Berlin. Mehr als 100.000 Deutsche unterstützen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Eine geniale Sache oder doch einfach nur soziale Spinnerei?

Katrin Klink bekommt seit Januar jeden Monat 1000 Euro. Als Geschenk. Im vergangenen Jahr nahm die selbstständige Webdesignerin aus Köln an einer Lotterie teil. Der in Berlin ansässige Verein Mein Grundeinkommen verloste unter 100.000 Bewerbern vier Mal 12.000 Euro. Auszuzahlen in Monatsraten von jeweils 1000 Euro.

Wie verhalten sich Menschen, wenn plötzlich ihr Existenzminimum gedeckt ist? Das ist die Frage, die der Verein mithilfe von Spenden klären und womit er für die Idee eines Grundeinkommens werben will. Der Kern des Konzepts: Alle Bundesbürger könnten das Anrecht auf eine einheitliche, öffentliche Basisfinanzierung erhalten – egal, ob sie einer bezahlten Arbeit nachgehen oder nicht. Eine Gesellschaft wie die deutsche würde davon profitieren, meint Klink. Dem Zwang zur Arbeit enthoben, würden die meisten Menschen einen neuen Sinn im Tätigsein entdecken. Eine Explosion der Kreativität wäre die Folge.

Vorbilder sind die Schweiz und Finnland

Mehr als 100.000 Unterschriften von Befürwortern wurden am Montag beim Petitionsausschuss des Bundestages eingereicht. Gefordert wird, dass Deutschland dieselbe Möglichkeit eröffnet wie die Schweiz. Dort stimmt die Bevölkerung am 5. Juni über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ab.

In Finnland hat die Regierung bereits einen Versuch ab 2017 angekündigt. Zwei Jahre lang sollen zunächst mehrere Tausend Haushalte ein monatliches Grundeinkommen erhalten. Im Gespräch sind 800 Euro, der Betrag kann jedoch steigen. Insgesamt stellt die finnische Regierung 20 Milliarden Euro für das Experiment – inklusive wissenschaftlicher Begleitung – zur Verfügung.

Arbeitslosenzahlen in Finnland sollen gesenkt werden

Auch das Sozialleistungssystem soll vereinfacht und vor allem Jobs im Niedriglohnsektor dadurch gestärkt werden. In Deutschland begann die Diskussion, als die rot-grüne Bundesregierung ab 2003 die Hartz-Reformen einführte. Viele Kritiker fordern seitdem einen Systemwechsel.

„Neben den 2,8 Millionen offiziellen Arbeitslosen tauchen Millionen Menschen nicht in der Statistik auf, die ebenfalls keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Denen sollten wir ein würdevolles Leben und eine ausreichende materielle Grundausstattung ermöglichen, anstatt sie mit niedrigen Hartz-IV-Sätzen und Sanktionen in die Enge zu treiben“, sagt Christian Lichtenberg, der Sprecher des Vereins Mein Grundeinkommen. Auch einige Prominente sprachen sich im Laufe der Jahre für das Grundeinkommen aus, etwa Dieter Althaus, der frühere CDU-Ministerpräsident von Thüringen, oder Götz Werner, Gründer der Drogeriekette dm.

Kritiker sprechen von Anschlag auf Sozialstaat

Christoph Butterwegge, Politikprofessor der Universität Köln, hält die Idee hingegen nicht für eine Sozialleistung, sondern für einen Anschlag auf den Sozialstaat. Er betont unter anderem, dass das Leistungsniveau für viele Personen niedriger liegen würde als heute. Viele Gewerkschafter betrachten das Grundeinkommen zudem als „Stilllegungsprämie“. Damit gebe die Politik den Anspruch auf, die Arbeitslosigkeit zu verringern und prinzipiell jedem Bürger einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, mit dem man sein eigenes Leben finanzieren könne.

Ein weiterer Kritikpunkt am Grundeinkommen: die Kosten. Erhielte jeder Bundesbürger 800 Euro im Monat, müssten jährlich etwa 600 Milliarden Euro aufgewendet werden. Die Finanzierung ist eine der großen ungelösten Fragen. Erste Konzepte sehen vor, die Sozialausgaben des Staates für das Grundeinkommen zu verwenden – das Budget ist derzeit etwa 850 Milliarden Euro groß. Dann würden etwa Rentenversicherung, Sozialhilfe, Hartz-IV-Ausgaben und Grundsicherung im Alter wegfallen und in der neuen Leistung aufgehen. Politisch wäre eine solche Reform wahrscheinlich nicht durchsetzbar.

„Die Menschen wollen unter anderen Bedingungen arbeiten“

Katrin Klink, die glückliche Gewinnerin, hätte ihre Arbeitszeit verringern können. Stattdessen arbeitete sie freiwillig mehr, absolvierte ein Fernstudium für Betriebliches Gesundheitsmanagement und verfasste ein Buch. Und ist überzeugt: „Die Menschen wollen ja gerne arbeiten, aber unter anderen Bedingungen.“