Braunschweig. Die 21-jährige May Taake aus Vechelde hat in einer Braunschweiger Fahrzeugsattlerei traditionelle Handwerkstechniken gelernt.

Mit Pferden hat May Taake so gar nichts am Hut. Obwohl man das denken könnte bei einer Angestellten in einer Sattlerei. Aber die 21-Jährige hat ihr Handwerk in einer Fahrzeugsattlerei gelernt. In dem Betrieb von Inhaber Heinrich Barth in Braunschweig dreht sich viel um ganz andere Pferdestärken: um jene von neuen Autos, Oldtimern und Motorrädern.

Die verschiedensten Oldtimer standen bereits auf dem Parkplatz vor der Sattlerei im Rebenpark, dem Businessquartier in Braunschweig. 80 bis 90 Prozent aller Aufträge des Betriebs haben mit Autos zu tun, speziell mit dessen Innenleben. Sitze und Bezüge in Vollleder und Teilleder-Ausstattung sind schließlich irgendwann abgenutzt und müssen ersetzt werden. Löcher oder Risse erfordern Reparaturen. „Manchmal stehen hier Autos, bei denen man wirklich stolz über den Auftrag ist“, sagt Heinrich Barth. Der gelernte Karosseriebauer hat die Firma 2007 gegründet. Heute hat sie fünf Mitarbeiter und genießt über die Stadt hinaus einen guten Ruf.

Über einen Umweg kam May Taake in den Betrieb. „Ich habe hier ein Schulpraktikum absolviert. Meine Mutter ist Designerin und arbeitet mit der Sattlerei zusammen“, berichtet die 21-Jährige. Doch nach der Schule begann die Frau aus Vechelde zunächst eine Ausbildung zur Zimmerin. Die allerdings brach sie ab. „Auf dem Bau hat jeder für sich gearbeitet. Ich hatte das Gefühl, dass in diesem Beruf viele Eigenbrötler unterwegs sind“, erzählt Taake. Sie erinnerte sich an ihr Praktikum – und bewarb sich bei Heinrich Barth. Mit Erfolg. Mittlerweile hat sie ihre Ausbildung erfolgreich beendet und wurde übernommen.

Wenn durch die Werkstatträume im Rebenpark der Geruch von Leder weht, dann ist das für May Taake eine vertraute Wahrnehmung. Nicht nur wegen der nun gut drei Jahre in der Sattlerei. „Ich bin mein ganzes Leben lang auf Mittelaltermärkten unterwegs gewesen“, erzählt die 21-Jährige. Innerhalb ihres Lagers ist sie in einer Showkampftruppe aktiv – oder betätigt sich als Köchin. Für Fleischgerichte versucht sie an ganze Tiere zu kommen. Andere Bestandteile wie die Haut zur Lederherstellung zu nutzen, hält May Taake für sinnvoll. „Nur wenn Tiere einzig für Pelze sterben müssen, habe ich damit ein Problem“, sagt sie.

Und so begann die Vechelderin, zusammen mit ihrem Freund Leder zu gerben. „Mit der Berufsschule habe ich auch einmal eine Gerberei besucht. Da habe ich viele tolle Eindrücke gewonnen“, erklärt sie. Das Material Leder findet sie ästhetisch. „Mein Vater ist Motorradfahrer. Er trägt dann immer Lederkluft und Stiefel“, sagt die junge Angestellte.

Auch Kutten für Motorradfahrer werden bei Heinrich Barth in Handarbeit gefertigt. „Mein Sohn und ich fahren selbst“, berichtet der Inhaber. Die Westen werden aber bei weitem nicht nur an Kunden aus Braunschweig und Umgebung verkauft. „Wir haben Bestellungen aus Amerika und Asien“, erzählt der 58-Jährige. Die Muster auf dem Leder, die sogenannten Punzierungen, werden individuell auf Kundenwunsch gefertigt. „Das ist ein uraltes Handwerk. Früher wurden Kutschen und Pferdegeschirre so verziert. Sogar beim Ötzi hat man punzierte Sachen gefunden“, erzählt Barth. Deshalb seien Verzierungen mit Prägestempeln tabu. Auch die Silberapplikationen kommen in Handarbeit an die Kutte.

Aber auch Möbelstücke werden in der Sattlerei erneuert. „Durch den Preiskampf auf dem Möbelmarkt sinkt aber die Bereitschaft Geld für eine Reparatur zu zahlen“, sagt Heinrich Barth. Aus diesem Grund zählen nur die Besitzer hochwertiger Möbelstücke zum Kundenkreis der Sattlerei. Mit einem Pferdesattel wüsste dort übrigens keiner etwas anzufangen. Die werden nur in speziellen Reitsport-Sattlereien bearbeitet.