Berlin. In den Slips von „Ruby Limes“ können Diabetikerinnen ihre Insulinpumpen tragen. Die Idee hatte Frida Lüth mit ihrem Geschäftspartner.

Frida Lüth näht Unterwäsche, seit sie 16 oder 17 Jahre alt ist. Sie fand in den Geschäften nichts, was ihr gefiel, was bequem und trotzdem bezahlbar war. Besonders viel nähte sie im Jahr 2015. Sie hatte ein Studium in Medienkommunikation und Journalismus abgeschlossen und arbeitete im Marketing und als Drehbuchautorin. Doch sie war unzufrieden und gestresst.

Also nähte sie, vor allem zur Entspannung. „Das ist dann ausgeartet“, erinnert sich die 31-Jährige und lacht. Die Wäsche kam in ihrem Umfeld so gut an, dass sie beschloss: „Ich probiere das jetzt, ich mach mich damit selbstständig.“

Zufällig traf sie bei einer Barbecue-Party von gemeinsamen Freunden Carlo Zimmermann. Ein Glücksfall, denn der hatte umfangreiche Erfahrung in der Produktion von Textilien und im Vertrieb von Mode für diverse Marken.

Ideen entwickeln mit dem Gründungspartner

„Wir ergänzen uns sehr gut“, sagt Lüth. Auch Zimmermann suchte gerade nach einem Neuanfang. Er wurde ihr Gründungspartner in der carida products GmbH. So saßen sie bereits nach wenigen Monaten zusammen und arbeiteten an Ideen für ein gemeinsames Business im Bereich Unterwäsche.

„Eigentlich hatten wir etwas anderes im Sinn, als eine Bekannte von Carlo auf uns zukam, die eine Insulinpumpe trägt“, erinnert sich die Gründerin.

55.000 potenzielle Kunden

In Deutschland gibt es rund 55.000 Menschen mit Diabetes Typ 1, die nahezu rund um die Uhr eine Insulinpumpe tragen.

Diese programmierbaren Geräte sind etwa so groß wie ein Smartphone. Sie leiten das Insulinpräparat über einen Katheter und eine Injektionsnadel in den Körper.

Der Vorteil ist, dass das Insulin nicht mehrmals am Tag injiziert werden muss. Stattdessen gibt die Pumpe fortlaufend eine kleine Menge davon ab.

Wohin mit dem Ding?

Problem dabei: Wohin mit dem Ding? In die Unterhose schieben, mit einem Clip am Gürtel befestigen, in die Hosentasche stecken, unter den BH klemmen – „alles suboptimal“, fand Carlos Bekannte.

„Könnt ihr mir nicht eine Tasche in die Unterhose nähen?“ Das war die zündende Frage, aus der die Gründungsidee für „Ruby Limes“ entstand.

Slips mit einer Tasche drin – was so einfach klingt, ist weitaus schwieriger als vermutet, stellte Frida Lüth fest. „Unser Anspruch war von Anfang an: Die sollen sich von außen überhaupt nicht von Unterhosen regulärer Dessous-Hersteller unterscheiden“, erklärt die gebürtige Hamburgerin.

Unauffällig und modisch zugleich

Schließlich wünschten sich die Diabetikerinnen – und um die ging es zunächst ausschließlich – zumeist eine unauffällige und gleichzeitig modische Lösung, um ihre Insulinpumpe zu verstauen.

Auch Bequemlichkeit und Tragekomfort waren wichtig. Trotzdem musste eine Konstruktion gefunden werden, die fest genug ist, um die Pumpe sicher zu halten, und die für jedes Pumpenmodell passt.

Die verwendeten Materialien sollten von hoher Qualität und hautfreundlich sein, ökologischen Standards entsprechen und auch noch einen fairen Verkaufspreis ermöglichen. „Da haben wir es uns echt schwer gemacht“, sagt Lüth.

Zwölf verschiedene Zulieferer

Stoffe, Spitzen und Gummibänder stammen nun von zwölf verschiedenen Zulieferern aus zehn europäischen Ländern. Genäht wird „in einem kleinen Familienbetrieb in einem Nachbarland“. Wo, verraten die Gründer nicht.

Die Produktentwicklung sei die größte Herausforderung, sagt Lüth. Doch es gab Unterstützung: Parallel zur Gründung Anfang 2017 bekamen die Gründer die Zusage für ein Start-up-Stipendium der Berliner Universitäten.

Viel Wissen nachgeholt

Ihr Mentor, der Diabetologe Thomas Bobbert von der Endokrinologie der Charité, öffnete ihnen viele Türen – zu Testträgerinnen und zu Dermatologen beispielsweise. „Wir sind beide Nicht-Diabetiker“, sagt Lüth. „Wir hatten unglaublich viel Wissen nachzuholen.“

Die Finanzierung durch das Stipendium ermöglichte es den Gründern, sich ein Jahr lang auf ihr Projekt zu konzentrieren. Ein Büro auf dem Campus Lankwitz der Freien Universität gehörte ebenfalls zur Förderung.

Im August dieses Jahres wurde Ruby Limes außerdem mit dem Gründerpreis der Berliner Sparkasse ausgezeichnet. Er ist mit 4000 Euro dotiert.

Männer beschwerten sich, weil es nur Frauenslips gab

Die ersten Panty-Modelle sind im Online-Shop erhältlich. „Es war relativ schnell viel Nachfrage da“, erzählt Frida Lüth. Kundinnen meldeten sich mit Anregungen und Wünschen, und Männer beschwerten sich, dass es für sie keine Ruby-Limes-Unterwäsche gab.

Nun steht also die Entwicklung weiterer Produkte an. Lüth arbeitet zurzeit nicht nur an Männerslips, sondern auch an Oberteilen, Tops und BHs. Langfristig kann sich die 31-Jährige die Ausweitung auf andere Medizintextilien vorstellen. Es bleibt „ein Spagat zwischen Medizin und Mode“, sagt Lüth.

Kleine Zielgruppe

Die Zielgruppe für ihre Produkte ist relativ klein. „Das ist ein Fluch und ein Segen zugleich“, sagt die Gründerin. Zwar könne sie potenzielle Käuferinnen gut erreichen, über Arztpraxen, Diabetesberater, Messeauftritte oder Blogger. Andererseits sind keine Millionen-Stückzahlen erreichbar. Deshalb will sich das Start-up verstärkt international ausrichten.

Und dann gibt es auch noch die Kundinnen, die gar nicht zur eigentlichen Zielgruppe gehören. Joggerinnen verstauen ihre Hausschlüssel im Ruby-Limes-Slip, Urlauberinnen ihr Geld.

„Wir haben ziemlich viel Feedback bekommen von Leuten, die die Wäsche zweckentfremden“, sagt Frida Lüth und lacht.