deutschland den Bezahldienst

PayPal ist auf Wachstumskurs. Weltweit nutzen 227 Millionen Händler und Käufer den Dienst, in Deutschland sind es 20,5 Millionen aktive Nutzer. Deutschland ist damit der drittgrößte PayPal-Markt nach den USA und Großbritannien. Der in den USA börsennotierte Konzern konnte allein im ersten Quartal seinen Gewinn um ein Drittel auf 511 Millionen Dollar (420 Millionen Euro) erhöhen und den Umsatz um ein Viertel auf 3,7 Milliarden Dollar.

Weltweit arbeiten für PayPal rund 18.000 Mitarbeiter. Wie viele Hunderte hierzulande beschäftigt sind und welcher Umsatz im deutschsprachigen Raum erzielt wird, verrät Frank Keller, Geschäftsführer von PayPal Deutschland, Österreich und der Schweiz, nicht. Geschäftsgeheimnis.

Nur soviel: „Wir sehen in Deutschland noch großes Wachstumspotenzial – schließlich gibt es hierzulande 58 Millionen Onlineshopper“, sagt der 45-Jährige. „Wir werden mit dem E-Commerce weiter mitwachsen, aber auch in Bereichen außerhalb des klassischen Onlinehandels.“ Die Trennung von eBay, die bis 2023 erfolgen soll, bereitet dem promovierten Software-Ingenieur dabei keinen Kummer. Schon heute macht der Umsatzanteil von eBay bei PayPal nur noch 13 Prozent aus, 2020 dürften es etwa vier Prozent sein.

Stattdessen baut PayPal schon seit Jahren sein Geschäft mit Händlern aller Branchen aus. Große Konzerne wie Lufthansa oder die Deutsche Bahn gehören zu ihren Kunden, aber auch Tausende Online-Shops. Zunehmend nutzen digitale Services wie Netflix, Spotify oder Apple den Dienst. Auch Behörden bedienen sich PayPal zum Eintreiben von Gebühren oder Bußgelder. Mit dem Tankstellenkonzern Shell wird eine App zum Bezahlen per Handy betrieben.

Als Vision schwebt Keller vor, dass sich Verkäufer in Läden zu laufenden Kassen verwandeln und künftig gleich nach der Beratung den Kauf per Tablet kassieren.

„Business in a box“ – von Shopsoftware bis zur Vermarktung

Nun geht PayPal noch einen Schritt weiter und agiert als Starthelfer für neue Online-Händler. Unter dem Namen „Business in a box“ wird künftig mit den Partnern 1&1 sowie emarketing ein Starterpaket zum Einstieg ins Online-Geschäft angeboten – inklusive Shopsoftware, Payment, Buchhaltung und Vermarktung. „Wir wollen damit Gründer sowie kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen, ihr Geschäft erfolgreich aufzubauen und gemeinsam mit ihnen wachsen“, sagt Keller dieser Redaktion. Mit dem Paket ließen sich mit wenigen Klicks eigene Shops erstellen und die beliebtesten Zahlmethoden – per Lastschrift, PayPal, Kreditkarte und Rechnung – verknüpfen.

Das Angebot könne jeder Kunde mit PayPal-Geschäftskonto nutzen. Die Kosten sind für die Neueinsteiger wie bei allen anderen Händlern gleich. PayPal verdient an jedem Verkauf mit: Pro Transaktion zahlen die Händler 35 Cent plus eine variable Gebühr von 1,9 Prozent des Verkaufspreises. Ab einem monatlichem Verkaufsvolumen von 5000 Euro und mehr ist aber auch dieser Prozentsatz verhandelbar.

Keller bezeichnet PayPal selbst als „Premium-Produkt“. Für die Provision genießen Händler als auch Käufer besonderen Schutz. So erhält der Käufer sein Geld zurück, sollte der Händler keine oder schlechte Ware liefern. Der Händler bekommt sein Geld auch dann, sollte der Käufer nicht liquide sein. Zudem übernimmt PayPal für Käufer mehrmals im Jahr Retourenkosten, wenn die gekaufte Ware nicht gefällt.

Der ständige Kampf gegen Kriminelle im Internet

Die größten Herausforderungen im Internet sind für PayPal – wie für alle Betreiber – Datensicherheit und Betrug. „Die Kriminellen im Internet treten mit immer neuen Maschen auf, nicht selten mafiaartig“, berichtet Keller. Die beliebteste Betrugsfalle sei das Abfischen von Bankkontonummern per Mail und Fake-Shops.

„Wir stecken deshalb viel Kraft in unser Betrugsmanagement und haben große Erfahrung mit dem Schutz von Daten.“ Wird mal ein Konto geknackt, werde es von PayPal gesperrt. PayPal arbeitet dabei auch mit der Polizei, Gerichten und anderen Strafverfolgungsbehörden zusammen.

Zum Schutz der Privatdaten von Käufern und Händlern würden diese untereinander nicht ausgetauscht, sondern blieben in den Datenbanken von PayPal. Auch Verbraucherschützer können bislang nicht über größere Schwierigkeiten mit PayPal berichten. Nur die Allgemeinen Geschäftsbedingungen moniert die Verbraucherzentrale als deutlich zu lang. „Technisch hat PayPal ein hohes Sicherheitsniveau“, nennt Kirsti Dautzenberg, Digitalexpertin der Verbraucherzentrale Brandenburg das Ergebnis einer Studie zu elektronischen Bezahldiensten im Internet.

Noch zahlen die Deutschen ihre Einkäufe im Internet meistens per Rechnung. Dann folgen Lastschrift, PayPal, Kreditkarten und Vorkasse. Auch wenn der Trend zur elektronischen Zahlung steigt, ist aber selbst der PayPal-Chef sicher, dass kleine Beträge im realen Leben weiter in Münzen und Scheinen bezahlt werden. „Das Bargeld wird hierzulande so schnell nicht verschwinden.“