Hannover. Mehr Stimmung, weniger Bratwürste. Das fordert Handball-Bundestrainer Gislason vor dem Duell mit Kroatien. Das DHB-Team freut sich auf ein Wiedersehen.

Über den Köpfen der deutschen Handballer schwirrten Fragezeichen. Bundestrainer Alfred Gislason und seine Schützlinge mischten sich daher heimlich unter die Zuschauer und studierten Kroatiens ersten Auftritt unter Chefcoach Dagur Sigurdsson aus nächster Nähe. Die Regeneration nach dem lockeren 41:29-Auftaktsieg in der Olympia-Qualifikation über Algerien konnte warten. Die Neugierde war zu groß.

Auch wenn die DHB-Auswahl noch bei der Heim-EM im Januar gegen Kroatien gespielt und deutlich verloren hatte, erwartet die Mannschaft im zweiten Gruppenspiel eine Wundertüte. „Das wird schon spannend. Er ist dafür bekannt, sich ein paar unorthodoxe Sachen auszudenken“, sagte Linksaußen Rune Dahmke mit einer Mischung aus Vorfreude und Ungewissheit. Niemand weiß so richtig, was Sigurdsson mit dem Team vom Balkan vorhat.

„Er kennt uns alle sehr gut“

Das Wiedersehen mit dem ehemaligen deutschen Nationalcoach am Samstag (14.30 Uhr/ZDF und Dyn) verspricht Brisanz. 2016 wurde Sigurdsson mit der DHB-Auswahl Europameister und holte bei den Olympischen Spielen die Bronzemedaille. Nach einem rund siebenjährigen Abstecher zu Japans Nationalteam stellt er sich in Kroatien nun einer neuen Herausforderung. Lediglich fünf Trainingseinheiten blieben dem 50-Jährigen mit seinem neuen Team vor dem Turnier. Was kann der Isländer in so kurzer Zeit bewirken?

„Ein Trainerwechsel kann natürlich pushen. Das kennt man aus dem Fußball“, äußerte DHB-Kapitän Johannes Golla und rätselte mit seinen Kollegen über das Ausmaß des Sigurdsson-Effekts. Für Deutschland ist Kroatien eine Wundertüte, für Sigurdsson ist der alte Bekannte ein offenes Buch. „Er kennt uns alle sehr gut und ich weiß, dass er in seiner Zeit in Japan sehr viel Bundesliga geguckt hat“, berichtete Dahmke und mutmaßte: „Ich glaube, dass Dagur den Kroaten nochmal Auftrieb gibt. Die werden stark sein“.

Harmlose Offensive, löchrige Abwehr

Die Vorfreude vor dem besonderen Spiel war bei den DHB-Profis deutlich zu spüren. Lediglich Gislason, dessen Vertrag sich nur im Falle einer Olympia-Teilnahme bis 2027 verlängert, blieb gewohnt cool. „Er wird das Team in der Zeit nicht auf den Kopf stellen können. Und es ist auch nichts Besonderes, gegen einen Isländer auf der anderen Bank zu spielen. Wir kennen uns Jahrzehnte“, sagte Gislason über seine Beziehung zu Sigurdsson.

Klar ist: Deutschland braucht eine Leistungssteigerung. Das 41:29 gegen Handball-Zwerg Algerien war am Ende zwar souverän, offenbarte aber auch große Schwachstellen. Mangelnde Effektivität beim Torabschluss, Unsicherheiten im Aufbauspiel und Abstimmungsprobleme in den hinteren Reihen prägten phasenweise das deutsche Spiel. Oder wie es Zehn-Tore-Mann Renars Uscins beschrieb: „Wir haben viel verworfen, wurden zu hektisch und unsere Abwehr war teilweise zu löchrig. Wir brauchen mehr“.

Mit Bratwurst an der Seite

Mehr fordert Gislason nicht nur von einigen Spielern, sondern auch von den Zuschauern in der Hannoveraner Handballhalle. Angesprochen auf die Atmosphäre im Spiel gegen Algerien, sagte der 64-Jährige: „Die Stimmung könnte deutlich besser werden. Das brauchen wir dringend. Eine Viertelstunde vor Schluss dachte ich, alle sind mit Bratwurst an der Seite.“

Mit einem Sieg hätte der EM-Vierte das Olympia-Ticket so gut wie sicher. Schließlich reicht Platz zwei in der Vierergruppe, um die Teilnahme an den Sommerspielen in Frankreich perfekt zu machen. Anschließend wartet zum Abschluss des Qualifikationsturniers am Sonntag Österreich. Auch mit dem Nachbarland hat Deutschland noch eine Rechnung offen. Bei der EM hatte der Außenseiter dem DHB-Team ein Remis abgetrotzt.