Duisburg/Erlangen. Mithilfe ihres Tastsinns sollen die Frauen bereits kleinste Veränderungen bemerken. Nun belegt eine Studie erstmals die Wirksamkeit.

Filiz Demir ist blind, doch mit ihren Händen und viel Geduld kann sie erkennen, was Ärzte manchmal unter Zeitdruck übersehen könnten: schon kleinste Veränderungen im Brustgewebe ihrer Patientinnen, hinter denen Brustkrebs stecken könnte.

Ertasten ihre besonders sensiblen und geschulten Fingerspitzen eine Auffälligkeit, zieht sie den Arzt hinzu, der dann mittels Ultraschall oder Mammografie genauer hinschauen kann.

Die Methode, nach der Demir arbeitet, ist nun erstmals auf ihre Wirksamkeit überprüft worden. Das Ergebnis: Die sogenannten Medizinischen Tastuntersucherinnen (MTUs) finden bei der Brustkrebsvorsorge genauso häufig Auffälligkeiten im Gewebe, die dann genauer untersucht werden müssen, wie der Arzt.

„Tun beide sich zusammen, können sie Auffälligkeiten in der Tastuntersuchung häufiger erkennen als der Arzt alleine“, sagt Michael Lux von der Frauenklinik der Universität Erlangen.

Ärzte haben die Effektivität der Methode lange bezweifelt

Die Patientin auf der Liege vor Tastuntersucherin Filiz Demir vertraut schon länger auf die Methode. Die 43-jährige Daniela Frankenthal geht jährlich zur Früherkennung. Demirs Hände wandern dann Zentimeter für Zentimeter ihre beiden Brüste ab. Orientierung bieten der Blinden dabei zwei selbstklebende Papierstreifen, die die Brust in eine Art Koordinatensystem verwandeln.

Lux hat die Effektivität der Methode bei insgesamt 395 Frauen untersucht und die Ergebnisse seiner Pilotstudie im Fachmagazin „Breast Care“ veröffentlicht. Bei Frauen ohne vorherige Brustoperation habe sich der Einsatz bewährt, so sein Fazit. Viele Ärzte hätten dies bislang bezweifelt, vielleicht auch, weil sie fürchteten, ihre eigene Arbeit könnte damit als weniger wertvoll eingeschätzt werden.

In 82 Prozent aller nicht voroperierten Fälle stellten die Medizinischen Tastuntersucherinnen abklärungsbedürftige Gewebeauffälligkeiten korrekt fest, ohne deutlichen Unterschied zu Ärzten. Kombinierte man die Treffergenauigkeit beider, lag sie bei 89 Prozent. „Größere Unsicherheit herrschte bei Patientinnen mit vorheriger Brustoperation“ – im Erlanger Brustzentrum ein Großteil der Stichprobe.

Die Tastuntersuchung dauert mindestens 30 Minuten

„Mit dem oftmals vernarbten Gewebe kamen die Tasterinnen nicht so gut klar wie die darauf spezialisierten Ärzte“, erklärt Lux. Im Umkehrschluss glaubt er, dass MTUs bei der Früherkennung im Praxis­alltag vieler Gynäkologen die Nase deutlicher vorn haben könnten.

Viele Kollegen arbeiteten hier im Routinefall unter großem Zeit- und Kostendruck. Eine Tastuntersuchung durch sehbehinderte Helfer dauert mindestens 30 Minuten, die Kosten von 46,50 Euro übernehmen inzwischen 26 Krankenkassen bundesweit.

Vor einer Überbewertung der Methode warnen andere Kollegen: Es sei zu berücksichtigen, dass MTUs mit einer halbstündigen Untersuchung ähnlich gute Ergebnisse erzielten wie der Arzt in einigen Minuten, sagt Sherko Kümmel, Direktor des Brustzentrums der Kliniken Essen-Mitte.

Zwar sei er froh über die Aufmerksamkeit für das Thema Brustkrebsvorsorge, „es sollten aber keinesfalls falsche Hoffnungen geweckt werden, dass die Tastuntersucherinnen besser sind als das, was die Medizin bisher leistet“.

Mammografie und Ultraschall seien nicht zu ersetzen

Der menschliche Tastsinn – ganz gleich, ob von Blinden oder erfahrenen Ärzten – sei nicht gleichwertig mit anderen Untersuchungsmethoden. „Wichtiger für eine Verbesserung der Vorsorge wäre es beispielsweise, den Ultraschall für weitere Risikogruppen, etwa bei Frauen mit sehr dichtem Drüsengewebe, zu finanzieren“, fordert Kümmel.

