Förstgen. In Sachsen haben Wölfe Schafen und Ziegen attackiert. 40 Tiere wurden getötet. 50 werden vermisst – doch für sie gibt es kaum Hoffnung.

Tote Schafe und Ziegen, überall auf dem Gelände. Nahe der ostsächsischen Ortschaft Förstgen haben Wölfe eine Herde angegriffen und dabei Dutzende Tiere verletzt. Die Naturschutzstation „Östliche Oberlausitz“, zu der die Herde aus Moorschnucken gehörte, bezifferte die Verluste auf rund 40 Tiere, darunter seien auch sechs Burenziegen.

Am Nachmittag wurden noch etwa 50 Tiere vermisst. „Wir hoffen, sie bis Sonnenuntergang einzufangen. Andernfalls besteht kaum noch Hoffnung, sie lebend wiederzufinden“, sagte Stationsleiterin Annett Hertweck der Deutschen Presse-Agentur.

Hertweck zufolge war die Herde mit tragenden Muttertieren im Dezember 2017 schon einmal Ziel einer Wolfsattacke. Acht Tiere wurden damals gerissen, von 29 weiteren fand man nie wieder eine Spur.

Die Moorschnucken – so werden hornlose Heidschnucken genannt – dienten der Naturschutzstation für die Landschaftspflege im Unesco Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. 1992 begann die Station, mit Moorschnucken Zwergsträucher, Trockenrasen und Feuchtwiesen zu pflegen. Sie gelten als widerstandsfähig gegen Krankheiten und Nässe.

Moorschnucken sind Fluchttiere

„Natürlich entwickelt man zu den Tieren eine emotionale Bindung, zumal sie uns auch nicht als Fleischlieferanten dienten“, sagte Hertweck. Es sei schlimm gewesen, die ausgeweideten Tiere zu sehen. Knapp 60 davongekommene Schafe konnten bis zum Nachmittag wieder eingefangen werden.

Da Moorschnucken Fluchttiere sind, wurden sie teilweise weit von ihrem eigentlichen Standort gefunden. Nach einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks hatten Anwohner am Morgen auf der Straße zwischen Förstgen und Tauer herumirrende Schafe gesehen und die Naturschützer informiert. Auch Wölfe wurden an Kadavern gesichtet.

Die meisten Wolfsrudel leben in Sachsen.
Die meisten Wolfsrudel leben in Sachsen. © dpa | Julian Stratenschulte

Nach Angaben der Experten vom Kontaktbüro

im Juni 2016, als 70 tote Tiere gemeldet wurden. Allerdings wurden sie wohl nicht in einer Nacht getötet, insofern ist der aktuelle Fall außergewöhnlich.

Das Phänomen von Mehrfachtötungen, ohne dass die Beute gefressen wird, ist von Wölfen und anderen Beutegreifern wie Marder oder Fuchs bekannt, teilte das Kontaktbüro mit. Bei der Jagd auf freilebende Beutetiere wie Rehe hätten Wölfe auch kaum Gelegenheit, mehr als ein Exemplar zu töten.

Nutztiere, die meist in hoher Dichte auf begrenztem Raum stehen, böten Beutegreifern dagegen ein Überangebot an Nahrung. „Diese günstige Gelegenheit veranlasst dazu, mehr Tiere zu töten, als sogleich verzehrt werden können.“ Sie seien ein „Vorrat“.

Neue Debatte über Wolfspopulation

Stationsleiterin Hertweck geht davon aus, dass die große Zahl getöteter Tiere die Debatte über Eingriffe in die Wolfspopulation neu entfachen wird. „Wir sind als Naturschutzstation natürlich nicht gegen den Wolf. Allerdings brauchen wir eine nüchterne realistische Sicht auf die damit einhergehenden Probleme. Ich hoffe, dass der Fall zu einem Umdenken führen wird.“

Nach Angaben der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf gibt es derzeit bundesweit 55 Rudel, 17 Paare und 3 territoriale Einzeltiere. Die meisten Rudel (17) leben in Sachsen. (dpa/sn)