Penmarch. Man kann in der Bretagne nur die Landschaft genießen. Man kann sie aber auch aktiv erleben. Zu Fuß, beim Segeln – oder Treppensteigen.

Bis hinauf auf die Plattform des Leuchtturms von Eckmühl sind es 307 Stufen. Der Rekordhalter des jährlichen Leuchtturm-Wett-Erklimmens, das immer Mitte August abgehalten wird, braucht für die knapp 55 Höhenmeter 45,5 Sekunden. Alexandra Coatmen schafft es in eineinhalb Minuten. Zwar hält sie nicht viel von dem sportlichen Wett­bewerb, aber für sie als Leuchtturmwartin gehört es zum Job, diese Treppen häufig hinauf- und herunterzusteigen. Da kann man sich notfalls auch mal beeilen.

Mit dem Leuchtfeuer, das fünf Meter über der Plattform 25 Seemeilen weit auf den Atlantik leuchtet und vor der schroffen Küste um Penmarch warnt, hat Frau Coatmen allerdings nichts zu tun. Die Feuer sind automatisiert. Alexandra Coatmen ist Historikerin, sie bewahrt das Erbe der Leucht­türme in der Gegend und führt häufiger Touristen auf den „Phare d’Eckmühl“.

Woher der deutsche Name?

Dabei erklärt sie auch, wie ein bretonischer Leuchtturm zu einem deutschen Namen kommt: Die Comtesse, die das Geld für den Leuchtturmbau stiftete, hieß so; und zwar weil ihr Vater einst bei dem unbedeutenden bayerischen Weiler Eggmühl eine wichtige Schlacht für Kaiser Napoleon entschied und dafür geadelt wurde.

Man muss kein Supersportler sein, um auf den Turm zu kommen. Auch drei Zentner schwere Reporter schaffen das. Über die Zeit wollen wir hier nicht reden. Wohl aber über die Aussicht. Kaum ist man nämlich wieder zu Atem gekommen, raubt sie einem diesen gleich wieder: Am Horizont versinkt die Sonne farbenprächtig. An der Küste ist Niedrigwasser. Auf den Sandbänken und Prielen wiederholt sich das Farbenspiel in vielen Variationen. Dafür hat sich der Aufstieg gelohnt.

Die Comtesse war nicht knausrig

Aber auch der Leuchtturm kann sich sehen lassen. Die Comtesse war nicht knausrig: Schnörkelige Verzierungen, edelste Hölzer im Innenausbau – Eckmühl ist nicht nur einer der höchsten, sondern der luxuriöseste Leuchtturm Frankreichs. Dafür musste lediglich eine Statue an den Vater der Stifterin erinnern.

„Dieser Leuchtturm galt bei den Leuchtturmwärtern der alten Tage ohnehin als Paradies“, sagt Alexandra ­Coatmen, „,Paradies‘ hießen alle Leuchttürme auf dem Festland. Als ,Hölle‘ wurden die Leuchttürme bezeichnet, die allein im Meer stehen. Die auf den Inseln heißen ,Fegefeuer‘. Ein Leuchtturmwärter begann seine Karriere in einer Hölle und arbeitete sich langsam in Richtung Paradies.“

Krustentiere werden von den Küstenfischerbooten im Hafen von Guilvinec als Erstes entladen, weil sie schnell in die Kälte müssen.
Krustentiere werden von den Küstenfischerbooten im Hafen von Guilvinec als Erstes entladen, weil sie schnell in die Kälte müssen. © AFP/Getty Images | FRED TANNEAU

Folgt man den alten Zöllnerpfaden, die entlang der bretonischen Klippen zu einem durchgehenden Küstenwanderweg verbunden sind, dann passiert man viele solcher Paradiese. Ein unter ­See­leuten berühmter Küstenleuchtturm ist der am Pointe Saint Mathieu, der die Einfahrt zum Ärmelkanal absichert. Das erste Leuchtfeuer hier brannte im Kirchturm eines Klosters, das nach der Revolution aufgegeben und vernichtet wurde. Der neue Leuchtturm steht direkt in den Klosterruinen.

Aus einem Bunker wurde ein Museum

Auf dem Küstenpfad findet der Wanderer aber auch noch viele Überbleibsel der jüngeren Geschichte. Die Deutschen ­bauten seinerzeit ihre Bunker am Atlantikwall so, dass sie lange halten würden. Einer davon ist ein Museum für die Besatzungszeit geworden. Die Brüder Aurélien und Clément Coquil hat nach einem Dachbodenfund vor 20 Jahren die Sammelleidenschaft gepackt.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten trugen sie Gegenstände, historisches Wissen und Zeitzeugenaussagen zusammen und ­eigneten sich das Wissen darüber an, wie man so eine Sammlung modern präsentiert.