Solche Kosten übernehmen bisher nur einige Krankenkassen. Eine Mammografie gehört in der Regel erst für Patientinnen über 50 Jahren zum vorgeschriebenen Leistungskatalog. Auch sehr sensible Fingerspitzen könnten weder die Mammografie noch den Ultraschall ersetzen, sagt auch Tanja Fehm von der Universitätsklinik Düsseldorf und der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie.

Sie hält die Arbeit der MTUs dennoch für eine wertvolle Zusatzleistung – „gerade für Patientinnen, die die oft schambesetzte Brustuntersuchung scheuen. Da ist es für manche leichter, wenn Blinde diese wichtige Aufgabe übernehmen.“

Prominente Kämpfer gegen den Krebs

Bei der US-amerikanischen Sängerin Anastacia („I`m outta love“) wurde 2003 Brustkrebs diagnostiziert. Die Folge: eine erfolgreiche Operation und Bestrahlung. 2013 dann kam der Krebs zurück. Um einem weiteren Rückschlag vorzubeugen, ließ sich die Sängerin beide Brüste in einer sogenannten Mastektomie abnehmen. Wir zeigen weitere prominente Persönlichkeiten, die mit der Diagnose konfrontiert wurden – oder durch operative Eingriffe vorsorgen.
Bei der US-amerikanischen Sängerin Anastacia („I`m outta love“) wurde 2003 Brustkrebs diagnostiziert. Die Folge: eine erfolgreiche Operation und Bestrahlung. 2013 dann kam der Krebs zurück. Um einem weiteren Rückschlag vorzubeugen, ließ sich die Sängerin beide Brüste in einer sogenannten Mastektomie abnehmen. Wir zeigen weitere prominente Persönlichkeiten, die mit der Diagnose konfrontiert wurden – oder durch operative Eingriffe vorsorgen. © Getty Images | Alexander Scheuber
Der Ex-Stabhochspringer Tim Lobinger ist erneut an Leukämie erkrankt. „Die zwei Krebszellenarten, die vergangenes Jahr erkannt wurden und vernichtet werden konnten, sind nicht mehr nachgewiesen worden. Dafür ist eine leicht mutierte Form zurückgekehrt“, sagte er 45-Jährige in diesem April in einem Interview mit dem „Stern“.
Der Ex-Stabhochspringer Tim Lobinger ist erneut an Leukämie erkrankt. „Die zwei Krebszellenarten, die vergangenes Jahr erkannt wurden und vernichtet werden konnten, sind nicht mehr nachgewiesen worden. Dafür ist eine leicht mutierte Form zurückgekehrt“, sagte er 45-Jährige in diesem April in einem Interview mit dem „Stern“. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Marijan Murat
Sylvie Meis bekam 2009 die Diagnose Brustkrebs. Nach einer Chemotherapie hat sie die Krankheit besiegt.
Sylvie Meis bekam 2009 die Diagnose Brustkrebs. Nach einer Chemotherapie hat sie die Krankheit besiegt. © Getty Images | Andreas Rentz
Der australische Schauspieler Hugh Jackman („X-Men“) gab Ende 2013 bekannt, an Hautkrebs erkrankt zu sein. Ihm wurden Basalzellkarzinome an der Nase entfernt. Ein Basalzellkarzinom oder Basaliom ist ein Tumor, der anders als ein Melanom normalerweise keine Metastasen bildet. Diese und eine ähnliche Tumorart werden deshalb auch halbbösartiger oder weißer Hautkrebs genannt.
Der australische Schauspieler Hugh Jackman („X-Men“) gab Ende 2013 bekannt, an Hautkrebs erkrankt zu sein. Ihm wurden Basalzellkarzinome an der Nase entfernt. Ein Basalzellkarzinom oder Basaliom ist ein Tumor, der anders als ein Melanom normalerweise keine Metastasen bildet. Diese und eine ähnliche Tumorart werden deshalb auch halbbösartiger oder weißer Hautkrebs genannt. © REUTERS | REUTERS / AXEL SCHMIDT
Hollywoodstar Angelina Jolie hat vor einigen Jahren für weltweites Aufsehen erregt, als sie sich wegen Brustkrebs-Fällen in ihrer Familie vorsorglich beide Brüste amputieren ließ. Ihre Mutter war 2007 an Krebs gestorben, 2013 auch ihre Tante.
Hollywoodstar Angelina Jolie hat vor einigen Jahren für weltweites Aufsehen erregt, als sie sich wegen Brustkrebs-Fällen in ihrer Familie vorsorglich beide Brüste amputieren ließ. Ihre Mutter war 2007 an Krebs gestorben, 2013 auch ihre Tante. © REUTERS | REUTERS / MARK BLINCH
Hollywood-Star Michael Douglas („Wall Street“) überstand eine Krebserkrankung an der Zunge.
Hollywood-Star Michael Douglas („Wall Street“) überstand eine Krebserkrankung an der Zunge. © REUTERS | REUTERS / MARIO ANZUONI
Bekannt wurde Christina Applegate in den 1990er Jahren mit ihrer Rolle der Kelly Bundy in der US-Serie „Eine schrecklich nette Familie“. Nach einer Brustkrebsdiagnose im Jahr 2008 ließ sie sich beide Brüste abnehmen. Einige Jahre später, 2017, ließ sie sich auch die Eierstöcke und Eileiter entfernen.
Bekannt wurde Christina Applegate in den 1990er Jahren mit ihrer Rolle der Kelly Bundy in der US-Serie „Eine schrecklich nette Familie“. Nach einer Brustkrebsdiagnose im Jahr 2008 ließ sie sich beide Brüste abnehmen. Einige Jahre später, 2017, ließ sie sich auch die Eierstöcke und Eileiter entfernen. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Die „Sex and the City“-Schauspielerin Cynthia Nixon erkrankte 2006 an Brustkrebs – und besieht ihn. Sie hat weitere große Pläne: Nixon will Gouverneurin des US-Bundesstaats New York werden.
