Wolfsburg. Der Niederländer hat sich vom Amateurkicker zum EM-Torschützen für die Niederlande entwickelt. „Das macht mich stolz“, sagt der Wolfsburger.

Wout Weghorst musste warten. Im EM-Gruppenspiel gegen die Ukraine hatte der Stürmer für seine niederländische Auswahl gerade ein Tor erzielt, dessen Anerkennung sich allerdings noch in der Schwebe befand. Stand sein Mitspieler im strafbaren Abseits, als Weghorst schoss? Das checkte das Schiedsrichterteam um den Deutschen Felix Brych am Sonntagabend in Amsterdam, während Weghorst wartete und wartete. Dann erkannte Brych den Treffer an. Es war das 2:0 für die Niederländer, die das Spiel nach kurzem Zittern noch mit 3:2 gewannen. Mit einem Wolfsburger in einer Hauptrolle, für den das Warten ein bekannter Begleiter geworden ist.

Mit 18 Jahren noch Amateur

Der lange Weg des Wout Weghorst nahm vor zehn Jahren eine entscheidende Abbiegung. Der damals 18-Jährige kickte noch in der 5. niederländischen Liga, mittleres Amateurniveau. Um ihn herum, berichtete Weghorst, hätten seine Mitspieler trainiert und gelebt, wie es Amateure eben tun: eher schlecht als recht. Doch der Teenager hatte einen Traum und begann, sich wie ein Profi zu verhalten. „Ich war immer davon überzeugt, das schaffen zu können.“ Was für seine Mitspieler Grund zur Belustigung war und zu einem Leitsatz, den Weghorst seine ganze Karriere lang schon begleitet. Das schafft der eh nicht.

Schritt für Schritt für Schritt

Doch er schaffte es: Schritt für Schritt. Von Deto zu Willem II, dann zum FC Emmen, dann zu Heracles Almelo, dann zum AZ Alkmaar und 2018 zum VfL Wolfsburg. Und das Muster dieser Entwicklung blieb immer gleich: Der Stürmer wuchs mit jeder Herausforderung mit enorm harter Arbeit und einem professionellen Lebensstil. „So bin ich einfach, das ist mein Charakter.“ In der Bundesliga gehört der 1,97 Meter lange Angreifer längst zu den Spitzenstürmern, in 100 Spielen schaffte er starke 72 Torbeteiligungen (53 Tore, 19 Vorlagen). Und dennoch musste Weghorst wieder warten. Und warten.

Koeman ignoriert Weghorst

Denn die Nationaltrainer wollten ihn trotz seiner vielen Bundesliga-Tore nicht. Ronald Koeman, jetzt beim FC Barcelona, ignorierte den Wolfsburger über Jahre. Und auch der aktuelle Bondscoach Frank de Boer ließ Weghorst noch im März außen vor. Doch drei Monate später ist das Warten vorbei. Vor einer Woche erzielte der 28-Jährige sein erstes Länderspieltor im Test gegen Georgien, und am Sonntag folgte sein erster Pflichtspieltreffer gegen die Ukraine. „Ich bin einfach stolz“, sagte er danach. „Das war eine super Woche.“

Auch der König jubelt mit

Von der Tribüne jubelte König Willem-Alexander unter dem strengen Blick seiner Gattin, Königin Máxima, der „Elftal“ zu – und auch Weghorst wurde königlich beklatscht, der mehr und mehr Anerkennung der kritischen niederländischen Öffentlichkeit bekommt. „Zwei Spieler, bei denen du dich manchmal fragst, was sie in der Nationalmannschaft zu suchen haben, übernahmen die Hauptrollen und jagten die Euphorie durch die Arena“, schrieb „Volkskrant“ am Montag. „Denzel Dumfries und Wout Weghorst, Arbeiter mit Kohlestücken an den Füßen. Kämpfer, Kraftprotze“, schrieb die Zeitung weiter. „Sie essen und trinken Fußball und nun finden sie sich bei der EM wieder, in einer Siegermannschaft, mit einer Hauptrolle.“

„Tore sind mein Job“

Der Beschriebene zeigt sich bescheiden. „Am Ende stehe ich dafür auf dem Platz. Es ist mein Job, Tore zu schießen“, so Weghorst, den die Fans in der Arena von Amsterdam bei seiner Auswechslung mit Sprechchören verabschiedeten. Sein langes Warten hat ein Ende. Sein Weg dagegen wird noch weitergehen. Es ist Weghorst noch mehr zuzutrauen, noch viel mehr.