„Rassismus-Vorwürfe wiegen schwer, sie müssen eindeutig belegt sein, bevor wir uns ein Urteil erlauben.“

Kurz vor Weihnachten wurde erstmals im deutschen Profi-Fußball ein Spiel (zwischen dem MSV Duisburg und dem VfL Osnabrück) wegen eines Rassismus-Eklats abgebrochen. Nun hat sich dieser Verdacht nach polizeilichen Ermittlungen nicht bewahrheitet. Eine Welle der Solidarität erreichte damals den vermeintlich beleidigten Spieler, Lob erhielten die Fans beider Mannschaften, die sich umgehend gegen rassistische Hetze positioniert hatten. Reflexhaftes folgte von Politik und Medien. Landesinnenminister Pistorius sprach von der „hässlichen Fratze des Alltagsrassismus“.

Auch in unserer Zeitung wurde der Vorfall gebrandmarkt. Und nun? Wie umgehen mit allem? Ist es dieser schnelllebigen Zeit geschuldet, dass wir schon wenige Stunden nach dem Ereignis zu wissen glauben, was passierte? Möglich. Rassismus-Vorwürfe wiegen schwer, sie müssen eindeutig belegt sein, bevor wir uns ein Urteil erlauben. Dennoch gab es Erfahrungswerte aus anderen europäischen Ligen, wo Hetzer nachweislich die Hautfarbe von Spielern zum Anlass nahmen, diese zu beleidigen – und die Teams aus Solidarität mit den Angefeindeten vom Platz gingen. Dieses Zeichen wurde auch in Duisburg gesetzt und verstärkte den Eindruck, hier sei Unrecht geschehen. Dass Deutschland nicht davor gefeit ist, zeigen Ereignisse, die Jahrzehnte zurückliegen, egal ob im westdeutschen Hamburg oder im ostdeutschen Cottbus. Fragen Sie mal Souleymane Sané oder Gerald Asamoah, ob sie „Neger raus“ und Bananenwürfe in den 1990er Jahren aus der Kurve als Lobpreisung empfunden haben.

Dass die Täter ihre Einstellungen nicht an den Stadiontoren abgeben, ist eine Lehre, die trotz der Wende von Duisburg gilt. Der Fußball bleibt ein Spiegelbild der Gesellschaft. Doch vorschnell getroffene Urteile spielen am Ende denen in die Karten, die in allem eine große Verschwörung vermuten, um dann weiter versuchen, die Gesellschaft zu spalten. Der Vorfall von Duisburg muss uns sensibilisieren, noch genauer hinzuhören. Nicht nur im Stadion, wenn Emotionen hochkochen, sondern auch dann, wenn wir es nicht erwarten. Im Bus, an der Supermarktkasse oder beim Skatabend.

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