Die „Sex and the City“-Schauspielerin Cynthia Nixon erkrankte 2006 an Brustkrebs – und besieht ihn. Sie hat weitere große Pläne: Nixon will Gouverneurin des US-Bundesstaats New York werden. © dpa | Bebeto Matthews
Am 18. März 2016 starb der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle an den Folgen seiner Leukämieerkrankung. Er wurde 54 Jahre alt.
Am 18. März 2016 starb der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle an den Folgen seiner Leukämieerkrankung. Er wurde 54 Jahre alt. © Getty Images | Sean Gallup
Auch Popsängerin Kylie Minogue bekam im Mai 2005 die Diagnose Brustkrebs. Eine Operation und eine Chemotherapie verliefen erfolgreich. Die Australierin steht wieder gesund auf der Bühne.
Auch Popsängerin Kylie Minogue bekam im Mai 2005 die Diagnose Brustkrebs. Eine Operation und eine Chemotherapie verliefen erfolgreich. Die Australierin steht wieder gesund auf der Bühne. © Getty Images | Dave Hogan
Miriam Pielhau verlor den Kampf gegen den Krebs. Die Moderatorin („taff“) starb am 12. Juli 2016 im Alter von 41 Jahren.
Miriam Pielhau verlor den Kampf gegen den Krebs. Die Moderatorin („taff“) starb am 12. Juli 2016 im Alter von 41 Jahren. © REUTERS | REUTERS / POOL
CDU-Politiker Wolfgang Bosbach ist unheilbar an Krebs erkrankt. Vor einigen Jahren hatte er das öffentlich gemacht. „Die Krebstherapie hat leider eine chronische Müdigkeit zur Folge, die ich – so paradox es sich anhört – am heftigsten spüre, wenn ich einmal Ruhe habe“, sagte Bosbach.
CDU-Politiker Wolfgang Bosbach ist unheilbar an Krebs erkrankt. Vor einigen Jahren hatte er das öffentlich gemacht. „Die Krebstherapie hat leider eine chronische Müdigkeit zur Folge, die ich – so paradox es sich anhört – am heftigsten spüre, wenn ich einmal Ruhe habe“, sagte Bosbach. © Getty Images | Thomas Lohnes
Tennis-Legende Martina Navratilova erkrankte 2010 an Brustkrebs. Heute geht es ihr wieder gut.
Tennis-Legende Martina Navratilova erkrankte 2010 an Brustkrebs. Heute geht es ihr wieder gut. © Getty Images | Clive Brunskill
In den 90er Jahren wurde sie als Brenda Walsh in der Jugendserie „Beverly Hills, 90210“ bekannt. Shannen Doherty erkrankte 2015 an Brustkrebs. Sie ging recht offensiv mit der Erkrankung um und zeigte sich zum Beispiel mit rasiertem Kopf auf Instagram.
In den 90er Jahren wurde sie als Brenda Walsh in der Jugendserie „Beverly Hills, 90210“ bekannt. Shannen Doherty erkrankte 2015 an Brustkrebs. Sie ging recht offensiv mit der Erkrankung um und zeigte sich zum Beispiel mit rasiertem Kopf auf Instagram. © imago/MediaPunch | Faye Sadou
Komponist und Produzent Ralph Siegel („Dschingis Khan“) erkrankte zweimal an schwerem Krebs.
Komponist und Produzent Ralph Siegel („Dschingis Khan“) erkrankte zweimal an schwerem Krebs. © Getty Images | Hannes Magerstaedt
1996 wurde bei dem US-amerikanischen Radrennfahrer und Triathlet Lance Armstrong Hodenkrebs diagnostiziert. Er gilt inzwischen als geheilt.
1996 wurde bei dem US-amerikanischen Radrennfahrer und Triathlet Lance Armstrong Hodenkrebs diagnostiziert. Er gilt inzwischen als geheilt. © Getty Images | Spencer Platt
Die amerikanische Popsängerin Sheryl Crow („All I Wanna Do“) und Ex-Freundin von Lance Armstrong besiegte den Brustkrebs.
Die amerikanische Popsängerin Sheryl Crow („All I Wanna Do“) und Ex-Freundin von Lance Armstrong besiegte den Brustkrebs. © REUTERS | REUTERS / MARIO ANZUONI
Sharon Osbourne, Ehefrau von „Black Sabbath“-Altrocker Ozzy, erkrankte 2002 an Darmkrebs. Im November 2012 hatte sie sich zudem für eine Brust-Amputation entschieden.
Sharon Osbourne, Ehefrau von „Black Sabbath“-Altrocker Ozzy, erkrankte 2002 an Darmkrebs. Im November 2012 hatte sie sich zudem für eine Brust-Amputation entschieden. © Getty Images | Anthony Devlin
Schauspieler Ewan McGregor („Trainspotting“) hatte sich einen verdächtigen Leberfleck unter dem Auge entfernen lassen. Er hat den Hautkrebs besiegt.
Schauspieler Ewan McGregor („Trainspotting“) hatte sich einen verdächtigen Leberfleck unter dem Auge entfernen lassen. Er hat den Hautkrebs besiegt. © REUTERS | REUTERS / POOL
Die US-amerikanische Schauspielerin Melanie Griffith – Ex-Frau von Antonio Banderas und auch Don Johnson – hatte Hautkrebs. Inzwischen ist sie wieder gesund.
Die US-amerikanische Schauspielerin Melanie Griffith – Ex-Frau von Antonio Banderas und auch Don Johnson – hatte Hautkrebs. Inzwischen ist sie wieder gesund. © REUTERS | REUTERS / DANNY MOLOSHOK
Auch Schauspielerin Sofia Vergara („Modern Family“) gilt nach einer Schilddrüsen-Krebserkrankung als geheilt.
Auch Schauspielerin Sofia Vergara („Modern Family“) gilt nach einer Schilddrüsen-Krebserkrankung als geheilt. © REUTERS | REUTERS / MIKE BLAKE
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Unternehmen will Angebot weltweit verbreiten

