Hannover. Die deutschen Handballer müssen um Olympia und die Zukunft des Bundestrainers bangen. Gegen Kroatien setzte es eine 30:33-Niederlage.

Die Zuschauer in der Arena in Hannover hatten alles gegeben. Sie hatten sich die Hände fast wund geklatscht, sie hatten ihre Stimmen beim „Deutschland, Deutschland“-Rufen fast bis zur Heiserkeit verausgabt. Sie standen, sie schrien. Doch es nutzte nichts. Die deutschen Handballer verloren am Samstagmittag beim Olympia-Qualifikationsturnier mit 30:33 (10:16) gegen Kroatien. Die Sommerspiele in Paris sind somit ein ganzes Stück in die Ferne gerückt, nun muss an diesem Sonntag unbedingt ein Sieg im abschließenden Spiel gegen Österreich her (14.10 Uhr/ARD), um das zweite Ticket hinter den so gut wie sicher qualifizierten Kroaten noch zu ergattern und damit auch die Zukunft von Bundestrainer Alfred Gislason zu sichern. Bei einer Niederlage ist Schluss. Keine Olympia-Teilnahme für Deutschland, kein Gislason mehr an der Seitenlinie.

„Mann muss es sich verdienen, zu den Olympischen Spielen zu kommen“, hatte der Bundestrainer nach Spielschluss enttäuscht resümiert. Wohlwissend, dass sein Team es sich in den zurückliegenden Minuten noch nicht verdient hatte. In den Anfangsminuten war Gislason bereits mächtig bedient: Er schrie, schüttelte den Kopf, gestikulierte wild. Von einem Fehlstart seines Teams zu sprechen, wäre eine glatte Untertreibung. Erst kurz vor dem Beginn der sechsten Minute gelang der deutschen Auswahl das erste Tor durch Juri Knorr. Die Kroaten hatten den Ball da schon vier viermal in die Maschen hinter Torwart Andreas Wolff gejagt. In der Abwehr fand das Team um Kapitän Johannes Golla keinen Zugriff, im Angriff verzweifelte die deutsche Auswahl an der offensiven Deckung des Gegners. „Wir haben zu Beginn zu viele gute Chancen liegen lassen. Das hat den Kroaten noch mehr Selbstvertrauen gegeben“, ärgerte sich Golla. Gislason nannte das Spiel seiner Mannschaft in der der ersten Halbzeit „überhastet und kopflos“.

Deutsche Handballer trafen auf Erfolgstrainer Sigurdsson

Beim 24. Geburtstag von Rückraum-Ass Julian Köster fehlte es der deutschen Mannschaft an Körperlichkeit und Emotionalität. Die Abwehr leistete kaum Widerstand, die schwache Bundesliga-Form von Spielmacher Juri Knorr spiegelte sich auch in der Nationalmannschaft wider. Die Chancenverwertung blieb bis zur Pause katastrophal.

Während Gislason kopfschüttelnd an der deutschen Bank auf und ab lief, ballte Kroatiens Trainer Dagur Sigurdsson immer wieder die Faust. Wenn sein Kapitän Domagoj Duvnjak mal wieder die Lücke in der deutschen Defensive fand, wenn Torhüter Dominik Kuzmanovic wieder einen Ball zur Seite lenkte oder Mario Sostaric mal wieder einnetzte. Der 50-jährige Isländer hatte die kroatische Mannschaft erst vor wenigen Tagen übernommen, verzichtete dafür sogar auf eine bereits sichere Olympia-Teilnahme mit Japan. Deutschland hatte er 2016 zum EM-Titel und Olympia-Bronze geführt – nun sorgte der Ex-Bundestrainer mit seinem neuen Team dafür, dass der Deutsche Handball-Bund in eine veritable Krise stürzen könnte…

Deutsche Handballer mit starker Aufholjagd

Beim Aufeinandertreffen zuvor hatten die Kroaten das deutsche Team mit 30:24 demontiert. Und das ausgerechnet bei der Heim-EM im Januar in der Kölner Arena, in der eine deutsche Auswahl zuvor noch nie verloren hatte. Allerdings: Das Spiel war damals ein eigentlich unbedeutendes, schon vor dem letzten Hauptrundenspiel war Deutschland für das Halbfinale qualifiziert. Nun aber ging es um die Teilnahme am bedeutendsten Sportturnier der Welt.

Nach der Pause schien das auch in den Köpfen angekommen zu sein. Mit frischem Personal kämpfte sich das deutsche Team Tor um Tor heran. Sebastian Heymann ging beherzt mit Wucht zum Tor, Jannik Kohlbacher traf mehrfach und Renars Uscins schloss mit seinen insgesamt acht Toren an die starke Leistung aus dem Algerien-Spiel von Donnerstag an (41:29). Zwei Tore trennten die Kontrahenten nur noch in der 45. Minute (21:23), die sensationelle Aufholjagd sorgte bei den knapp 10.000 Zuschauern für Begeisterung. Der Zwei-Tore-Vorsprung der Kroaten – er wollte aber einfach nicht schmelzen. Bis zum Ende klatschten die Zuschauer trotzdem. Und Gislason tröstete sich mit dem Gedanken, dass sich nun gegen Österreich alles noch zum Guten wenden kann. „Die zweite Halbzeit hat uns etwas Selbstvertrauen gegeben.“ Das braucht sein Team nun auch - um sich Olympia zu verdienen. Und den Job des Bundestrainers zu sichern.