Los Angeles/Claremont. Steigende Temperaturen durch den Klimawandel führen zu früheren Geburten, ergab eine neue US-Studie. Deutsche Ärzte haben Einwände.
Ernteausfälle, Flüchtlingsströme, Waldbrände – diese Folgen des Klimawandels sind den meisten mittlerweile bekannt. Nun entdeckten US-Forscher eine weitere Konsequenz der steigenden Temperaturen. Und diese trifft den Menschen, bevor er überhaupt auf die Welt kommt. Denn der Klimawandel kann, so die Forscher, Schwangerschaften verkürzen.
Es sei davon auszugehen, dass im Zuge des Klimawandels zunehmend mehr Schwangerschaften betroffen sein werden, so die die Wissenschaftler. „Die Gesundheit von Säuglingen wird vielfältig beeinflusst, aber eine frühere Entbindung ist eine wichtige Messgröße, die nachweislich stark mit der Gesundheit von Neugeborenen und den geistigen Ergebnissen im späteren Kindesalter zusammenhängt“, schreiben sie im Fachmagazin „Nature Climate Change“.
Die Forscher werteten 56 Millionen Geburten aus
Frühere Studien hätten bereits einen Zusammenhang zwischen Hitze und kürzeren Schwangerschaften nachgewiesen, doch sei der Effekt nicht genau beziffert worden, erläutert das Team um Alan Barreca von der University of California in Los Angeles und Jessamyn Schaller vom Claremont McKenna College in Claremont. Die Forscher werteten für ihre aktuelle Analyse rund 56 Millionen Geburten im Zeitraum 1969 bis 1988 aus. Heiße Tage verkürzten Schwangerschaften demnach um durchschnittlich sechs Tage.
Die Forscher verglichen die Geburtenrate an einem Tag mit einer Höchsttemperatur von mehr als 32,2 Grad mit demselben Kalendertag in anderen Jahren. Bezugspunkt waren Tage mit einer Höchsttemperatur von 15,6 bis 21,1 Grad. Im Vergleich dazu stieg die Geburtenrate am heißen Tag und am folgenden Tag um zusammengenommen 1,63 pro 100.000 Geburten an. Erst 15 Tage nach dem heißen Tag hatte sich die Geburtenrate wieder normalisiert.
Bei jährlich etwa 30 heißen Tagen im Untersuchungszeitraum betraf die Verkürzung der Schwangerschaft rund 25.000 Geburten und bedeutete einen Verlust von mehr als 150.000 Schwangerschaftstagen. Unter der Verwendung von 22 Klimamodellen errechneten die Forscher, dass durch den Klimawandel im Zeitraum von 2080 bis 2099 weitere 250.000 verlorene Schwangerschaftstage wegen heißer Tage hinzukommen könnten. Allerdings zeigten sie in Bezug auf den Zeitraum 1969 bis 1988 auch, dass Klimaanlagen den Effekt um drei Viertel vermindern können.
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Deutsche Ärzte: Menschen sind anpassungsfähig
Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, geht nicht davon aus, dass sich die Dauer der Schwangerschaften durch den Klimawandel allgemein verkürzen wird. Die Menschen passten sich an dauerhaft höhere Temperaturen an, sagte der in Hannover niedergelassene Frauenarzt. Der Einfluss von Wärme auf das Ende der Schwangerschaft sei schon lange bekannt: „Ist der errechnete Geburtstermin bereits überschritten, nutzen manche Schwangere auch die heiße Badewanne, um den Wehenbeginn und den Geburtseintritt zu beschleunigen.“
Für Michael Abou-Dakn von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) in Berlin sind die Ergebnisse der umfangreichen Studie nicht erstaunlich. Der Chefarzt der Klinik für Gynäkologie am Berliner St. Joseph Krankenhaus betonte, dass Hitze Schwangere sehr belaste. Dennoch erwartet auch er nicht, dass der Klimawandel Schwangerschaften dauerhaft negativ beeinflusst: „Der Mensch ist sehr anpassungsfähig.“
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In Madrid hat die Weltklimakonferenz begonnen. Dort wird es, darum gehen, wie der weitere Anstieg der Temperaturen gemindert wird. Schon jetzt ist klar: 2019 wird das bisher zweitheißeste Jahr. Das EU-Parlament hat den Klimanotstand beschlossen – was das für die Bürger bedeutet. (lah/dpa)