Limenas. Thassos ist Griechenlands nördlichste Insel. Regenschauer lassen eine üppige Vegetation gedeihen – und verhindern Massentourismus.

Warmer Regen zur Ankunft. Auf der Fähre von dem kleinen Festlandhafen Keramoti nach Thassos trägt Griechenlands nördlichste Insel einen Wolkenschleier. Doch schon zwei Stunden später weichen die Wolken der kräftigen ­Mittelmeer-Sonne.

Was manche Besucher ­zunächst vielleicht erschreckt, ist für die Insel ein Segen: Regenschauer, die bis in den frühen Sommer plötzlich heran- und ebenso schnell wieder abziehen, machen Thassos zum grünen Juwel. Ginster, Oleander und Margeriten ­blühen am Straßenrand, Olivenhaine ziehen sich die Berghänge hinauf, bis sie vom Wald ab­gelöst werden.

Bei der Einfahrt der Fähre in den Hafen der Insel-Hauptstadt Limenas wird deutlich: Massentourismus ist auf Thassos noch nicht angekommen. Keine Hotelburgen, kaum Straßenverkehr. Die einzige Ampel der Insel steht an einer Kreuzung im Ortskern und gibt als Signal stetig ein gelbes Warnblinklicht. Das reicht. Nur wenige große Hotels verstreuen sich am Küstenstreifen des Eilands. Sie dürfen maximal dreistöckig gebaut sein.

„Athen des Nordens“

Die meist felsfarbenen Gebäudekomplexe fügen sich fast nahtlos in die Landschaft ein. In den ­größeren Orten locken kleinere Hotels und viele Tavernen Urlaubsgäste an, und auch in den Dörfern dürfen gemütliche Esslokale nicht fehlen. Schon allein wegen der Einheimischen. Ältere Männer treffen sich nach­mittags und am frühen Abend in Cafés, Fa­milien gehen abends essen oder machen Ausflüge zu den Restaurants in den Bergen oder am Meeressaum.

Limenas war in der Antike eine reiche Stadt, nicht zuletzt aufgrund des Rohstoffreichtums der Insel. Heute wird auf Thassos nur noch Marmor abgebaut und weltweit ­exportiert. In der Antike wurden hier allerlei Metalle gewonnen, auch Gold und Silber. Im sechsten und fünften Jahrhundert vor Christus entstanden prachtvolle Bauten, die Stadt ­wurde von einer vier Kilometer langen ­Marmormauer geschützt und das „Athen des Nordens“ genannt.

Die ersten Touristen kamen aus Rumänien und Bulgarien

Von alledem ist im heutigen Stadtbild nichts mehr zu sehen. Damals lebten 40.000 Einwohner in Limenas, heute sind es 14.000 auf der gesamten Insel, im Winter noch weniger. Erst in den 1970er-Jahren wurde die ring­förmige Inselstraße gebaut und damit alle Orte für den Autoverkehr erschlossen. Zuvor waren manche Küstensiedlungen nur über Eselspfade oder per Schiff erreichbar. Mit der Infrastruktur kamen die Feriengäste.

Im Felsen nahe der Südspitze der Insel hat das Meer einen Natur-Swimmingpool geschaffen.
Im Felsen nahe der Südspitze der Insel hat das Meer einen Natur-Swimmingpool geschaffen. © HA | Angelika Hillmer

Zunächst eroberten Camper aus Rumänien und dem Nachbarland Bulgarien die zahllosen Strände und Badebuchten der ansonsten eher felsigen Küste. Sie fuhren mit dem Auto etwa zehn, zwölf Stunden gen Süden, um hier einen Badeurlaub am Meer zu verbringen. ­Rumänen sind auch heute noch die größte Touristengruppe, sie übernachten aber in den inzwischen zahlreicher gewordenen Hotels.

Doch mittlerweile kommen auch viele Deutsche, zum Wandern oder um einen entspannten Mittelmeer-Urlaub zu genießen. Viele von ­ihnen trifft man montags auf dem bunten, recht großen Markt von Prinos, einem Ort im Westen der Insel.

Die Kreisstraße ist schmal, zweispurig und auf der fast alpin anmutenden Ostseite der Insel besonders kurvenreich, sodass für die 100 Kilometer lange Rundtour eine reine Fahrzeit von zweieinhalb Stunden einzuplanen ist. Die Fahrt wird leicht zum tages­füllenden Programm, garniert mit einem Klosterbesuch, Abstecher in versteckt liegende Bergdörfer oder zu antiken Ruinen und vor ­allem mit mindestens einer Einkehr. Zum Beispiel bei Thalia und Saki Dalgianuaki im Örtchen Koinira im Südosten der Insel.

Im Osten ist die Insel am grünsten

Thalia (41), Mutter von neunjährigen ­Drillingen, begrüßt ihre Gäste in akzentfreiem Deutsch. „Mein Bruder und ich sind in Essen geboren“, sagt sie. „Als er im Kindergarten und ich in der Grundschule waren, entschlossen sich meine Eltern, zurück nach Thassos zu gehen. Vor allem mein Vater hatte Heimweh.“ Er baute das Haus mit Taverne und sechs ­Gästezimmern.

Inzwischen ist daraus ein ­großes Restaurant mit Übernachtungsmöglichkeit für 60 Gäste in 21 Zimmern geworden. Es trägt den Namen des Vaters, Agorastos. Der fährt ­jeden mit dem Boot zum Fischen raus und sorgt dafür, dass die Meerestiere auf der Speisekarte stets frisch sind.