Als das französische Militär vor einigen Jahren einen von der Wehrmacht errichteten Bunker aufgab, setzten die Brüder alles daran, dort ihre Sammlung ausstellen zu können. In mehreren Abschnitten kann man die Zeit von 1941 bis 1945 interaktiv aus der Sicht der Besatzer, der Zivilisten und des Widerstands nachverfolgen. „Begonnen hat es damit, dass mein großer Bruder einen deutschen Regenumhang gefunden hat – und jetzt stehen wir hier“, sagt Clément.

Die Leuchttürme sind noch immer von Bedeutung

Auf dem Leuchtturm von Eckmühl dreht sich mittlerweile die Laterne – ein etwa einsekündiger Lichtblitz alle fünf Sekunden. Die großen Schiffe, die Ladung aus aller Welt in alle Welt bringen, sehen dieses Licht nicht. Ihr Fahrwasser ist nach mehreren Tankerunglücken mittlerweile 60 Seemeilen weit draußen. Sie fahren nach Funkpeilung und Satellit. Wichtig sind die Türme dennoch: Segler, Fischer und Küstenschiffer orientieren sich daran.

Die bretonischen Fischer haben einen ihrer wichtigsten Häfen nur we­nige ­Kilometer von hier. Guilvinec ist Heimathafen von Fabrikschiffen und Hochseetrawlern, aber auch von ungefähr 100 Küstenfischerbooten, die jeden Morgen bei Sonnenaufgang hinausfahren und jeden Nachmittag um halb fünf zurückkommen. Um fünf beginnt die Auktion. Boot um Boot kommt an die Kai und wird entladen. Die Krustentiere zuerst. Sie müssen schnell wieder in die Kälte. Dann kommen die Fische. Delikatessen wie Steinbutt, Zunge und Seeteufel sind dabei.

Zentrum des bretonischen Segelsports

In der Halle wimmelt es von Leuten. Nicht nur die Händler sind da: In Guilvinec ist die Auktionshalle Teil des ­Fischereimuseums und eine Touristenattraktion. Sprachkundige Gästeführerinnen geleiten die Gruppen – Vorsicht, Gabelstapler! – polyglott zur Auktion. Wer wirklich seefest ist, kann im Museum sogar einen Tag mit Fischer Eric auf dem Meer buchen. Allerdings nur bei gutem Wetter und nicht mehr lange.

Eric wird sein Boot in einigen Jahren verkaufen, weil sein Sohn nicht übernehmen will. „Dabei kann man als Fischer gutes Geld machen, gerade in der Küstenfischerei“, sagt er. „Es gibt hier immer genug Fisch und keine Konkurrenz durch die Großen. Und wenn die Quote für eine Art aufgebraucht ist, verlegt man sich eben auf eine andere. Die Küstengewässer sind voll!“

Auch der bretonische Segelsport hat sein Zentrum in Leuchtweite des Feuers von Eckmühl. Die ehemaligen ­U-Boot-Bunker von Lorient – vier Jahre von der deutschen, fünf Jahrzehnte von der französischen Marine genutzt – sind zur Segelwelt umgebaut. Ein Museum erinnert an die Hochseeregattalegende Eric Tabarly. An diversen Simulatoren erfährt man, was es heißt, mit einer Yacht über die Meere zu hetzen.

Für 18,50 Euro nimmt einen auch ein Skipper eine Stunde lang mit hinaus in die Bucht von Lorient. Dabei wird sportlich gesegelt, immer schön am Wind, mit starker Krängung. Die an­deren Segler in der Bucht lassen es gemütlicher angehen und segeln Raumwind. Auch der Leuchtturm bleibt senkrecht.

Dort ist der Sonnenuntergang jetzt endgültig vorbei. Es geht wieder die 307 Stufen hinunter. Voll Vorfreude auf einen nächsten Tag, an dem man die Bretagne aktiv erleben kann.

• Tipps & Informationen

Anreise ab Berlin oder Hamburg zum Beispiel mit Air France über Paris nach Brest oder Rennes oder mit KLM über Amsterdam nach Rennes.

Unterkunft La Citadelle in Port Louis, DZ/F ab 89 Euro, www.hotel-citadelle.fr, oder La Vinotiere in Le Conquet, DZ ab 95 Euro, www.lavinotiere.fr

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch das Comité Régional du Tourisme de Bretagne.)