Wolfsburg. Das sagt Grizzlys-Teamarzt Dr. Wolfgang Klein zum Thema Gehirnerschütterung im Sport.

Gehirnerschütterungen können nicht nur für Profisportler wie Tyler Haskins von den Grizzlys Wolfsburg schwere Folgen haben. Der Kapitän des Eishockey-Erstligisten muss mit 31 Jahren seine Karriere beenden (siehe Text rechts). Auch andere Sportarten sind betroffen, Freizeitsportler gefährdet. Gehirnschäden als Spätfolgen drohen bei mehreren Gehirnerschütterungen. Dr. Wolfgang Klein, Teamarzt der Grizzlys und Sprecher der Medical Taskforce der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Gehirnerschütterung.

Was ist eine Gehirnerschütterung? „Wie das Wort ausdrückt, ist es eine Erschütterung der Hirnmasse im Schädel. Sie ruft funktionelle Störungen des Gehirns hervor. Es handelt sich nicht um strukturelle Schäden, also nicht um Verletzungen, die durch medizinische Bildgebung nachzuweisen sind.“

Wie äußert sich eine Gehirnerschütterung? „Die Symptome können sehr vielfältig sein. Früher hieß es oft, es ist erst eine Gehirnerschütterung, wenn der Betroffene bewusstlos war oder sich erbrechen musste. Das ist falsch. Es gibt viel subtilere Symptome wie Kopfschmerz, Sehstörungen, Konzentrationsschwäche und Beeinträchtigungen beim Sprechen. Wenn ein Unfall vorausging und solche Symptome auftreten, müssen die betroffenen Menschen in ärztliche Behandlung.“

Wie lange hält eine Gehirnerschütterung an? „Eine normale verliert ihre Symptome bei richtigem Verhalten in der Regel nach sieben bis zehn Tagen.“

Auf welcher medizinischen Basis fällt die Entscheidung, dass ein Sportler wie im aktuellen Fall Tyler Haskins seine Karriere nach Gehirnerschütterung beenden sollte? „Es gibt umfangreiche neuropsychologische Tests, den sogenannten Braincheck, wie ihn zum Beispiel das Unfallkrankenhaus Berlin in Deutschland vornimmt. Die stationäre Behandlung dauert mehrere Tage. Es werden kognitive Tests gemacht, Verhalten, Erinnerungsvermögen und Gleichgewichtssinn dabei überprüft. Es wird geschaut, wie leistungsfähig der Betroffene ist.“

Wie gehen Profi-Ligen wie die Deutsche Eishockey-Liga mit dem Thema um? „Die DEL hat nach dem erschütternden Fall des Berliner Spielers Stefan Ustorf 2012 die sogenannte Baseline-Untersuchung eingeführt, die für die Lizenzierung eines Spielers Voraussetzung ist. Eigenschaften und Funktionen wie der Gleichgewichtssinn zum Beispiel sind individuell unterschiedlich ausgeprägt. Deshalb werden die Profis darauf im gesunden Zustand getestet, um Vergleichswerte beim Verdacht auf Gehirnerschütterung zu haben.“

Wie verläuft die Reha bei Sportlern nach Gehirnerschütterung? „Es gibt ein sechsstufiges Konzept. Stufe 1 ist der Unfalltag, an dem der Sportler nichts machen darf. Ist er am nächsten Tag symptomfrei, darf er mit Belastungen der Stufe 2 anfangen. Bleibt er beschwerdefrei, geht er weiter zu Stufe 3, in der die Belastung erneut gesteigert wird. Sobald Symptome auftreten, muss er pausieren und beginnt bei Beschwerdefreiheit auf der Stufe, auf der die Probleme aufgetreten waren. So geht es bis Stufe 6. Die wenigsten Betroffenen schaffen es ohne Symptome in der Mindestzeit von fünf Tagen.“

Verläuft die Genesung bei Kindern und Erwachsenen gleich schnell? „Nein. Da das Gehirn bei Kindern noch nicht ausgereift ist, braucht es zur Regeneration länger als bei Erwachsenen. Für Kinder gibt es ein angepasstes Konzept.“