Frankfurt/Main. Die deutsche Nationalelf hat auch das zweite März-Testspiel gewonnen. Das Siegtor durch BVB-Angreifer Füllkrug fällt spät.

Espen Eskas zögerte. War der Ball denn wirklich über der Linie, lief bei Niclas Füllkrugs Willensleistung alles sauber ab? Dann zeigte der norwegische Schiedsrichter in die Mitte. Drin, kein Handspiel. Im ausverkauften Frankfurter Waldstadion ertönte lauter Jubel.

Das späte 2:1 (1:1) durch Borussia Dortmunds Stürmer in der 85. Minute war der nächste Schritt in Richtung Heim-Europameisterschaft: sportlich wie emotional. Im drittletzten Test vor dem Turnier brillierte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nicht wie noch drei Tage zuvor beim 2:0 in Frankreich. Doch sie weckte erneut Hoffnung auf eine erfolgreiche Euro. Maximilian Mittelstädt (11.) hatte in der ersten Halbzeit den frühen Rückstand durch Joey Veerman (4.) ausgeglichen.

Deutschlands Maximilian Mittelstädt (2.v.l.) jubelt nach seinem Tor zum 1:1 mit den Teamgefährten Antonio Rüdiger (l), Joshua Kimmich (2.v.r.) und Jonathan Tah.
Deutschlands Maximilian Mittelstädt (2.v.l.) jubelt nach seinem Tor zum 1:1 mit den Teamgefährten Antonio Rüdiger (l), Joshua Kimmich (2.v.r.) und Jonathan Tah. © dpa | Federico Gambarini

DFB-Team: Keine Änderung der Startelf

Julian Nagelsmann hatte seinem Motto Taten folgen lassen. Vor jeder Partie entwickelt der Bundestrainer einen Leitsatz, an dem sich seine Mannschaft orientieren soll. „Wir kicken“, lautete die für das erfolgreich gestaltete Spiel in Lyon. „Einfach weitermachen“ sollte die DFB-Elf nun gegen die Niederlande. Auf Änderungen seiner Anfangsformation hatte Nagelsmann daher verzichtet. Toni Kroos sollte wieder dirigieren, Robert Andrich malochen, Jamal Musiala und Florian Wirtz wirbeln – und Kai Havertz ganz vorne veredeln.

Doch zunächst einmal erlebte das deutsche Team ein Gefühl, dass man doch eigentlich in 2023 lassen wollte: Rückschläge. Linksverteidiger Maxi Mittelstädt verunglückte in der vierten Minute ein Rückpass, der Jonathan Tah in die Bredouille brachte. Plötzlich fand sich der Leverkusener in einem Duell mit Oranjes quirligem Memphis Depay wieder, was großgewachsene Abwehrspieler vermeiden möchten. Der Angreifer von Borussia Dortmunds Champions-League-Gegner Atletico Madrid ließ Tah stehen und flankte in den Rückraum. Von dort zog Joey Veerman volley ab, links unten schlug der Ball im Netz ein, Torwart Marc-André ter Stegen blickte bloß hinterher.

+++DFB-Team: Eine miese Situation für Marc-André ter Stegen+++

Zu klären war zu diesem Zeitpunkt die Frage, wie die generalüberholte Nationalelf mit Rückschlägen umgehen würde. Die Antwort folgte nur sieben Minuten später: ausgezeichnet. Mittelstädt nämlich sollte seine Fehler rasch ausbügeln. Kroos spielte einen Eckstoß kurz auf Musiala, der auf Mittelstädt ablegte. Und der Stuttgarter versenkte in seinem zweiten Länderspiel den Ball aus 18 Metern unter der Latte. Als Mittelstädt gerade zum Jubel ansetzte, spielte die Stadion-Regie „Major Tom“, denn die dieser Tage viral gegangene Online-Petition war erfolgreich.

DFB-Team gegen Holland wieder mit Kontrolle

Deutschand übernahm jetzt langsam die Kontrolle. Musialas Steckpass auf Ilkay Gündogan hätte das zweite Tor verdient gehabt. Doch der Kapitän brachte den Ball an Keeper Bart Verbruggen nicht mehr vorbei (18.). Später musste Gündogan noch in höchster Not im eigenen Strafraum vor BVB-Angreifer Donyell Malen klären (33.).

Ganz so dominant, ganz so überlegen wie noch in Frankreich präsentierte sich das DFB-Team in der ersten Hälfte gegen die Niederlande nicht. Bondscoach Ronald Koeman hatte die Elftal gut eingestellt. Dennoch überzeugte die deutsche Raumaufteilung, es war wieder eine Struktur im Spiel zu erkennen. Und ab und zu hatten Wirtz und Musiala geniale Momente. Nur die Verbindung zu Havertz in der Spitze sollte nicht gelingen: Es fehlten klare Torchancen.

+++DFB-Noten: Marc-André ter Stegen als Nummer zwei verschenkt+++

Nach der Pause kamen die Deutschen ein wenig aus dem Rhythmus, Abläufe waren nicht mehr so gut ersichtlich. Dafür kamen die Niederländer nun vor allem über Konter gefährlicher in den Strafraum. Viel Glück war dabei, dass Depay den Ball nicht präziser Richtung ter Stegen beförderte und knapp drüber schoss (61.). Erst Mittelstädts Distanzschuss, den Verbruggen mit einer Flugeinlage entschärfte, führte mal wieder zu einem Raunen im Waldstadion (65.).

DFB-Team: Nagelsmann wechselt offensiv

Nagelsmann hatte zuvor reagiert. In Person von Pascal Groß und Chris Führich für Robert Andrich und den unauffälligen Gündogan kamen zwei offensivorientierte Profis rein. Führich spielte sich in der 68. Minute gut in den Strafraum, aber die Hereingabe des Stuttgarters fand im Zentrum keinen Abnehmer. Später wechselte Nagelsmann noch Niclas Füllkrug und Thomas Müller für Havertz und Wirtz ein.

Die Maßnahmen fruchteten. Führich brachte über links viel Schwung. Müller und Musiala vergaben zwei Großchancen. Dann erlöste Füllkrug die DFB-Elf. Nach dem Spiel zeigte sich Rückkehrer Toni Kroos zufrieden mit dem Auftritt seiner Mannschaft: „Ich bin stolz auf die Mannschaft, weil sie aus einer schweren Zeit kommt. Man hat gemerkt, dass nicht ganz so viele mit einem Rucksack hierher gekommen sind. Vor ein paar Monaten wären wir bei dem 0:1 wahrscheinlich zusammengebrochen. Eine gewisse Ausstrahlung ist wichtig, wir müssen Selbstvertrauen vermitteln. Wir haben zwei sehr, sehr gute Testspiele gemacht. Es ist in der letzten Woche etwas entstanden.“

Ab 26. Mai sieht sich die Nationalmannschaft zum Trainingslager im thüringischen Weimar wieder. Dann gilt es auf den klar zu erkennenden Fortschritten aus März weiter aufzubauen.

Zweites Testspiel, zweiter Sieg: Jubel bei der DFB-Elf.
Zweites Testspiel, zweiter Sieg: Jubel bei der DFB-Elf. © Sebastian El Saqqa / firo Sportphoto | Sebastian El Saqqa