Boa Vista . Die Kapverden sind als Winterreiseziel eine echte Kanaren-Alternative. Boa Vista ist mit ihren langen Stränden die schönste der Inseln.

Vier Stunden Flug über Europa, dann endlich reißt die Wolkendecke auf. Weiße Wolken segeln über einem dunkelblauen Meer. Unter uns liegen die Kanarischen Inseln. Noch eine gute Flugstunde weiter in Richtung Süden ist kein einziges Wölkchen mehr zu sehen, und es erstreckt sich der Atlantik, so blau wie Kornblumen. Dahinter dehnt sich weißer Strand aus. Mit zwei Hüpfern setzt das Flugzeug auf dem kleinen Airport der Kapverden-Insel Boa Vista auf, so als würde es Freudensprünge machen. Endlich in der Sonne!

Zehn Minuten Busfahrt durch ein armselig wirkendes Dorf mit bunt an­gestrichenen Steinhäusern, dann geht es über eine holprige Schotterstraße, und plötzlich scheint eine andere Welt zu beginnen: Eine neue Asphaltstraße beginnt mitten in der steinigen Einöde. Vor uns tauchen wie eine Fata Morgana eine Palmenoase und ein Gebäude­komplex auf. Der Hotelkomplex des Riu Touareg mit zweistöckigen Häusern und kleinen Türmen wirkt wie eine orientalische Festung.

Der Inselname steht für „schöner Ausblick“

Wir fahren durch ein riesiges Eingangstor, durchqueren eine Halle, die so groß ist wie der Düsseldorfer Hauptbahnhof, und blicken auf einen parkähnlichen Garten mit Palmen, Hibiskus, Oleander und bunten Blumen. Dazwischen blitzt das Blau eines riesigen Swimmingpools. Sieben Jahre hat es gedauert, bis diese Urlaubsoase so aussah, wie sie heute ist. 850 Palmen wurden gepflanzt, erfahre ich später. Sie wurden von den Kanarischen Inseln und aus ­Afrika hierher verschifft und werden täglich mit dem Abwasser des Hotels bewässert. Ständiger Wind – meist sanft, in den Wintermonaten manchmal stürmisch – weht Gerüche aufs Meer.

Bislang stand der Inselname Boa Vista, was „schöner Anblick“ bedeutet, nur für die Freude verzweifelter Seemänner, die nach wochenlanger Atlantiküberquerung endlich wieder Land ­sahen. Der höchste Berg der Insel, der Monte Estância (387 Meter), galt als magnethaltig und schien die Schiffe anzuziehen. Viele zerschellten kurz vor dem Strand. Sichtbares „Denkmal“ einer solchen Tragödie ist das bizarre Wrack der „Cabo de Santa Maria“.

Die Brandung ist zu stark zum Baden

Ein Strand auf der Kapverden-Insel Boa Vista. Der Name „schöner Anblick“ steht für die Freude der Seemänner, die nach Wochen auf dem Atlantik endlich wieder Land sahen.
Ein Strand auf der Kapverden-Insel Boa Vista. Der Name „schöner Anblick“ steht für die Freude der Seemänner, die nach Wochen auf dem Atlantik endlich wieder Land sahen. © imago/blickwinkel | imago stock&people

Der Frachter strandete vor rund 60 Jahren vor der Nordküste und ist heute eine der meistfotografierten Sehenswürdigkeiten der Insel. Über den Strand Praia da Chave fahren wir, eine kleine Ausflüglergruppe, nach ein paar Tagen absolutem Faulenzen mit einem Allradfahrzeug an den etwas schaurigen Ort. Die Brandung am Dünenstrand ist stark. Niemand wagt sich in die Wellen.

Badespaß ist dagegen auf der anderen Inselseite angesagt. Der Praia de Santa Monica ist mit Abstand der schönste und längste Strand der Insel. Über rund 20 Kilometer erstreckt er sich Richtung Westen. Hier perlt die salzhaltige Luft wie Champagner auf der Haut. Wellen rollen in zarten Schaumkronen auf den feinen Sand. Es ist ein Spaß, in das fast immer 25 Grad warme Wasser zu laufen.

Neun der Inseln sind nicht bewohnt

Das Meer, nahezu menschenleere, weitläufige Sandstrände und die Sonne sind das Gold von Boa Vista. Da können selbst die anderen acht größeren und drei kleineren Kapverdischen Inseln kaum mithalten. Die einzige Konkurrenz ist die Nachbarinsel Sal. Doch dort ist für manche schon zu viel Tourismus eingezogen.

Neun der Inseln in dem Land vor der westafrikanischen Küste sind noch überhaupt nicht bewohnt. Große Hotelkomplexe gibt es nur auf Boa Vista und Sal, auf dem Rest meistens kleine Hotels und Gästehäuser. Kirchen, Museen oder alte Ruinen – Fehlanzeige. Hier heißt es: ausspannen, baden, höchstens tauchen, hochseeangeln und wandern.

