Berlin. Eine Analyse dänischer Gesundheitsakten zeigt, dass Depressionen im Laufe des Lebens die Wahrscheinlichkeit von Altersdemenz steigern.

Wer im Laufe seines Lebens an einer Depression leidet, läuft verstärkt Gefahr, im Alter an Demenz zu erkranken. Verglichen mit Menschen ohne psychiatrische Erkrankungen neigen Depressive demnach doppelt so oft zu altersbedingter Geistesschwäche. Das ist das Ergebnis einer langfristig angelegten Beobachtungsstudie aus Dänemark. Bei der Untersuchung wurden Krankenakten von 1,4 Millionen Patienten mit Daten von 1977 bis 2018 ausgewertet. Studienleiterin Holly Elser sieht in den Studienresultaten „starke Hinweise, dass Depressionen nicht nur eine frühes Symptom der Demenz sind, sondern das Risiko auf Demenz erhöhen."

Demnach steigt, unabhängig vom Geschlecht, das Risiko auf eine sogenannte gereontropsychiatrischen Erkrankung um mehr als das doppelte, wenn im Laufe des Leben eine klinische Depression diagnostiziert wurde. Um den Faktor 2,41 lag die Demenzgefahr laut Studienergebnissen höher als bei der Kontrollgruppe. Dass Depressionen vor allem im fortgeschrittenen Alter mit Altersdemenz korrelieren, hatten bereits viele Studien nahegelegt. Laut dem Bundesfamilienministerium steigert eine Depression das Demenzrisiko bei Senioren sogar um das bis zu Sechsfache. Neue Erkenntnisse lieferte nun der Blick auf psychiatrische Erkrankungen in jüngeren Jahren.

Depression als Wegbegleiter der Demenz? Die Statistik gibt einen Fingerzeig

Die Forschungsgruppe unter Federführung der Neurologin Elser veröffentlichte ihre Analyse im medizinischen Fachjournal „Jama Network". Um die Ergebnisse so belastbar wie möglich zu machen, wurden Untersuchungskohorte und Kontrollgruppe nach Einflussfaktoren wie Bildungsgrad, Einkommen, aber auch gesundheitlichen Größen wie Diabetes, Vorerkrankung des Herz-Kreislauf-Systems und der Gefäße sowie weitere psychiatrische Erkrankungen abgeglichen. Am Ende standen sich bei der Datenanalyse 246.000 Menschen mit einer diagnostizierten Depression und rund 1,2 Millionen Menschen ohne Diagnose gegenüber.

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Besonders auffällig ist laut Studie die statistische Korrelation bei Männern. Mit dem Faktor 2,98 steigert eine Depression bei ihnen das Demenzrisiko fast um das Dreifache, während Frauen nur 2,21 Mal wahrscheinlicher an Demenz erkranken. Ausschlaggebend dafür, ob im späteren Leben mit geistigem Verfall gerechnet werden muss, kann auch der Zeitpunkt der Depression sein. Denn während eine Depressionsdiagnose bei den über 60-Jährigen 2,31 Mal wahrscheinlicher zu Altersdemenz führt, erkranken Menschen, bei denen im Alter zwischen 18 und 44 eine psychische Erkrankung diagnostiziert wird 3,08 mal häufiger an Altersdemenz.

Männer stärker betroffen als Frauen – Frühe Depression als Warnzeichen

So eindrücklich die Studie das gesteigerte Demenzrisiko von Depressionspatienten aufzeigt, sie lässt auch viele Fragen offen. Zum Beispiel, formuliert Elser im Gespräch mit CNN, bleibe zu erforschen, welche „gemeinsamen Riskofaktoren für Depressionen und Demenz in früheren Lebensabschnitten auftreten". Oder ob Depressionen zu Handlungsweisen führten, die die Entstehung von Demenz begünstigten. „Es herrscht eine offenkundige Notwendigkeit, potenzielle Mechanismen zu erforschen, die Depressionen im frühen Erwachsenenalter mit Altersdemenz verbinden", sagte die Neurowissenschaftlerin der Universität von Pennsylvania (USA).

Weitere Anschlussfragen leiten die Wissenschaftler aus der Diskrepanz zwischen Männern und Frauen ab. Welche gesundheitlichen Faktoren sorgen für eine höhere Prävalenz bei Männern? Was bedeutet das für die Medikation unterschiedlicher Geschlechter und Altersgruppen? „Wir haben interessante Erkenntnisse erhalten. Sie unterstützen die Annahme, dass wir Risikofaktoren für Männer und Frauen routinemäßig verschiedenartig messen müssen", so Elser. Aufgabe der Wissenschaft sei es nun, gezielter Risikofaktoren zu identifizieren. Unbekannte Variablen wie familiäre Krankheitsgeschichten, Ernährung, körperliche Betätigung und das soziale Umfeld blieben bei der großangelegten Studie außen vor und dürften künftig mehr in den Fokus rücken.

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Bundesweit leiden laut Deutscher Alzheimer Gesellschaft rund 1,8 Millionen Menschen unter gereontropsychiatrischen Erkrankungen, die sich unter dem Sammelbegriff der Demenz bündeln lassen. Mit 60 Prozent entfällt der größte Anteil davon auf Alzheimer. Neben psychiatrischen Krankheitsbildern wurden bereits mehrere Erkrankungen als potenzielle Beförderer identifiziert, darunter Diabetes, Adipositas, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und diverse Gefäßerkrankungen.