Hier im Osten ist die Insel am grünsten. Im Westen und Süden wüteten im September 2016 verheerende Brände, ausgelöst durch ein Gewitter ohne Niederschlag. „Es war fürch­terlich“, sagt Reiseleiterin Birgit Nolden-­Manolakis, die seit 32 Jahren auf der Insel lebt. „Wenn die Pinienzapfen brennen, explodieren sie und fliegen wie Geschosse durch die Luft. So verbreiten sich die Feuer sehr schnell.“ Menschen seien zum Glück nicht zu Schaden gekommen, sagt die 57-Jährige. Aber vielerorts sind „Wälder“ aus verbrannten und abgestorbenen Bäumen zu sehen.

Berge, Sandstrände, schroffe Felsen

Drei Tage kämpften damals Feuerwehrleute gegen die Brände an – die Touristen sahen davon meist nur die Rauchwolken. Einige Bewohner verloren dagegen ihre Häuser. Auch Olivenhaine waren betroffen. Die Ölfrüchte beherrschen die Landwirtschaft der Insel. Geerntet wird von Oktober bis Januar, in einer Zeit, in der viel Regen fällt und der Tourismus kein Auskommen bietet.

Weitere Inselpro­dukte sind Schafs- und Ziegenmilch, die traditionell zu Feta und Joghurt verarbeitet werden. Eine große Rolle spielt die Imkerei – ­bunte Bienenkästen stehen auf kleinen Freiflächen zwischen den Olivenbäumen, wo besonders im Frühjahr und Frühsommer viele Wildblumen Nektar und Pollen liefern.

Der Hafen Limenas auf der Insel Thassos, der flächenmäßig zwölftgrößten griechischen Insel.
Der Hafen Limenas auf der Insel Thassos, der flächenmäßig zwölftgrößten griechischen Insel. © Getty Images | Salvator Barki

Einen guten Eindruck von der bergigen grünen Insel mit ihren Sandstränden und schroffen Felskliffen verschafft eine Bootstour von Limenas im Norden oder Limenaria im Süden. Yannis Chatzis bietet mit seiner „Axion Esti“ Touren mit Startpunkt Limenaria an. Es ist seine dritte Saison. Zuvor befuhr er 17 Jahre lang auf Massengutfrachtern die Weltmeere, davon zwölf Jahre als Kapitän.

„Ich war immer unterwegs. Als ich vor drei Jahren das Angebot bekam, dieses Schiff zu übernehmen, habe ich sofort zugegriffen. Nun kann ich dauerhaft bei meiner Familie leben“, sagt der Ka­pitän. Die „Axion Esti“ kann pro Tour 50 Personen aufnehmen, doch noch ist die Anzahl der Passagiere überschaubar. Die Hauptsaison für Bootsausflüge geht noch bis Mitte September.

Unter der Woche ist es auf dem Meer häufig leer, nur wenige Ausflugsschiffe und Privatboote sind unterwegs. Der Wind hat die See aufgeraut. Einige Fahrgäste unserer vierstündigen Tour verzichten deshalb während der Mittagspause auf die an Bord gegrillten Nackensteaks. Die ­„Axion Esti“ liegt vor Anker und schaukelt gemächlich in der Bucht von Aliki. Dieser Ort ist für seine Marmorsteinbrüche und mehrere Heiligenstätten der Antike bekannt.

Landschaftspark mit Säulenstümpfen und Mauerresten

Vom Wasser aus sind die ­Reste eines Steinbruchs unmittelbar am Meer gut zu erkennen. Wer von der Landseite kommt, der kann in einem einstündigen Rundgang Tempelruinen aus griechischer Zeit, römische Gräber und Mauerreste von frühchristlichen Basiliken durchwandern – ­allerdings ohne große Erläuterungen, denn die Informationstafeln sind in griechischer Sprache gehalten. Beim Blick in das kristallklare Wasser sind steinerne Strukturen historischer Kaikanten zu sehen, verziert mit Seeigeln der Gegenwart.

In Limenas hat das üppige Grün die historischen Überbleibsel des römischen Forums in einen Landschaftspark mit Säulenstümpfen und Mauerresten verwandelt. Hauptsächlich französische Archäologen hatten das ehema­lige Stadtzentrum vor rund 50 Jahren ausgegraben. Doch ließ die Inselverwaltung diese und andere historische Stätten mangels Personals mit Grün überwuchern. Geld floss dagegen in das benachbarte Museum, in dem die wichtigsten Fundstücke präsentiert werden. Die vor wenigen Jahren modernisierte Ausstellung ist eine der größten Sammlungen aus der Antike in Nordgriechenland.

Am Morgen der Abfahrt liegt Limenas noch im Schlaf. In der Hauptsaison, im Juli und August, tobe hier das Leben, heißt es. Dann werden auch die Mitarbeiter der Tavernen, Fischlokale und kleinen Cafés am alten Hafen und den beiden Fähranlegern alle ­Hände voll zu tun haben. Ruhe vor dem Sturm. Doch der wird im Vergleich zum Fremdenverkehr auf anderen griechischen Inseln eher ein laues Lüftchen sein.

Tipps & Informationen

Anreise von Hamburg z. B. mit Eurowings nonstop nach Thessaloniki, von dort im Mietwagen nach Keramoti. Oder mit Eurowings via Köln nach Kavala und im Taxi nach Keramoti. Weiter mit der Fähre nach Thassos – ca. 4 Euro p. P.

Unterkünfte z. B. Designhotel A for Art, Limenas, DZ 97 Euro inkl. Frühstück, Tel. 0030/25930/58405, www.aforarthotel.gr

Pauschal z. B. sieben Tage im 4-Sterne Alea Hotel & Suites, DZ/Halbpension, inkl. Flug + Transfer, p. P. ab 812 Euro, Jahn Reisen, Tel. 02203/421 20, www.jahnreisen.de

Auskunft www.thassos-island.de

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch DER Touristik.)