Baveno. Die Borromäischen Inseln bezaubern seit Jahrhunderten die Menschen. Paläste und Gärten faszinieren ebenso wie die Geschichte der Orte.

Gian Luca Mantegazza ist zufrieden. Gut gelaunt breitet der Chef der Reederei Navigazione Lago Maggiore in seinem tennisplatzgroßen Büro die Arme aus: „Alles ist im Umbruch, alles.“ Beim Rundgang über das Werftgelände ist die Pionierstimmung greifbar.

Überall wird geschweißt und gehämmert. Mantegazza, der trotz der großen Hitze im tadellosen dunkelblauen Anzug unterwegs ist, grüßt in alle Richtungen, frotzelt mit seinen Leuten. Er ist seit Kurzem Direktor der Navigazione und als solches Herr über eine stattliche Flotte aus 35 Fähren, welche die Orte an den Seeufern mitein­ander verbindet. Zugleich sind die Fähren im Tourismus eine feste Größe, die den Besuchern über Rund- und Besichtigungsfahrten die Region näherbringen.

Wie ein Symbol dieser Flotte wirkt die „Piemonte“, ein schicker Oldtimer von 1904, der – obwohl in der Schweiz gebaut – viel vom schillernden Glanz der italienischen Monarchie jener Zeit ausstrahlt. Jede Menge Messing und Mahagoni leuchten in der Sonne, und es ist deutlich zu erkennen, dass bei den ständigen Renovierungen an nichts gespart wurde. Doch der stolze Dampfer war viel zu selten im Einsatz. Das soll sich jetzt ändern – Mantegazza hat schon jede Menge Pläne für Partyfahrten und andere Ausflüge.

Zwei der fünf Inseln können besichtigt werden

Nicht nur bei der Schifffahrt tut sich einiges am Lago Maggiore. Die Region hat steigende Übernachtungszahlen – vor allem der charmante, zu Italien gehörende Teil des Sees. Zielgruppe sind dabei verstärkt rüstige Best Ager und jüngere Gäste, die ihre Wander- und Trekkingreisen durch die umliegende Berglandschaft mit Übernachtungen, Restaurantbesuchen und Shoppingtouren am Wasser verbinden. Wie die Bürgermeisterin von Baveno, Maria Rosa Gnocchi, beim Spaziergang an der frisch instand gesetzten, fahrradfreundlichen Promenade erläutert, kann die Seeregion dabei mit mehreren Trümpfen aufwarten.

Die Isola Bella macht ihrem Namen Ehre.
Die Isola Bella macht ihrem Namen Ehre. © Getty Images | Walter Bibikow

Auf breit ausgebaute Verbindungsstraßen zwischen den einzelnen Orten hat man hier glücklicherweise verzichtet, so dass es in der Gegend ruhiger und ländlicher zugeht als zum Beispiel am Gardasee. Dazu trägt auch ein strenger Denkmalschutz bei – viel strenger übrigens als auf der Schweizer Seeseite, die stellenweise durch fürchterliche Betonburgen verschandelt wird.

Im Fokus der Tourismus-Manager stehen mehr denn je die fünf Borromäischen Inseln im Golf von Verbania, auch „die Juwelen“ genannt. Sie sind kein Geheimtipp, aber vorwiegend jenen Gästen bekannt, die schon einmal am See waren. Das ist insofern erstaunlich, als sie in dem riesigen Angebot der Region aus Sport, Vergnügen, Erholung und Besichtigungen einen eigenen kleinen Kosmos bilden. Vergliche man den Lago Maggiore mit einem Geschenktisch, wären die Inseln die Pakete mit dem schönsten Inhalt. Allein der Besuch dieser Inseln lohnt eine Reise an den See. Zwei von ihnen können besichtigt werden.