Brustkrebs ist mit etwa 70.000 Neuerkrankungen jährlich die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland – und trifft auch Jüngere: Laut Zentrum für Krebsregisterdaten sind fast 30 Prozent der ­Betroffenen bei Diagnosestellung unter 55 Jahre alt, ein Alter, in dem andere Krebserkrankungen zahlenmäßig noch kaum eine Rolle spielen.

„Lebensgefährlich ist nicht der Tumor in der Brust. Lebensgefährlich ist er, wenn er im Körper gestreut hat“, sagt Frank Hoffmann, Gynäkologe und Initiator von Dis­covering Hands, jenem Unternehmen, das MTUs ausbildet und das Angebot weltweit verbreiten will.

Bereits vor über zehn Jahren kam ihm die Idee, die aus seiner Sicht optimierungswürdige Früherkennung per Tastuntersuchung durch die besonderen Qualitäten Sehbehinderter zu verbessern.

MTUs als „diagnostisches Instrument“

Frank Hoffmann sieht bei den geschulten Kräften das Potenzial, schon sehr kleine Gewebeveränderungen zu ertasten: „Bei mir ist bei Kirschkerngröße meist Schluss. Da haben viele Tumore jedoch schon gestreut.“ Überflüssig mache das seine ärztliche Arbeit keineswegs.

Die MTUs tasten und berichten dem Arzt, dieser bewertet den Befund. „Ich sehe die MTUs als diagnostisches Instrument“, betont Hoffmann. Sie seien aber eben kein kalter Apparat, sondern Menschen, die den Patientinnen auch guttun.

Das spiegelt sich ebenfalls in der Studie: Fast alle Patientinnen gaben zu Protokoll, dass sie die Untersuchung als positiv empfanden und weiterempfehlen würden. Mediziner Lux verbindet damit die Hoffnung, dass von den Tastuntersuchungen noch weitere Effekte ausgehen könnten: Gelänge es dadurch, Frauen regelmäßiger zur Früherkennung zu bewegen als bisher, wäre das ein wichtiger Erfolg.