Düsseldorf. Auch aus der Bundesliga gab es noch Angebote. Doch Benedikt Höwedes schließt mit dem Thema Fußball ab. Aus familiären Gründen beendet er seine Karriere - wie vor ihm schon sechs andere Weltmeister von 2014.

Erst André Schürrle, nun Benedikt Höwedes - binnen zwei Wochen haben zwei vergleichsweise junge Weltmeister von 2014 die Fußball-Karriere beendet.

Wie schon sein erst 29 Jahre alter einstiger Nationalmannschaftskollege fand auch der drei Jahre ältere Höwedes zum Ende seiner Laufbahn kritische Worte über die Auswüchse des modernen Fußballs. Der habe "sich brutal entwickelt. Und dabei immer weiter distanziert von den normalen Fans. Da geht etwas verloren", sagte der Abwehrspieler dem "Spiegel".

Als Hauptgrund für seinen Rückzug gab Höwedes jedoch familiäre Gründe an. In einem Urlaub habe er kürzlich gemerkt, "wie krass es mich erfüllt hat, meinen Sohn hautnah zu erleben. Da wurde Fußball plötzlich so unwichtig für mich." Auch die Angebote mehrerer Clubs konnten ihn nicht von seinem Entschluss abbringen.

Höwedes ist damit nach Schürrle, Roman Weidenfeller (39 Jahre), Philipp Lahm (36), Per Mertesacker (35), Bastian Schweinsteiger (35) und Miroslav Klose (42) der bereits siebte Weltmeister von Rio, der einen Schlussstrich zog. Klose nahm in dieser Woche seinen Job als Co-Trainer beim FC Bayern München auf - unter seinem neuen Chef Hansi Flick, der 2014 Assistenzcoach von Bundestrainer Joachim Löw war.

"Auf ihn war Verlass", sagte Löw in einer Verbandsmitteilung über Höwedes, der "einen unbedingten Siegeswillen" gehabt habe. "Er hatte Mentalität", meinte Löw. Höwedes sei "eine sehr reflektierte Persönlichkeit und auch unglaublich interessiert an Themen, die über den grünen Rasen hinausreichen."

DFB-Direktor Oliver Bierhoff meinte: "Wir haben Benni nicht nur wegen all seinen sportlichen Qualitäten enorm geschätzt, sondern auch aufgrund seiner positiven und loyalen Art." Genau wie für Schürrle stünden auch für Höwedes die Türen immer offen.

Mitte Juli hatte Schürrle in emotionalen Worten seinen Abschied verkündet und dabei geklagt, dass im Fußballgeschäft "Verletzlichkeit und Schwäche zu keinem Zeitpunkt existieren" dürfe.

Höwedes hatte bereits vor einigen Wochen seinen Vertrag bei Lokomotive Moskau vorzeitig aufgelöst. Die ultimativen Höhepunkte seiner Karriere erlebte der langjährige Kapitän des FC Schalke 04, für den er von 2001 bis 2018 auflief, am 8. Juli 2014 beim 7:1-Kantersieg der DFB-Elf im WM-Halbfinale über Gastgeber Brasilien und dem 1:0-Finalsieg über Argentinien fünf Tage später in Rio.

Als Linksverteidiger trug der in allen sieben Turnierspielen eingesetzte Höwedes in tragender Rolle zum Turniersieg bei. Fünf Jahre zuvor hatte er mit der deutschen U21-Auswahl die Europameisterschaft gewonnen.

Weniger positiv sind seine Erinnerungen an den Abschied im August 2017 von seinem Stammverein Schalke, nachdem er vom damaligen Trainer Domenico Tedesco als Kapitän abgesetzt und aus der Stammelf verbannt worden war. "Ich wusste, dass es in dem Geschäft knallhart zugeht. Aber ich hatte immer nur die Sonnenseite kennengelernt. Dann habe ich die volle Breitseite bekommen", kommentierte Höwedes.

Bei seinem nur einjährigen Intermezzo bei Juventus Turin gelang ihm, was ihm auf Schalke immer verwehrt geblieben war: Er gewann die nationale Meisterschaft. Verletzungspech verhinderte jedoch, dass er sich als Stammspieler durchsetzen konnte. Nach nur drei Ligaeinsätzen verzichtete Juve auf die Kaufoption für den nur ausgeliehenen Höwedes. Für rund fünf Millionen Euro wechselte der Defensiv-Allrounder 2018 zum russischen Club Lokomotive Moskau, für den er 35 Mal zum Einsatz kam.

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