Berlin. Einige deutsche TV-Sender planen ein nationales Online-Video-Portal, das Netflix Konkurrenz machen könnte. Das wird aber schwierig.

Diese Woche hatte der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm jede Menge Gelegenheiten sein Lieblingsprojekt vorzustellen: ein europäisches Portal, das Netflix, YouTube, Google sowie Facebook Konkurrenz machen und Kulturinstitutionen, öffentlich-rechtliche und private Medien einbeziehen soll.

Am Montag brachte das „Handelsblatt“ dazu ein Interview mit ihm. Am Dienstag sprach er darüber in Berlin vor Zeitungsverlegern. Und am Mittwoch stellte er das Vorhaben auf den österreichischen Medientagen in Wien vor.

Doch kann ein solches Projekt jemals realisiert werden? Das ist eher unwahrscheinlich. Wilhelm selbst räumt ein, dass seine ARD nur den Anstoß zu diesem Vorhaben liefern könne. Gefordert seien hier die Politiker der beiden EU-Schwergewichte Deutschland und Frankreich sowie die EU selbst.

ZDF-Intendant gegen „fusionierte Mediathek“

In Paris, wo Präsident Emmanuel Macron schon ein europäisches Netflix forderte, gibt es Sympathien für die Idee. Das war es dann aber auch schon. In Deutschland schaffen es ARD und ZDF noch nicht einmal eine gemeinsame Mediathek ins Netz zu stellen.

Das liege daran, dass ZDF-Intendant Thomas Bellut gegen eine „fusionierte Mediathek“ sei, „bei der das eigene Produkt verschwindet“, sagte Wilhelm dem „Handelsblatt“. Kritik kommt zudem vom Zeitschriftenverlegerverband, der auf „die vollkommen unterschiedlichen Geschäftsmodelle der freien Presse ... und der öffentlich-rechtlichen Anstalten“ verweist.

Auch weniger ambitionierte Projekte wie ein deutsches oder europäisches Netflix haben kaum Chance verwirklicht zu werden. Die RTL Group, die, abgesehen vom Pay-TV-Anbieter Sky, als einziger TV-Konzern in allen wesentlichen europäischen Fernsehmärkten präsent ist, hatte lange über ein solches Vorhaben nachgedacht. 2017 verwarf man es.

Der Grund: Die europäischen Geschmäcker sind zu verschieden. Sie eint nur der Hunger auf amerikanische TV-Ware. Den können Netflix und Amazon besser stillen als europäische Anbieter.

Videoland ist Blaupause für vergleichbare Angebote

Skeptisch ist man bei der RTL Group auch gegenüber gemeinsamen nationalen Online-Video-Portalen mehrerer verschiedener Anbieter. Dafür gibt es ebenfalls einen guten Grund: In den Niederlanden haben alle relevanten TV-Sender, auch die dortige RTL-Niederlassung, den Streamingdienst NL Ziet gegründet. Bei den TV-Plattformen rangiert er unter ferner liefen. Marktführer ist Netflix vor Videoland, dem Dienst, den RTL in Eigenregie betreibt.

Videoland ist gewissermaßen die Blaupause für vergleichbare Angebote, die die RTL Group nun in anderen Märkten entwickelt. In Deutschland entsteht ein solcher Dienst unter der bereits existierenden Marke TV Now, unter der RTL bisher umsonst oder für kleines Geld sein Programm im Netz anbietet.

Von der Idee eines gemeinsamen europäischen Portals ist im Wesentlichen nur die für die neuen Angebote erforderliche Technik geblieben, die in allen RTL-Märkten dieselbe sein wird. Möglicherweise wird es auch das eine oder andere gemeinsame Serien-Projekt geben.

Geplante Plattform von ProSiebenSat.1 ist keine Netflix-Konkurrenz

Die Wahrscheinlichkeit, dass RTL bei der vom Wettbewerber ProSiebenSat.1 und dem US-Konzern Discovery geplanten Plattform mitmachen wird, ist nahe null. Zwar spricht man miteinander. Das gebietet schon die Höflichkeit.

Doch hinter vorgehaltener Hand heißt es in Branchenkreisen, ProSiebenSat.1 wolle die Verluste seines bereits existierenden Streamingdienstes Maxdome, der in der geplanten Plattform aufgehen soll, neu hinzukommenden Gesellschaftern aufbürden.

Eine ProSiebenSat.1-Sprecherin sagt zwar, Ziel des Projekts sei es, Amazon und Netflix etwas entgegenzusetzen. Aber der Leidensdruck deutscher TV-Anbieter ist nicht so groß, um deshalb den defizitären Dienst eines Wettbewerbers zu finanzieren. Auch die geplante Plattform von ProSiebenSat.1 und Discovery hat nicht das Zeug zum deutschen Netflix.