Berlin. 270 Container der MSC Zoe sind wegen Tief „Zeetje“ über Bord gegangen. Einige enthalten Gefahrgut. Weiteres Treibgut wird erwartet.

Plötzlich kam das Wasser – zu sehr hatte der heftige Wind das Meer Richtung Land gedrückt. Tief „Zeetje“ hat für Überschwemmungen im Norden gesorgt. Es war die erste Sturmflut 2019.

Im Sturm verlor der Frachter MSC Zoe auf dem Weg vom belgischen Antwerpen nach Bremerhaven 270 Container in der Nordsee. Der größte Teil gilt noch als verschollen. Das könnte sich in den kommenden Tagen ändern.

Ein über Bord gegangener Container der MSC Zoe.
Ein über Bord gegangener Container der MSC Zoe. © REUTERS | HANDOUT

In deutschen Gewässern wurden bisher 20 Container gesichtet oder per Sonar geortet worden. Nach Angaben des Havariekommandos konnten sie aber noch nicht geborgen werden. Die Wettersituation erschwere mit fünf Meter hohen Wellen die Bergungsarbeiten, hieß es am Samstag in einer Pressemitteilung. Aufgrund der Wetterverhältnisse könne derzeit aus der Luft keine Suche stattfinden.

Am Samstag sind auf Borkum zahlreiche Ladungsreste eingesammelt worden. „Darunter sind Fernseher, Matratzenschoner, Spielzeug und Fahrradteile“, sagte ein Sprecher des Havariekommando am Samstagabend. Rund 200 Menschen hätten dabei geholfen, den Strand auf einer Länge von 15 Kilometern von rund 23 Kubikmetern Ladung zu säubern. Das entspreche etwa der Füllung eines Lastwagens, erklärte der Sprecher weiter.

Bei der Suche nach den Containern unter Wasser sollte schon am Freitag das Spezialschiff „Wega“ vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) helfen.

In den kommenden Tagen wird weiteres Treibgut an den Stränden erwartet. „Die Berechnungen, die gemacht worden sind, zeigen, dass neben Borkum, Juist und Norderney betroffen sein könnten – die anderen Inseln eher nicht“, sagte Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD).

Containerschiff hatte auch Gefahrgut geladen

„Bisher können wir bestätigen, dass maximal drei Container mit Gefahrgut über Bord gegangen sind“, sagte ein Sprecher des Havariekommandos am Donnerstag. „Diese Container wurden noch nicht gefunden.“ Enhalten sei Dibenzoylperoxid, das in der Kunststoffproduktion eingesetzt werde.

Am Freitag war erstmals seit dem Vorfall Treibgut auf Borkum angelandet. Es seien rund 30 Fernseher und einige weitere Haushaltsgegenstände angespült worden, bestätigte die Polizei auf der Nordsee-Insel.

In Bremerhaven wird der mehr als 395 Meter lange Schiffsgigant entladen. Die dortige Wasserschutzpolizei werde am Montag mit der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung die Ermittlungen zur genauen Unfallursache aufnehmen, hieß es.

Giftiges Puder in den Niederlanden angespült

Auf den niederländischen Wattenmeer-Inseln Vlieland, Terschelling und Ameland wurden laut der niederländischen Küstenwache mehr als 20 Container entdeckt.

Auf der niederländischen Insel Terschelling sammeln Freiwillige am Strand bei Midsland aan Zee angespülte Waren aus den Containern ein.
Auf der niederländischen Insel Terschelling sammeln Freiwillige am Strand bei Midsland aan Zee angespülte Waren aus den Containern ein. © dpa | Jan Spoelstra

Rund 100 Soldaten halfen am Freitag auf der Insel Schiermonnikoog bei den Aufräumarbeiten am Strand. In der Nacht zum Freitag war dort ein zweiter Sack gefunden worden, der mit Peroxid belastet war. Dibenzoylperoxid dient zur Härtung von Harzen oder als Bleichmittel, es kann im Extremfall bei großer Hitze explodieren.

Das Havariekommando warnt davor, am Strand gefundene Container, Containerteile oder Gegenstände zu berühren. Auch für den Schiffsverkehr stellen die großen Behälter ein Risiko dar. Zur Unfallursache ermittelt mittlerweile die Wasserschutzpolizei Bremerhaven.

Der Frachter MSC Zoe ist das größte Containerschiff Europas und kann rund 19.000 Container transportieren.

Experten fordern Peilsender für Gefahrgut-Container

Derweil wird der Ruf nach der Ausrüstung von Gefahrgut-Containern mit automatischen Peilsendern lauter. Nach Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) macht sich auch die Umweltorganisation Greenpeace für eine solche Lösung stark.

Dem NDR sagte ihr Chemie-Experte Manfred Santen, technisch sei es kein Problem, solche Systeme einzubauen. Sie sollen dafür sorgen, dass Container mit gefährlichen Stoffen auch unter Wasser schnell gefunden und geborgen werden können. Es gebe großen Nachholbedarf, so der Greenpeace-Experte.

