Berlin. Bewegung im Alltag ist lebenswichtig – sie schützt vor Krankheiten und ist Quelle für positives Denken. Schon kleine Schritte genügen.

Endlich mehr bewegen, diesmal aber wirklich: Mit diesem beliebten Vorsatz startet der eine oder die andere motiviert ins neue Jahr. Aber was löst regelmäßige Bewegung eigentlich bei uns in Körper und Kopf aus? Ab wann treten erste Effekte fürs Wohlbefinden ein und wie bleiben wir nach den ersten Januarwochen weiter am Ball?

„Mehr Bewegung ist unabhängig vom Datum immer wichtig“, sagt Gerhard Huber. Huber ist Präsident des Deutschen Verbands für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) und Professor am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg. Nur eine „absolute Minderheit“ der Bevölkerung bewege sich ausreichend.

Huber findet es seltsam, dass sich viele offenbar regelmäßige Bewegung ganz bewusst vornehmen müssten, wo genau das doch „eigentlich in der Betriebsanleitung des Menschen steht“. Bewegung sei laut Huber gar keine Wahlmöglichkeit, sondern unbedingtes Muss. Dass viele heute ein stolzes Alter erreichten, sei sonst nur durch moderne Medizin überhaupt möglich.

Für den Erfolg sei es aber entscheidend, die lose Absicht in einen Vorsatz mit konkreter Planung zu packen, sagt Ralf Brand, Professor für Sportpsychologie an der Universität Potsdam: „Zum Beispiel: ‘Ich habe vor, im neuen Jahr ab der ersten Woche montags und donnerstags mit meiner besten Freundin walken zu gehen.’“ Verabredungen mit anderen würden vielen helfen, andere suchten wiederum bei der Bewegung eher die Ruhe und das Alleinsein.

Mehr Sport – ein Vorsatz, den viele Menschen zum neuen Jahr fassen. Dabei reicht schon regelmäßige Bewegung im Alltag, um Körper und Geist etwas Gutes zu tun.
Mehr Sport – ein Vorsatz, den viele Menschen zum neuen Jahr fassen. Dabei reicht schon regelmäßige Bewegung im Alltag, um Körper und Geist etwas Gutes zu tun. © istock

Gute Vorsätze: Bewegung beugt Krankheiten wie Krebs und Demenz vor

Zahlreich und vielseitig sind Studien zufolge die enormen Vorteile, die schon moderate Bewegung für Körper, Geist und Wohlbefinden mit sich bringen. „Selbst der kleinste Schritt lohnt sich“, sagt Huber. Seine Faustregel: „Für jede Treppenstufe leben Sie eine Minute länger.“ Der Heidelberger Sportwissenschaftler betont: „Alle biologischen Systeme des Menschen, insbesondere die emotionale und kognitive Seite für positives Denken, sind darauf angewiesen, dass man sich bewegt.“

Neueren Erkenntnissen zufolge, so Huber, würden bei Bewegung in der Muskulatur Substanzen ausgeschüttet, die praktisch lebensnotwendig seien. Darunter das Protein BDNF (Brain-derived neurotrophic factor). Der Stoff ermöglicht überhaupt erst, dass sich im Gehirn neue Synapsen bilden, im Grunde Dünger fürs Hirn. „Und den besten Entzündungshemmer bekommen Sie nicht in der Apotheke, sondern durch körperliche Aktivität“, sagt Huber.

Bewegung verbessert weltweiten Studien zufolge unter anderem nachweislich die kognitive Leistung im Gehirn, stärkt das Immunsystem, beugt Volkskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs sowie Alterserkrankungen wie Demenz vor und senkt das Risiko für Angststörungen und Depressionen.

Zudem steigt für Menschen mit überwiegend sitzenden Tätigkeiten ohne Bewegungsausgleich das Risiko von Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und Stressempfinden. „Bewegung ist das Schweizer Taschenmesser der Medizin“, sagt Huber.

Bewegung: Positive Effekte machen sich sofort bemerkbar

Welche Bewegung ist nun gesund? „Es muss nicht unbedingt Sport sein“, sagt Huber. Ein- oder zweimal Fitnessstudio pro Woche bringe allein genommen erheblich weniger als die regelmäßige, tägliche Bewegung: Treppensteigen statt Aufzug, Gassigehen, Radfahren, der Spaziergang am Mittag oder Abend, bei Bedarf auch mit Rollator.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten Bewegung verteilt auf mindestens fünf Wochentage. Bei Kindern und Jugendlichen sind es 300 Minuten. Ohne Vorerkrankung muss bei moderater Bewegung auch kein Arzt hinzugezogen werden.

Das Beste: Positive Effekte machen sich sofort bemerkbar. „Wenn Sie Spaziergengehen, haben Sie nach 30 Minuten ein besseres Gefühl“, sagt Huber. Am schnellsten und stärksten profitierten zudem anfangs diejenigen mit dem schlechtesten Ausgangsniveau, belegten Studien. Auch das Risiko vorzeitiger Sterblichkeit sinke bei bisherigen Bewegungsverweigerern am schnellsten. „Wählen Sie am besten eine Intensität, bei der Sie sich noch gut fühlen, dann haben sie den ersten Effekt sofort“, rät Ralf Brand.

Wie bleibt man nach der Anfangseuphorie motiviert am Ball? Hubers Erfahrung nach gelingt das jenen am besten, die über die Vorteile der Bewegung Bescheid wissen und die empfohlene Dosis dauerhaft in ihren Alltag einbauen können. Wichtig sind laut Studien kleine Erinnerungshilfen, etwa auf dem Handy oder im Kalender, erklärt Brand. „Die beste Unterstützung könnte die fertig gepackte Sporttasche sein, die man sich in den Flur stellt.“

Kleine Ziele, hohe Motivation: So motivieren Sie sich zur Bewegung

Ebenso wichtig: „Es sollte Spaß machen, sonst hört man bald wieder auf“, sagt Christa Roth-Sackenheim, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP). „Mit zunehmendem Alter sollten die Ziele kleinere Schritte umfassen. Je kleiner die Ziele, umso häufiger ein Erfolgserlebnis, umso mehr Motivation.“

Mehr Aktivität zahle sich auch im Kopf aus: „Regelmäßige moderate Bewegung schützt, stärkt und pflegt das Gehirn, genauso wie dies den ganzen Körper pflegt. Es werden Synapsen ‘geschmiert’, es bilden sich neue, man kommt zu sich selbst und steigt aus dem Hamsterrad des Alltags aus. Wie eine kleine Meditation“, so die Neurologin. Das zeigten schon alte Methoden wie Yoga.

Nicht zuletzt hänge mehr Bewegung oft mit einem positiveren Denken zusammen, sagen die Experten. Das Gefühl, ganz ohne Ärzte, Therapeuten und Medikamente eigenständig für mehr Wohlbefinden zu sorgen, lasse viele Menschen „Selbstwirksamkeit“ erfahren, sagt Huber. „Eine ganz wichtige Quelle für positives Denken.“