Berlin. Die Omikron-Welle wird auch in Deutschland ankommen. Andere Staaten zeigen, wie schnell das Corona-Krisenmanagement am Limit sein kann.
Karl Lauterbach schließt nur einen Lockdown über Weihnachten aus. Was die Zeit danach betrifft, lässt sich der neue Gesundheitsminister nicht in die Karten schauen. Daran erkennt man die Entpuppung: vom Fachpolitiker zum Minister. Früher hat er gesagt, was man tun sollte. Jetzt sagt er, was opportun ist.
Die Bundesnotbremse gibt es nicht mehr, formal nicht mal eine epidemische Lage von nationaler Tragweite, obwohl der Begriff heute mehr denn je berechtigt ist. Zentralstaaten können einfacher schnell handeln. Ein niederländischer Ministerpräsident darf einen landesweiten Lockdown verkünden – ein deutscher Bundeskanzler kann das nicht.
Omikron: Andere Staaten sollten Deutschland eine Warnung sein
Die 16 Bundesländer sind am Zug. Vor Weihnachten werden sie das Regime von Schutzmaßnahmen kaum verschärfen können. Sie kämen ohnehin zu spät. Ab Donnerstag sind alle Kinder in den Ferien, über das Wochenende wird das öffentliche Leben ruhen. Kontaktauflagen im Privaten sind schlecht zu begründen.
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Die europäischen Staaten, die in Notlagen geraten sind, haben wie Dänemark, Norwegen, die Niederlande oder Großbritannien teilweise doppelt so hohe Inzidenzen. Dort sind schärfere Maßnahmen selbsterklärend, bei uns nicht.
Diese Staaten sollten uns eine Warnung sein. Wie sich die Omikron-Variante verbreitet, zeigt eine Episode aus Norwegen, bei der ein Infizierter drei Viertel aller Anwesenden auf einer Weihnachtsfeier angesteckt hat – trotz Impfung und negativer Tests. Ansteckungsrisiko und Verbreitungstempo sind unfassbar hoch.
Das öffentliche Leben sollte nach Weihnachten ruhen
Wenn sehr viele Menschen gleichzeitig krank werden oder in Quarantäne müssen, kann nicht allein das Gesundheitswesen lahmgelegt werden, sondern auch Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, Strom- und Wasserversorgung.
Wenn sich die Ministerpräsidenten an diesem Dienstag treffen, müssen sie verabreden, nach Weihnachten das öffentliche Leben herunterzufahren. Betriebs- und Schulferien sollten verlängert, Läden zwischen Weihnachten und Neujahr, gar bis zur ersten Januarwoche geschlossen bleiben. Weihnachten ist ein Familienfest, zu Silvester ist es wahrscheinlicher, dass große Gruppen zusammenkommen werden, unter Alkoholeinfluss zumal.
Der Expertenrat der Bundesregierung rief dazu auf, bundesweit abgestimmte Gegenmaßnahmen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens „vorzubereiten“. Da stutzt man. Von Omikron wissen wir seit einem Monat. Es war Zeit genug dafür da, Maßnahmen vorzubereiten und ein Worst-Case-Szenario zu kommunizieren, damit jeder Bürger weiß, worauf er sich einzustellen hat.
Die Impfkampagne ist nur eine Scheinsicherheit
Psychologisch gibt es zwei Hemmnisse. Zum einen können sich die wenigsten Menschen ein exponentielles Wachstum der Ansteckungszahlen vorstellen; wir sind ohnedies der Daueralarmierung überdrüssig. Zum anderen suggerierte die staatliche Impfkampagne eine Scheinsicherheit. Auch Geimpfte können sich anstecken und erkranken.
Die Alpha-Variante hatte eine zigfach höhere Viruslast als der Wildtyp, danach kamen Beta, Gamma, Delta. Mit Omikron ist das griechische Alphabet nicht zu Ende. Corona ist kein Kampf, den man politisch führt und gewinnt. Die Pandemie ist zu Ende und das Virus endemisch, wenn sich irgendwann jeder infiziert hat und Personen ohne Abwehrkräfte die absolute Ausnahme sind.
Wenn Bund und Länder die Pandemie bremsen, vermeiden sie Kontrollverlust durch Überbelastung. Aber zur Wahrheit gehört, dass es dann länger dauern (und teurer) wird als in anderen Staaten, bis das Virus endemisch geworden ist. Die Strecke wird langsamer zurückgelegt, aber womöglich ist sie nicht mit weniger Opfern verbunden. Im Erfolgsfall bleibt Deutschland eine Erfahrung erspart – am Limit anzukommen.
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