Hunderte Touristen auf der Isola Bella

Ankunft an der Isola Bella. Schlösser gibt es viele auf der Welt – von Versailles bis Neuschwanstein. Mit denen kann es der 1671 fertiggestellte Palazzo Borromeo locker aufnehmen – was Lage und Ausstattung betrifft. Hundertfach strömen Touristengruppen in der Saison von der Anlegestelle in den danebenliegenden Palast. Mit viel Energie beginnt Guide Flavia ihren Rundgang in der Eingangshalle, Informationen ruft sie in passablem Englisch über die Schulter.

50 Räume können besichtigt werden, jede Etage hat 3000 Quadratmeter. Die meisten Fenster geben den Blick frei auf den See, der mal grün und mal blau schimmert und nur gelegentlich von einem Dampfer durchschnitten wird. „Die Familie Borromeo bewohnt oben ihre privaten Apartments“, berichtet Flavia in fast verschwörerischem Ton. „Und ja, doch, sie sind oft da. Und so normal und nett.“

Borromeo. Dieser Name hat in Italien ungefähr den gleichen Klang wie Rockefeller in den USA. Auf eine jahrhundertealte und entsprechend turbulente Familiengeschichte kann der steinreiche, bestens vernetzte Clan zurückblicken. Berühmtester Urahn war der einst gleichermaßen verehrte wie gefürchtete Karl Borromäus (1538–1584), der nicht zuletzt wegen seines energischen Einsatzes als Hexenverfolger 1610 heiliggesprochen wurde.

Und da Erfolgsgeschichten eigentlich nie enden dürfen, heiratete die bildschöne, vermögende Beatrice Borromeo im Jahr 2015 den Sohn von Prinzessin Caroline von Hannover, Pierre Casiraghi. Abgeschirmt von Paparazzi gaben sich der Neffe von Fürst Albert II. von Monaco und die italienische Adelige drüben auf der Isola San Giovanni das Jawort.

Puppen, Spielzeug, Geschirr

Dieses Mini-Eiland, das nur rund 30 Meter vom Ufer entfernt vor Pallanza liegt, ist Privatbesitz und für Touristen tabu. Die nahezu kreisrunde Insel mit einer Fläche von nur 0,4 Hektar war übrigens einst der Sommersitz des berühmten italienischen Dirigenten Ar­turo Toscanini (1867–1957). Von der Glamour-Hochzeit wird in der Gegend immer noch sehr gerne gesprochen – ein bisschen Jetset-Klatsch gehört eben auch dazu.

Der Palazzo Borromeo erfüllt alle Erwartungen. Die prunkvollen Räume bergen unglaubliche Sammlungen an Puppen und sonstigem Spielzeug, Möbeln, Teppichen und Geschirr. In einem Saal wird hinter Glas großbürgerliches Wohnen vor mehr als 100 Jahren gezeigt – eine faszinierende Mischung aus Museum und Antikmarkt. In einem eher mittelgroßen Raum bilden mehr als 130 Ölgemälde ein riesiges Mosaik.

Viele wurden so hoch aufgehängt, dass nicht mal die Motive zu erkennen sind. Krönung der Insel ist ein perfekt gepflegter Märchengarten, in dem zehn Terrassen ineinandergreifen und eine Art Pyramide bilden. An ihrer Spitze stehen prunkvolle Skulpturen Spalier, darüber thront ein kunstvoll gearbeitetes, weithin sichtbares Einhorn, Wappentier der Borromeos.

Einer der ältesten botanischen Gärten Italiens

Wer sich mehr für Botanik interessiert, sollte zur Isola Madre übersetzen, der „Mutterinsel“. Ihr Name deutet es bereits an: Sie ist die größte Insel im Lago Maggiore. Chef­gärtner Alfredo reibt sich voller Vorfreude die Hände. Er weiß, dass er seinen Besuchern einiges zu bieten hat. Die Isola Madre ist ein Pflanzenparadies mit einem der ältesten botanischen Gärten Italiens. Die Anlage sucht selbst in dieser Gegend, die an eindrucksvoller Vegetation nicht arm ist, ihresgleichen.

