Braunschweig. Die Staatsanwaltschaft München hat im Zusammenhang mit dem Dieselskandal erneut Razzien durchgeführt. Zwei Ex-Vorstände sind betroffen.

Beamte der Staatsanwaltschaft München haben am Donnerstag Privatwohnungen und einen Arbeitsplatz von drei weiteren Beschuldigten im Abgas-Skandal bei der VW-Tochter Audi durchsucht. Bei zwei der Beschuldigten handelt es sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft um ehemalige Vorstandsmitglieder von Audi. Namen wollten weder die Staatsanwaltschaft noch der Ingolstädter Autobauer nennen.

Nach Informationen der „Wirtschaftswoche“ soll es sich dabei um den früheren Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg und seinen Nachfolger Stefan Knirsch handeln. Knirsch sei durch die Aussagen eines Audi-Motorenentwicklers schwer belastet worden. Dieser wurde aus der Haft entlassen, das Verfahren gegen ihn läuft aber weiter.

In einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft hieß es, es bestehe der Verdacht, dass die Beschuldigten mitverantwortlich waren, „zumindest einen wesentlichen Teil“ der Fahrzeuge, die mit manipulativer Abgassteuerungssoftware ausgestattet waren, auf den Markt zu bringen.

In den vergangenen Tagen habe sich der Beschuldigten-Kreis um diese drei Personen von 14 auf 17 Personen erhöht, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft unserer Zeitung mit. Der Fortgang der Ermittlungen und die Auswertung weiteren Beweismaterials hätten dazu geführt. Aktuelle Vorstandsmitglieder seien weiterhin nicht unter den Beschuldigten.

Die Razzia, die morgens begann, dauerte mehrere Stunden. Die Beamten suchten nach Datenträgern sowie Unterlagen. Es ist die inzwischen vierte Razzia bei Audi und die dritte innerhalb weniger Wochen. Ihr Zeitpunkt war erneut brisant: Gestern tagte der Audi-Aufsichtsrat in Wolfsburg. Laut einem Insider, den die Nachrichtenagentur Reuters zitiert, ging es beim Treffen des Kontrollgremiums nicht nur um das vergangene und aktuelle Geschäftsjahr, sondern auch um den Fortschritt in der Aufarbeitung des Abgas-Skandals. Die erste Razzia bei dem Autobauer fand in dessen Zentrale im März 2017 statt, am Tag der Bilanzpressekonferenz.

Anders als bei früheren Razzien wurden am Donnerstag keine Räume von Audi durchsucht. Der durchsuchte Arbeitsplatz eines Beschuldigten befinde sich nicht mehr bei dem Autobauer, weil dieser nicht mehr für das Unternehmen arbeite, so eine Sprecherin.

Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Audi, in den USA und Europa ab 2009 mindestens 210 000 Dieselautos mit Manipulationssoftware verkauft zu haben. Seit einem Jahr ermittelt sie wegen Betrugs und strafbarer Werbung. „Wir kooperieren vollumfänglich mit der Staatsanwaltschaft“, teilte ein Audi-Sprecher unserer Zeitung mit. Als einziger Beschuldigter in diesem Verfahren sitzt bisher der frühere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz, der zuvor bei Audi und im VW-Konzern unterhalb des Vorstands die Motorenentwicklung leitete, in Untersuchungshaft.

In Braunschweig laufen derweil die Verfahren gegen insgesamt 49 Beschuldigte bei Volkswagen, darunter auch der ehemalige Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn, weiter. Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe haben die Strafverteidiger inzwischen eine zweite Akteneinsicht erhalten – in mehrere Tausend Seiten Unterlagen. Allerdings zunächst nur in Sonderhefte und Nebenakten, Einsicht in die Hauptakten sei bislang aus Gründen des Schutzes der Ermittlungen nicht gewährt worden.

Der Stand der Aufarbeitung des Abgas-Skandals wird bei der heutigen Aufsichtsratssitzung des VW-Konzerns in Wolfsburg wohl auch Tagesordnungspunkt sein. Zudem will der Vorstand dort seine Eckzahlen für das vergangene Geschäftsjahr vorstellen. Die Abgas-Versuche mit Affen werden dort auch thematisiert.

Wie es aus Konzernkreisen hieß, ist eine Konsequenz der Tierversuche, dass Mitarbeiter des Konzerns künftig anhand eines Verhaltenskatalogs Entscheidung treffen sollen. Mithilfe des Katalogs sollen sie feststellen können, ob ihre Entscheidungen auch moralisch zur neuen Unternehmenskultur des Autobauers passen. Zudem stellt VW all seine Forschungskooperationen – weltweit mehr als 1700 – auf den Prüfstand.