Hansestädte haben mit Hochwasser zu kämpfen

Das Tief „Zeetje“ sorgte auch auf dem Festland für chaotische Zustände. Ein Stadtsprecher in Wismar gab an, der Wasserstand habe am Mittwoch etwa 1,70 bis 1,80 Meter über Normalwert gelegen. Folge: Niedrig gelegene Straßen in der historischen Innenstadt wurden überflutet.

Die Menschen seien über Radio aufgefordert worden, ihre Autos aus den gefährdeten Bereichen wegzufahren. Fährverbindungen der Weißen Flotte in Warnemünde und die Verbindung zwischen Rügen und Hiddensee wurden zeitweise eingestellt.

In Lübeck und Flensburg stehen Autos unter Wasser

Auch an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste stiegen die Pegelstände gegen Mittag teils deutlich über die Normalwerte. In Lübeck und Flensburg standen Autos unter Wasser, die aus gefährdeten Gebieten nicht rechtzeitig weggefahren oder abgeschleppt worden waren.

Sturmtief „Zeetje“ sorgt für Überschwemmungen an der Ostsee

Lübeck war von der Sturmflut besonders betroffen. In der Straße „An der Obertrave“ stand ein Fahrzeug im Wasser.
Lübeck war von der Sturmflut besonders betroffen. In der Straße „An der Obertrave“ stand ein Fahrzeug im Wasser. © dpa | Bodo Marks
 Die Luftaufnahme aus einem Überwachungsflugzeug des Havariekommandos zeigt das Containerschiff MSC ZOE, das im Sturm bis zu 270 Container verloren hat.
Die Luftaufnahme aus einem Überwachungsflugzeug des Havariekommandos zeigt das Containerschiff MSC ZOE, das im Sturm bis zu 270 Container verloren hat. © Havariekommando/dpa | --
Ein anderes Fahrzeug musste in Lübeck aus der Strasse Marlesgrube aus dem Wasser der Trave gezogen werden.
Ein anderes Fahrzeug musste in Lübeck aus der Strasse Marlesgrube aus dem Wasser der Trave gezogen werden. © dpa | Bodo Marks
In Wismar durchquert ein Feuerwehrmann die überflutete Straße.
In Wismar durchquert ein Feuerwehrmann die überflutete Straße. © dpa | Bernd Wüstneck
Auch in Wismar ging auf den Straßen nichts mehr. Ein Abschleppdienst musste die Fahrzeuge aus den Fluten befreien.
Auch in Wismar ging auf den Straßen nichts mehr. Ein Abschleppdienst musste die Fahrzeuge aus den Fluten befreien. © dpa | Bernd Wüstneck
Am Hafen in Wismar war das Hafenbecken kaum mehr ausmachbar. Auch die Autos standen tief in den Fluten.
Am Hafen in Wismar war das Hafenbecken kaum mehr ausmachbar. Auch die Autos standen tief in den Fluten. © dpa | Bernd Wüstneck
Am Schönberger Strand peitschte das Wasser gegen die Seebrücke. Der Wasserstand wurde von bis zu 1,50 Metern über Normal erwartet.
Am Schönberger Strand peitschte das Wasser gegen die Seebrücke. Der Wasserstand wurde von bis zu 1,50 Metern über Normal erwartet. © dpa | Carsten Rehder
In Laboe trat das Wasser über das Ufer und umspülte einen Fähranleger.
In Laboe trat das Wasser über das Ufer und umspülte einen Fähranleger. © dpa | Carsten Rehder
Enten nutzten in Laboe die Gelegenheit, um die überfluteten Fußwege zu erkunden.
Enten nutzten in Laboe die Gelegenheit, um die überfluteten Fußwege zu erkunden. © dpa | Carsten Rehder
In Wendtorf standen Teile des Naturschutzgebietes unter Wasser.
In Wendtorf standen Teile des Naturschutzgebietes unter Wasser. © dpa | Carsten Rehder
Wer das Glück hatte und keinen Schaden durch die Fluten erleiden musste, konnte das Wetterspektakel bei einem Strandspaziergang begutachten.
Wer das Glück hatte und keinen Schaden durch die Fluten erleiden musste, konnte das Wetterspektakel bei einem Strandspaziergang begutachten. © dpa | Carsten Rehder
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In beiden Städten mussten ebenso wie in Kiel überspülte Uferstraßen vorübergehend gesperrt werden, wie die Polizei berichtete. Größere Schäden wurden bis zum Nachmittag nicht gemeldet.

Technisches Hilfswerk setzt Hochwasseralarmplan um

„In Lübeck trat die Trave über die Ufer und überflutete Straßen und Plätze im Bereich der südwestlichen Altstadt sowie in Travemünde“, teilte das Technische Hilfswerk (THW), Landesverband Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein mit.

„Am späten Dienstagvormittag wurden mit der Stufe 3 des Hochwasseralarmplanes auch Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerkes (THW) aus dem Ortsverband Lübeck durch die Einsatzleitstelle alarmiert“, berichtet Thorben Schultz vom THW Lübeck.

Sturmtief "Zeetje" setzt Wismars Innenstadt unter Wasser

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    (ses/dpa/ac)