Berlin. SPD-Politiker Olaf Scholz forderte in der ZDF-Runde von Maybrit Illner mehr Sozialleistungen. Was das kostet, verriet er aber nicht.
Olaf Scholz spricht von „Zusammenhalt“, „Gerechtigkeit“, „Respekt“. Und zwar sehr oft an diesem Abend. Der Bundesfinanzminister ist zu Maybrit Illner gekommen, um zu erklären, was eigentlich nicht zusammengeht: deutlich mehr Geld für Soziales, der Verzicht auf Steuererhöhungen und ein ausgeglichener Bundeshaushalt.
Die Konjunktur schwächelt, das Wachstum könnte in diesem Jahr bei mageren 1 Prozent liegen. „Die fetten Jahre sind vorbei – wofür ist noch Geld da?“, fragte Illners Redaktion passenderweise.
Und der Finanzminister sollte darauf eine Antwort haben. Hatte er auch. Scholz‘ Plan: mehr Geld für Rentner, Arbeitslose, Menschen im Niedriglohnsektor.
„Es geht um grundsätzliche Dinge“, sagte der SPD-Politiker. Nämlich um soziale Gerechtigkeit.
„Maybrit Illner“ – das waren die Gäste:
• Olaf Scholz, Bundesfinanzminister
• Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei EVP und Spitzenkandidat zur Europawahl
• Katrin Göring-Eckardt, Grüne
• Daniel Turek, Logistiker
• Carolin Roth, Finanzexpertin und Journalistin
• Clemens Fuest, ifo-Chef
Olaf Scholz will Mindestlohn von 12 Euro
Den Mindestlohn sieht Scholz perspektivisch bei 12 Euro brutto die Stunde. „Der Niedriglohnsektor ist zu groß, das muss sich ändern“, sagte der Minister. Unterstützung erhielt Scholz von der Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt. „Im unteren Einkommensbereich geben die Menschen das Geld sofort aus. Das stärkt die Binnenkonjunktur“, sagte sie.
Auch bei der Grundrente will Scholz in die Vollen gehen. Sie müsse mehrere Millionen Menschen erreichen und nicht bloß 100.000 potenzielle Empfänger. Und wer mit 54 Jahren seinen Job verliere, müsse sich darauf verlassen können, dass ihn der Sozialstaat auffängt.
Manfred Weber wollte nicht den Mahner geben
Heißt also: längerer Bezug von Arbeitslosengeld. Scholz klang bei Maybrit Illner wie ein Vertreter des linken SPD-Flügels. Dabei hatte der Finanzminister selbst vorgerechnet, dass im Bundeshaushalt in den kommenden Jahren eine Lücke von rund 25 Milliarden Euro droht. Ein Widerspruch? „Wichtig ist, dass wir das Land zusammenhalten“, sagte Scholz.
Der sozialpolitische Kurs der SPD scheint in der Bevölkerung anzukommen. Auch der CSU-Politiker und EVP-Spitzenkandidat zur Europawahl Manfred Weber wollte bei Maybrit Illner nicht den Mahner und Bedenkenträger geben.
Weber bestätigte Probleme im Niedriglohnbereich. Es müsse wieder mehr Tarifbindung geben, forderte er in bester sozialdemokratischer Manier. Höhere Löhne also. „Das ist ein ganz toller Ansatz“, freute sich auch Finanzminister Scholz.
Ökonom Fuest warnt: Löhne sind auch Preise
Widerspruch von marktliberaler Seite kam von Clemens Fuest, dem Chef des Ifo-Instituts. Der Ökonom betonte, dass Löhne eben auch Preise seien. Die Politik könne deren Höhe nicht beliebig festsetzen. Fuest kritisierte, dass die Parteien vor allem über Verteilungsfragen sprechen. Und nicht über Wachstum.
„Der Standort Deutschland ist kein Selbstläufer“, sagte er. Es sei richtig, Altersarmut zu thematisieren – aber falsch, das Geld mit der Gießkanne zu verteilen.
Die SPD will die sogenannte Grundrente an die Dauer der Beitragszahlung knüpfen – unabhängig davon, ob jemand bedürftig ist oder nicht. Die Union sieht das anders und besteht auf einer Bedürftigkeitsprüfung.
„Es ist keine Transferleistung, sondern eine Anerkennung von Lebensleistung“, unterstützte die Grüne Göring-Eckardt den Plan der Sozialdemokraten. Nur: Das, was die SPD fordert, geht ins Geld. So hart kritisiert Paul Ziemiak die Grundrente bei Illner.
Finanzminister Scholz sagte zwar, dass genug Mittel im Haushalt vorhanden seien. Es gehe darum, die richtigen Prioritäten zu setzen. Das sind zwölf wichtige Fakten zur Grundrente für Geringverdiener.
Und so sehr sich Maybrit Illner auch abmühte: Die Frage, was der sozialpolitische Linksschwenk der SPD am Ende kostet, wollte Scholz nicht beantworten. „Nicht so viel, wie einige denken“, sagte der Finanzminister – was immer das auch heißen mag. Schon eine Woche zuvor machte Andrea Nahles bei Illner keine gute Figur.
CSU-Spitzenkandidat Weber: „Soli muss weg“
Eine Geldquelle könnte der Solidaritätszuschlag sein. Die Große Koalition hat sich darauf verständigt, den Soli für 90 Prozent der Steuerzahler abzuschaffen. Die oberen zehn Prozent sollen ihn weiter zahlen. Ginge es aber nach Clemens Fuest und CSU-Mann Weber sei es jetzt an der Zeit, die Abgabe zu streichen. Und zwar für alle.
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„Eine Steuer muss abgeschafft werden, wenn ihre Begründung entfällt“, so Weber. Die deutsche Einheit sei finanziert. Die Finanzjournalistin Carolin Roth sagte, dass der Soli eben nicht nur Reiche, sondern vor allem den Mittelstand treffe. Und Olaf Scholz?
Der Finanzminister will auf die Einnahmen aus dem Soli nicht verzichten. Wer eine Million Euro im Jahr verdiene, rechnete Scholz vor, brauche keine Steuererleichterung von 20.000 Euro. Sein SPD-Kollege Stephan Weil hatte sich erst kürzlich dafür ausgesprochen, den Soli schneller abzubauen.
Der Finanzminister kann ohnehin jeden Euro gebrauchen: Trotz seiner offenkundigen Spendierlaune will Scholz weiter an der „schwarzen Null“, also dem ausgeglichenen Bundeshaushalt, festhalten. Und Steuererhöhungen, das machte Manfred Weber deutlich, werde es mit der Union nicht geben. Was also dann? Scholz konnte nicht schlüssig erklären, wie sich dieser Widerspruch auflösen lässt. Und ob er es überhaupt will.
Es scheint so, als fühlt sich der Finanzminister in seiner Rolle als oberster Geldverteiler gerade ziemlich wohl.
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