Wolfsburg. Der Kapitän des VfL Wolfsburg ist Teil des neuen Fußballer-Bündnisses. Auch Daniel Ginczek und Alexandra Popp sind dabei. Es geht um Mitsprache.

Josuha Guilavogui freute sich sehr, als er kürzlich von Neven Subotic in eine Chatgruppe beim Messenger Whatsapp eingeladen wurde. Der 29 Jahre alte Kapitän des VfL Wolfsburg kennt den 31 Jahre alten Abwehrspieler aus zahlreichen Duellen in der Fußball-Bundesliga. Aber nicht nur wegen der Begegnungen auf dem Rasen, sondern auch wegen der Entscheidungen, die Subotic außerhalb dessen getroffen hat, spricht Guilavogui von ihm in den höchsten Tönen. „Ich habe allergrößten Respekt vor ihm“, sagt der Franzose über Subotic.

Der 31-Jährige hat in den vergangenen Jahren einige Hilfsprojekte in Afrika angestoßen, er hat Trinkwasserbrunnen in Äthiopien gebaut und eine Stiftung gegründet, die den Ärmsten der Armen eine Zukunft ermöglichen soll. Dabei wird Guilavogui seinen Kollegen, der bei Union Berlin spielt, nun unterstützen. Auch der Wolfsburger leitet Hilfsprojekte in Afrika, ließ etwa in seiner Heimat Guinea ein Waisenhaus errichten. Das zeigt: Beide, Guilavogui und Subotic, blicken über den Tellerrand hinaus, sie spüren eine besondere Verantwortung durch ihre privilegierte Stellung und wollen Dinge verbessern. Und darum gibt es jetzt diese Whatsapp-Gruppe.

Der „Kicker“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, dass sich mehr als 70 Fußballprofis aus allen deutschen Ligen zusammengeschlossen haben – in einem Bündnis, in einer Art Gewerkschaft, einer Interessenvertretung. Das Ziel: mehr Mitspracherecht in Zukunftsfragen. „Als ich davon hörte“, sagt Guilavogui, „wollte ich unbedingt dabei sein. Zusammen sind wir alle stark.“

Sein VfL-Kollege Daniel Ginczek gehört auch bereits zum Bündnis, genau wie Alexandra Popp von den erfolgreichen Wolfsburger Frauen. Mats Hummels, DFB-Weltmeister und Abwehrchef von Borussia Dortmund, ist einer der Initiatoren. Er sagt: „Ich finde es wichtig, dass Spieler eine Stimme bekommen – und zwar über die 1. Bundesliga hinaus. Wir wurden zuletzt oft übergangen, umso nötiger ist es, dass wir künftig unsere Stimme aktiv einbringen.“ Augsburgs Torhüter Andreas Luthe formuliert es noch eindrücklicher: „Es gibt drei Player in der Bundesliga: die DFL als Dachorganisation, die Vereine und die Spieler. Die Maßnahmen werden aber nur von zwei Playern beschlossen. Wir als Spieler sind ganz, ganz hinten in der Kette und haben dafür zu sorgen, dass Fußball gespielt wird.“

Die Profis wollen gehört werden, „aber keine Politik machen“, sagt Guilavogui. Sie wollen einen Platz am Tisch der Entscheidungen. Das wurde offenbar vielen Kickern in der Corona-Krise klar. „Wenn es eine Taskforce Fußball gibt, muss an diesem Tisch ein Spieler sitzen. Und wenn man über ein Hygiene-Konzept redet, müssen Spieler dazu befragt werden. Das darf nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden werden“, sagt Sören Gonther von Zweitligist Erzgebirge Aue.

Die DFL stehe dem Bündnis positiv gegenüber, teilte die Dachorganisation über die Deutsche Presseagentur mit. Auch Oliver Glasner begrüßt diesen Schritt. „Ich denke, es ist ein gutes Zeichen, wenn Spieler ihre Meinung kundtun“, sagt der VfL-Trainer. „Wir verlangen von den Spielern, dass sie Verantwortung auf dem Platz übernehmen und dass sie sich als Vorbilder erklären: gegen Rassismus zum Beispiel. Wenn sie Einfluss auf die Zukunft des Fußballs nehmen wollen, finde ich das sehr gut.“ VfL-Kapitänin Popp sagt: „Dieses Bündnis wird dabei helfen, die Werte des deutschen Fußballs weiter zu stärken.“

Denn der Imageverlust in den vergangenen Jahren war nicht nur spür-, sondern auch messbar durch etwa sinkende TV-Quoten und leere Stadien bei Länderspielen. Dass sich der Fußball durch immer höhere Ablösesummen und Gehälter, mehr Abschottung vor den Fans, undurchsichtige Verbandsmeierei, Eskapaden einzelner Akteure und teils wahnwitzige Aussagen von Managern zu Beginn der Corona-Pandemie immer weiter von der oft zitierten Basis entfernt hat, ist ebenfalls kein Geheimnis. Doch die Gruppe einiger reflektierter Profis versucht, dieses Bild weicher zu zeichnen, die Konturen zu ändern und Farbkleckse an Stellen zu setzen, die bisher weniger beachtet wurden.

So geht es ihnen nicht nur um Mitsprache und Meinungen, sondern auch um Lösungen. „Wir wollen eine Gemeinschaft sein, in der einer dem anderen hilft. Egal, welches Trikot er trägt“, sagt Guilavogui. Die Botschaft des VfL-Kapitäns: „Wir sind nicht nur Fußballprofis, sondern auch Väter, Brüder und Freunde.“ Deren Ansichten sollen von der DFL gehört werden, daher gibt es nun dieses Bündnis. Und womöglich führen die mündigen Profis mit ihren Stimmen einen Wandel herbei, der den Fußball wieder zu jenen zurückbringt, die ihn vor kurzem noch geliebt haben: den Fans, die jetzt zweifeln.