Lübeck. Nach der Messerangriff in einem Lübecker Bus sitzt der mutmaßliche Täter in Untersuchungshaft. Sein Tatmotiv ist weiterhin unklar.

Der mutmaßliche Messerangreifer von Lübeck sitzt seit Samstag in Untersuchungshaft. Ein Amtsrichter erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen den 34-Jährigen, unter anderem wegen versuchten Mordes.

Der Mann, ein Deutscher iranischer Herkunft, schweigt nach Justizangaben weiterhin hartnäckig zu seinem Motiv. Auch am Sonntag gab es von der Polizei keine neuen Informationen. Weitere Angaben könnte es in den nächsten Tagen geben. Der Vater des Mannes hatte sich am Freitag geäußert und seinen Sohn als psychisch labil bezeichnet.

Videoaufzeichnungen aus dem Bus

Der 34-Jährige hatte am Freitag in einem voll besetzten Lübecker Linienbus mit einem Messer auf Fahrgäste eingestochen. Zehn Menschen wurden verletzt. Der Täter konnte nach der Attacke festgenommen werden. Ein durch einen Messerstich schwer verletzter 21-jähriger Mann aus den Niederlanden konnte nach Behördenangaben durch eine mehrstündige Notoperation gerettet werden. Er schwebe nicht mehr in Lebensgefahr.

„Der Verdacht des versuchten Mordes hat sich aus den Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras in dem Bus ergeben, die noch am Freitagabend ausgewertet wurden“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Ulla Hingst. Demnach habe der Beschuldigte den Bus in Brand setzen und dadurch möglichst viele Menschen verletzen wollen.

„Es besteht der Verdacht, dass er auch den Tod von Fahrgästen billigend in Kauf genommen hat, so dass wir von versuchtem Heimtückemord mit gemeingefährlichen Mitteln ausgehen“, so Hingst. Zahlreiche Zeugenaussagen erhärteten diesen Verdacht.

Bislang kein terroristisches Motiv erkennbar

Die Ermittlungen gehen am Sonntag weiter – und sollen unter anderem das Motiv des Täters klären. Laut Staatsanwaltschaft ist der Hintergrund weiter unklar. „Wir haben keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es sich um einen terroristischen Akt gehandelt haben könnte.“ Auch für eine Radikalisierung gebe es keine Hinweise. Der im Iran geborene und in Lübeck lebende Mann hat schon lange die deutsche Staatsbürgerschaft.

Oberstaatsanwältin Ulla Hingst äußert sich zu der Messerattacke.
Oberstaatsanwältin Ulla Hingst äußert sich zu der Messerattacke. © dpa | Markus Scholz

Nach Einschätzung des schleswig-holsteinischen Innenministers Hans-Joachim Grote haben eine zufällig in der Nähe gewesene Streifenwagen-Besatzung und vor allem das schnelle Handeln des Busfahrers Schlimmeres verhindert. Der Busfahrer habe „schnell und couragiert gehandelt“, sagte der Minister. „Dem gebührt ein großer Dank.“

Laut Grote hatte der Fahrer im Rückspiegel Qualm bemerkt, den Bus gestoppt und alle Türen geöffnet. Anschließend soll der mutmaßliche Täter nach ersten Erkenntnissen der Ermittler wahllos auf Fahrgäste eingestochen haben. Unklar ist noch, ob er das im Bus oder erst draußen tat. Der Fahrer sei zu dem Tatverdächtigen geeilt und von diesem geschlagen worden, sagte Grote. „Dann hat es ein Handgemenge gegeben.“

Vater nennt Sohn „psychisch auffällig“

„Spiegel TV“ sprach mit dem Vater des Festgenommnen. Demnach sei der 34-Jährige im Iran geboren und im Alter von sechs Jahren nach Deutschland gekommen. Er war demnach in der Bundeswehr und zuletzt ohne Arbeit. Der Vater beschreibt seinen Sohn als psychisch auffällig. „Er fühlte sich von den Nachbarn verfolgt“, sagte er.

So hätte sein Sohn unter anderem behauptet, die Nachbarn würden ihn mit schädlichen Strahlenangriffen durch die Wand malträtieren. Zudem soll es einen Sorgerechtsstreit mit seiner früheren Partnerin um die gemeinsame Tochter geben. Deswegen sei er frustriert und verärgert gewesen – und habe davon gesprochen, auswandern zu wollen.

Einsatzkräfte am Tatort in Lübeck.
Einsatzkräfte am Tatort in Lübeck. © dpa | Markus Scholz

Am Wochenende sollen auch die Zeugen der Tat weiter vernommen werden. Fünf der zehn Verletzten wurden in Krankenhäuser gebracht. Drei von ihnen sind schwer verletzt, wie Oberstaatsanwältin Ulla Hingst sagte. Ein Opfer – der Niederländer – wurde demnach durch Messerstiche schwer verletzt. Der Täter habe ein Küchenmesser genutzt.

„Keine veränderte Sicherheitslage“ bei Travemünder Woche

In seinem Rucksack fanden Experten Brandbeschleuniger, aber „keine weiteren Sprengmittel oder Ähnliches“, sagte Hingst. Die Polizei sucht auch noch Fahrgäste, die nach dem Vorfall den Tatort verlassen haben.

Nach Schätzung des Busfahrers waren zur fraglichen Zeit etwa 70 Menschen im Bus auf dem Weg nach Travemünde, wo am Abend die Travemünder Woche eröffnet wurde. Bei der Segelveranstaltung war erhöhte Polizeipräsenz deutlich sichtbar. „Es gibt aber keine konkreten Hinweise auf eine veränderte Sicherheitslage“, sagte Grote.

Dennoch gebe es eine Verunsicherung. Im Zusammenhang mit einem so großen Fest dürfe es keinen Raum für Spekulationen geben. (dpa/sdo)