Es gibt nur wenige originale Souvenirs zu kaufen

Eine Straßenszene in Mindelo, dem Hauptort auf der Insel São Vicente. In der Altstadt mit Kolonialbauten aus dem 19. Jahrhundert gibt es ein richtiges Nachtleben.
Eine Straßenszene in Mindelo, dem Hauptort auf der Insel São Vicente. In der Altstadt mit Kolonialbauten aus dem 19. Jahrhundert gibt es ein richtiges Nachtleben. © imago stock&people | imago stock&people

Wer die Hotelanlagen verlassen will, kann zwischen einigen Ausflügen wählen. Über schmale Schotterstraßen fahren wir im Jeep quer über Boa Vista zum verlassenen Fischerdorf Espin­guera. Dort hat eine mutige Italienerin ein paar verlassene Fischerhütten zu kleinen Ferienbungalows ausgebaut. In einem offenen Restaurant serviert sie rustikale italienische Küche. Auf dem Weg dorthin kommt man ins Dörfchen Rabil. Dort gibt es eine kleine Töpferschule, in der man die wenigen originalen Souvenirs der Insel kaufen kann.

Nur eine Autoviertelstunde entfernt beginnt eine wüstenähnliche Landschaft, die Deserto de Viana. Die Inselhauptstadt Sal Rei lockt mit einer bescheidenen Markthalle und schlichten Häusern aus der Kolonialzeit. Die Urlauber, die auf den Kapverden eine Alternative zu den Kanarischen Inseln suchen, bringen der Inselkette einen zaghaften Aufschwung. War die Zahl der Einwohner in Sal Rei zeitweise auf unter 2000 gesunken, wächst sie jetzt wieder deutlich und liegt bei 2500: Immer mehr Exilanten, die zum Beispiel in die USA oder nach Brasilien gegangen waren, kehren wieder zurück.

Auf São Vicente gibt es so was wie ein buntes Großstadtleben

Ein Ausflug ins zehn Flugminuten entfernte Sal lohnt sich nicht wirklich. Spannender ist Inselhopping zur Vulkaninsel Fogo und nach Santiago, der größten Insel mit Praia, der Hauptstadt des jungen Staates, der bis 1975 portugiesische Kolonie war. Der Flug von Boa Vista oder Sal nach Fogo mit einem kleinen Propellerflugzeug dauert etwa eine Stunde (Kosten etwa 200 Euro). Vom Mini-Flughafen geht es per Jeep durch die Inselhauptstadt São Filipe und dann durch Papaya- und Bananenplantagen in Richtung Pico de Fogo (2829 Meter).

Im Bergdorf darunter wird Fogo-Wein und einheimischer Kaffee ausgeschenkt. Kinder versuchen, selbst gebastelte Figuren sowie schwefelgelbes Vulkangestein zu verkaufen. Zwei Inseln unterscheiden sich total von den kargen mondähnlichen Landschaften der Inselschwestern. São Vicente mit dem Hauptort Mindelo hat die schönste Hafenbucht im Staat Cabo Verde und eine Altstadt mit Kolonialbauten aus dem 19. Jahrhundert.

Santo Antão ist die grünste aller Inseln

Es gibt so etwas wie buntes Großstadtleben. In den Altstadtkneipen entstand auch die mit­reißende, meist sambaähnliche Musik der Kapverden wie Batuko, Morna und Coladeira. Für das Inselinnere gilt wie meistens: trocken und öde.

Santo Antão ist das genaue Gegenteil und die grünste aller Inseln. Steile Berge, tropische Täler und spektakuläre Vulkanlandschaften machen sie zur Natur-Wanderinsel. Es gibt einfache Spazierwege in der Ebene, etwas anstrengende Wanderungen auf Maultier­pfaden und anspruchsvolle Touren im Hochgebirge. Am schönsten, so empfiehlt uns ein Einheimischer, sei eine Autotour vom Hafen Porto in den Hauptort Ribeira Grande – bis hinauf in 1400 Meter karge Höhe und wieder hinunter in grüne Täler. Doch das bewahren wir uns für den nächsten Urlaub auf den Kapverden auf.

Tipps & Informationen

Anreise z. B. mit Eurowings und Tuifly ab Berlin über Stuttgart nach Boa Vista. Oder mit TAP über Lissabon nach Sao Vicente.

Unterkunft z. B. im Hotel Estoril auf Boa Vista, Übernachtung ab 49 Euro, www.hotelestorilboavista.com; oder im Riu Touareg, pauschal sieben Tage all- inklusive mit Flug ab 948 Euro (p.P./DZ).

Auskunft Visa gibt es im Flughafen
bei der Anreise für 25 Euro (oft lange Warteschlangen). Vorab-Visa kosten 45 Euro bei der Botschaft der Republik Kapverden in Berlin, Tel. 204509-55 oder über www.embassy-capeverde.de

Literatur Marco Polo Reiseführer „Kapverdische Inseln“, 148 Seiten,
12,99 Euro, ISBN 978-3-8297-2796-9