Erfurt. Urlaubsansprüche verjähren nach drei Jahren nicht automatisch. Arbeitgeber müssen nach einem Urteil Betroffene frühzeitig warnen.

  • Urlaubsansprüche verfallen nicht automatisch nach drei Jahren
  • Der Arbeitgeber muss seine Beschäftigten rechtzeitig vor der Verjährung warnen
  • In einem Grundsatzurteil schützt des Bundesarbeitsgericht auch die Urlaubsansprüchen von Langzeit-Erkrankten

Urlaub verjährt? Nach drei Jahren verfallen die Ansprüche. Allerdings stärkte das Bundesarbeitsgericht am Dienstag in Erfurt in einem Urteil (9 AZR 266/20) die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Denn: Der Arbeitgeber darf seine Beschäftigten nicht in eine Falle tappen lassen. Er muss sie rechtzeitig auffordern, ihren Urlaub zu nehmen; ausdrücklich muss er Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor einer drohenden Verjährung warnen.

Die Richter stärkten die Positionen von vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland, die mit ihrem Arbeitgeber über offene Urlaubsansprüche streiten, die teilweise Jahre zurückliegen. Die Informationspflicht des Arbeitgebers betrifft auch Arbeitnehmer, die für lange Zeit erkrankt sind. Ihnen drohte bisher für das Jahr ihrer Erkrankung der Verfall von Urlaub 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres. Das gilt nun nicht mehr.

Urlaubsansprüche: "Die Nachweispflicht hat der Arbeitgeber."

Der Richterspruch kam nicht überraschend, Mit dem Urteil setzte man in Erfurt Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von September um. Zwei Frauen aus Nordrhein-Westfalen hatten sich bis in die höchsten Gerichtsinstanzen in Deutschland und Europa geklagt. Es ging unter anderem um 101 offene Urlaubstage aus mehreren Jahren sowie 14 Tage Resturlaub nach langwieriger Krankheit.

An die Vorgaben aus Europa erinnert auch Michael Fuhlrott, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Hamburg. Das Thema Urlaub sei in den EU-Vorgaben geregelt – deshalb sei der EuGH mit Sitz in Luxemburg auch in Fragen des nationalen Arbeitsrechts mit zuständig, sagte er unserer Redaktion. "Die Nachweispflicht hat der Arbeitgeber." Das bedeutet: Vor Gericht muss der Chef beweisen, dass er seinen Mitarbeiter über den Verfall seiner Urlaubsansprüche aufgeklärt hat.

Fuhlrott: "In der Praxis informieren Unternehmen ihre Mitarbeiter in einer E-Mail oder mit einem Vermerk in der Gehaltsabrechnung." Doch auch mündliche Hinweise seien möglich – allerdings sind mündliche Absprachen vor Gericht schwerer nachzuweisen. Ganz grundsätzlich sind Arbeitnehmer in Deutschland angewiesen, ihren Urlaub möglichst im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. "Das regelt das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)." Nur unter bestimmten Voraussetzungen sei eine Übertragung des Urlaubs in das nächste Kalenderjahr möglich.

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Urlaub mit ins nächste Kalenderjahr nehmen: Unter diesen Voraussetzungen ist das möglich

Laut Fuhlrott unterscheidet man im Arbeitsrecht zwischen persönlichen und betrieblichen Gründen. Liegen diese vor und besteht ein Übertragungsgrund, verschiebt sich die zeitliche Grenze des Urlaubsanspruchs automatisch vom 31. Dezember eines Jahres auf den 31. März des Folgejahres, heißt es in einem Servicebeitrag der Techniker Krankenkasse an ihre Mitglieder. Arbeitnehmer können die verbliebenen Urlaubstage nehmen oder sich diese auszahlen lassen. Welche persönlichen oder betrieblichen Gründe eine Urlaubsübertragung rechtfertigen können:

Mögliche betriebliche Gründe:

  • Termin- oder saisongebundene Aufträge
  • Technische oder verwaltungsmäßige Probleme im Betriebsablauf

Mögliche persönliche Gründe:

  • Arbeitsunfähigkeit
  • Erkrankung eines Angehörigen, der gepflegt werden muss
  • Erkrankung des Lebensgefährten, mit dem der Urlaub verbracht werden sollte

EuGH schafft Rechtssicherheit bei Urlaubsanspruch: Droht Deutschland jetzt eine Klagewelle?

Diese Verjährungsfrist von drei Jahren ist aus Sicht der Luxembuger Richter aber nicht mit EU-Recht vereinbar – "die deutschen Regelungen zur Verjährungsfrist sind insoweit unionsrechtswidrig", sagt Fuhlrott. Aus Sicht der obersten Richter am EuGH darf ein Arbeitgeber – welcher seine Hinweispflichten verletzt – nicht noch mit einer Verjährungsfrist belohnt werden.