Die Saison startet im April und endet ­Mitte Oktober. Danach gestaltet ein Gärtnertrupp das Eiland um und macht es winterfest. Letzteres erfordert nicht viel Aufwand, weil die Inseln ein mildes Binnenklima bieten und trotz gelegentlicher Schneefälle frostfrei sind. Subtropische Pflanzen und exotische Blumen gibt es hier auf Schritt und Tritt: rie­sige Eukalyptusbäume, 100 Jahre alte Farne, Bananenpalmen, Orangenbäume, schwarzer Bambus. Gustave Flaubert bezeichnete sie als „sinnlichsten Ort, der mir je begegnet ist“. Der Palazzo von 1590 bietet einen berühmten Puppensaal und eine antike Theatersammlung.

Im Garten stolzieren die weißen Pfauen.
Im Garten stolzieren die weißen Pfauen. © Getty Images/DeAgostini | DEA / A. VERGANI

Neben dem Haupteingang steht eine 200 Jahre alte Kaschmir-Zypresse. Im Jahr 2006 wurde sie von einem Orkan umgerissen, der auch einen Großteil des Gartens verwüstete. Die Borromeos, die offenkundig auch von Naturgewalten unbeeindruckt bleiben, ließen den Baum-Oldie mithilfe von Hubschraubern wieder aufrichten – eine spektakuläre Aktion, von der Schautafeln vor Ort berichten. Die Operation glückte: Die Zypresse hatte zwar ­einige Äste eingebüßt, wuchs aber wieder an.

Am Nachmittag entwickelt die Insel besonderen Zauber

Rückkehr auf die Isola Bella, die in den späten Nachmittagsstunden einen besonderen Zauber entwickelt. Obwohl sie nur 320 Meter lang und 180 Meter breit ist und die Besucherflut manchmal kaum zu fassen scheint, zeigt sich die „schöne Insel“ gegen Ende der zweiten Tageshälfte von einer ruhigen, geradezu einsamen Seite. Micela, auch Michaela genannt, betreibt hier das Elvezia, eines der wenigen Hotels. Stolz zeigt sie die Zimmer in dem vorbildlich renovierten alten Haus – natürlich alle mit Wasserblick.

So still sei es hier in der Nacht, dass manche Gäste kaum schlafen können. Ein weiterer Trumpf des Hauses ist das exzellente Restaurant mit der hoch gelegenen, balkonartigen Terrasse, die von allen Sitzplätzen aus einen unverstellten Blick bietet. Wenn es den Gästen recht ist, gesellt sich Micela auf ein Glas Wein zu ihnen und berichtet von ihrem Alltag auf dem Eiland. Unterdessen verlassen mit der Abenddämmerung immer mehr Touristen die Isola Bella mit den letzten Fähren, dann kehrt Ruhe ein.

Wellen plätschern gegen die verwaiste Anlegestelle, einzelne Fische springen, und man fühlt sich wie in einer kleinen Bucht irgendwo am Mittelmeer. Von der Terrasse fällt der Blick auf den immer dunkler werdenden See, aus der Ferne weht Musik herüber. Die Umrisse des Ufers sind im Mondlicht deutlich zu erkennen, im Hintergrund erheben sich die Zacken der fast schwarzen Berge. Bau- und Naturdenkmäler in perfekter Harmonie und ein Dämmerlicht, das alles in sakrale Feierlichkeit taucht.

Tipps & Informationen

Anreise Nonstop ab Berlin nach Mailand zum Beispiel mit Ryanair oder Easyjet, ab Hamburg fliegen Ryanair und Eurowings.

Übernachtung Hotel Majestic, Verbania-Pallanza, www.grandhotelmajestic.it,

DZ/F ab 160 Euro oder Hotel Belvedere di Mozzio, Crodo, www.belvederemozzio.it,

DZ/F ab 140 Euro

Essen Zu empfehlen ist das Ristorante Elvezia, Isola Bella – Stresa, www.elvezia.it

Auskunft www.derlagomaggiore.de, www.maggioni-tm.de

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Maggioni Tourist Marketing.)