Frankfurt/Main. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank bestimmt den Nachfolger für den glücklosen Cryan. Der Neue muss vor allem Vertrauen zurückgewinnen.

Zuletzt geht es dann schnell mit der derzeit wohl wichtigsten Personalie in der deutschen Wirtschaft: Christian Sewing soll die neue Nummer eins der Deutschen Bank werden. Der Aufsichtsrat der Bank hat ihn am Sonntagabend auf einer kurzfristig und überraschend anberaumten Sondersitzung nach kurzer Aussprache als Nachfolger des Briten John Cryan bestimmt. Sewing soll den Chefposten nach der Hauptversammlung des Instituts am 24. Mai antreten.

Damit endet die Ära Cryan nach nicht einmal drei Jahren. Für den als harten Sanierer geholten Briten ist es ein glückloser Abschied. Aufsichtsratschef Paul Achleitner hatte bereits in den vergangenen Wochen nach Nachfolgern gesucht, einige Kandidaten im Ausland hatten jedoch abgesagt. Jetzt gibt es eine interne Lösung, Sewing ist in der Bank groß geworden.

Co-Vizechef verlässt die Bank

Seit Anfang 2015 sitzt er im Vorstand der Bank und ist zuständig für das Privat- und Firmenkundengeschäft. Im vergangenen Jahr war er wie Marcus Schenck, im Vorstand für das Investmentbanking verantwortlich, zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Bank berufen worden. Bisher hieß es immer, das Duo Sewing und Schenck sei noch nicht reif genug, an die Spitze des Geldhauses zu treten, das seit Jahren mit großen Problemen zu kämpfen hat. Die mangelnde Reife ist offenbar kein Thema mehr.

Jetzt soll es Sewing sogar allein richten, denn Schenck dürfte die Bank, wie zu hören ist, bald verlassen. Schenck hatte sich dagegen ausgesprochen, das Investmentbanking zu stutzen, was Cryan wohl anstrebte. Der Noch-Chef hatte das Projekt „Colombo“ aufgesetzt, das nach Einsparungsmöglichkeiten in dieser Sparte sucht.

Sewing begann mit einer Banklehre im Haus

Sewing ist seit Langem der erste Manager aus dem Privatkundengeschäft, der mit dem Geldhaus groß geworden ist. 1989 begann er vor seinem Studium eine Lehre als Bankkaufmann bei der Deutschen Bank in Bielefeld. Der gebürtige Westfale (Jahrgang 1970), der während der Woche in Frankfurt/Main lebt, aber am Wochenende mit seiner Familie in Osnabrück, hat sich langsam hochgearbeitet.

Er behauptete sich auch auf Auslandsstationen in Singapur, Toronto, Tokio und London. Bis auf zwei Jahre bei der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank verbrachte er sein gesamtes Berufsleben bei der Deutschen Bank. Er arbeitete auch im Risikomanagement, deshalb ist ihm das Investmentbank-Geschäft vertraut.

Deutsche Bank weltweit eher abgeschlagen

Mit Sewings Berufung dürfte sich die Bank jetzt wieder stärker zum Privat- und Firmenkundengeschäft hinwenden. Das ist die solide Säule des Instituts, die nicht so viel Eigenkapital benötigt wie das Investmentbanking. Das sorgt zwar immer noch für einen großen Teil der Erträge, hat der Bank seit der Finanzkrise aber große Verluste und die Milliardenstrafen wegen der Rechtsstreitigkeiten gebracht.

Ganz auf das Investmentbankgeschäft verzichten wird die Bank wohl nicht. „Nur auf einen Bereich zu setzen, geht nicht, denn dann würde man die spezifische Kompetenz der Deutschen Bank vernachlässigen: Die ist in der deutschen und europäischen Wirtschaft verankert und gleichzeitig Fenster zum internationalen Kapitalmarkt“, sagt Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Allerdings ist die Bank weltweit im Vergleich zu den angelsächsischen Investmentbanken weit abgeschlagen.

Tausende Stellen sollen wegfallen

Die Bank benötige einen Chef, der die inneren Streitigkeiten befrieden, aber auch durchgreifen könne, war vor der Entscheidung des Aufsichtsrats zu hören. Dass Sewing durchgreifen kann, beweist er gerade bei der Neuaufstellung des Privat- und Firmenkundengeschäfts. Er schloss fast 200 Filialen und strich Tausende Jobs. Seine große Aufgabe ist derzeit die Reintegration der Postbank zusammen mit deren Chef Frank Strauß. Da gehe es nicht ohne Stellenabbau, hat Sewing schon klargestellt. 9000 Stellen sollen wegfallen, davon 4000 in Deutschland.

Der amtierende Vorstandschef Cryan hatte sich vor Ostern noch kämpferisch gegeben und deutlich gemacht, dass er seine Aufgabe noch nicht als erfüllt sehe. In der Tat ist die Bank noch immer eine Baustelle. Drei Jahre hintereinander musste Cryan zudem Verluste verkünden.

Die Bank stand am Abgrund

Dabei hatte der Brite, als er Mitte Juli 2015 den damaligen Co-Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain ablöste, die Bank wieder auf Kurs bringen sollen. Cryan, der wegen seiner Zeit als Finanzchef der schweizerischen Großbank UBS als harter Sanierer gilt, gelang es immerhin, die größten Rechtsstreitigkeiten der Bank beizulegen. Das aber kostete Milliarden an Geldstrafen.

Im Oktober 2016 brachte dies die Bank an den Rand des Abgrunds, Cryan schaffte es aber, die drohende Strafe von 14 Milliarden Dollar (11,4 Milliarden Euro) in den USA auf 7,2 Milliarden Dollar herunterzuhandeln. Er stärkte die Bank dann mit einer milliardenschweren Kapitalerhöhung. Außerdem holte er die Postbank in den Konzern zurück, weil die sich nicht zum erhofften Preis verkaufen ließ.

Verhältnis Cryans zum Aufsichtsrat zerrüttet

Die Lage an den Finanzmärkten spielte der größten deutschen Bank auch nicht in die Hände. Ihre Erträge, vor allem im Devisen- und Anleihehandel, schrumpften stark. Und schließlich verhagelte die Steuerreform in den USA der Bank die Bilanz für 2017. Da half auch nicht, dass Cryan vor Ostern wie versprochen einen Teil der Vermögensverwaltungstochter DWS an die Börse brachte.

Schon seit Längerem galt das Verhältnis zwischen Aufsichtsratschef Achleitner und Cryan als zerrüttet. Deutlich wurde das etwa, als Cryan sich zunächst weigerte, Vertreter des neuen Großaktionärs der Bank, der chinesischen HNA-Gruppe, zu treffen. Auch Großaktionär Katar wurde unruhig und verlangte einen Kurswechsel. Cryan schaffte es zudem nicht, die Diskussionen um die Strategie innerhalb der Bank zu beenden.

Aktionäre wenden sich enttäuscht ab

Auch die zersplitterte IT des Konzerns ist ein Problem. Zuletzt hatte Kim Hammonds, für IT im Vorstand zuständig, die Deutsche Bank in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ als dysfunktionalstes Unternehmen bezeichnet, für das sie je gearbeitet habe. In den vergangenen Wochen brach zudem der Aktienkurs der Bank ein – ein sicheres Zeichen, dass auch die Anleger ungeduldig mit der Bank wurden.