Willemstad. Die Karibikinsel gilt als tropisches Mini-Amsterdam. Über wie unter Wasser finden sich reiche Farbenwelten.

Die See kann rau sein. So wie heute, rund einen Kilometer von der Küste entfernt. Zwar sind die Wellen nur so hoch,

wie ein durchschnittlicher Erwachsener groß ist – und damit weniger voluminös als in der Nacht zuvor –, das reicht aber, um im Holzkutter ordentlich durchgeschüttelt zu werden. Zu viel für eine Mitreisende, die sich auf den Boden legt und den Horizont ins Blickfeld nimmt, damit der Mageninhalt dort bleibt, wo er hingehört.

Locatior Curacao

Herman Debrot macht das alles nichts aus. Der 65-Jährige ist der Kapitän. Er zeigt mit dem Finger aufs Meer. „Das ist für mich Freiheit“, ruft er laut. Der Weltenbummler hat sich mit seinem Geschäft in der Karibik einen Lebenstraum erfüllt, bietet für Touristen Schnorcheltouren an – und fängt Thunfische, die er an Restaurants verkauft. Hier, in seiner Heimat, der Insel Curaçao, 64 Kilometer vor der Küste Venezuelas gelegen und mit 444 Quadratkilometern so groß wie Usedom. Was er noch an ihr schätzt? „Das Lebensgefühl. Es steckt an, bei uns gilt das Motto ‚Cool down‘.“

Die reiche Unterwasserwelt zieht viele Hobbytaucher an

Es gibt noch weitaus mehr Argumente, den zehnstündigen Flug von Deutschland aus auf sich zu nehmen, was 2016 rund 22 000 Bundesbürger machten. Zum Beispiel Dutzende Buchten mit ihren feinsandigen Stränden samt kristallklarem Wasser. Dazu kommt eine reiche Unterwasserwelt, die Hobby- und Sporttaucher anzieht und bei 27 Grad Wasser- und 28 bis 32 Grad Lufttemperatur ganzjährig ein Vergnügen ist. Auch kulturell hat das Eiland viel zu bieten. Einen einfachen Zugang bietet der Blick in Töpfe und Pfannen. Die regionale Küche spiegelt die Vielfalt der Insel wider, dessen Bewohner sich aus 65 Nationalitäten zusammensetzen.

Herman Debrot verließ Curaçao im Alter von 17 Jahren, um in Amsterdam Sportwissenschaften zu studieren. Er hat als Judotrainer in Israel sowie Deutschland gearbeitet, eine Bremerin geheiratet, unter anderem in Hamburg gelebt, ehe er 2012 zurückkam. Viele Einheimische gehen diesen Weg. Er ist unproblematisch, weil jeder Einwohner einen niederländischen Pass hat, was historisch bedingt ist.

Seit dem 17. Jahrhundert war die von Spaniern 1499 entdeckte Insel niederländische Kolonie. Im Oktober 2010 wurde Curaçao ein autonomer Staat, der jedoch weiterhin zum Königreich gehört. Amtssprache ist Niederländisch. Zudem wird an Schulen die Ortssprache Papiamentu gelehrt. Sie verändert sich jedoch von Generation zu Generation rasant. Das führt dazu, dass Großeltern ihre Enkel nur schwer verstehen und umgekehrt. Ein Wort dieser bunten Kreolsprache ist „du­shi“. Es bedeutet so viel wie herrlich, süß, schön, lecker oder Schatz.

Dushi sind auch große Teile der Hauptstadt Willemstad, in der rund 125 000 der 159 000 Insulaner wohnen – ein tropisches Mini-Amsterdam. Die in Grün, Gelb, Pink oder auch Blau gestrichenen Häuser der Altstadt, die seit zehn Jahren zum Unesco-Kulturerbe zählt, sind im Rokoko- und Flamboyantstil gebaut. Viele von ihnen werden jedes Jahr angemalt, denn der Korallenstein an den Gebäuden schwitzt die Pigmente schnell wieder aus. Andernorts blättert jedoch der Putz – auf einer Insel, die nicht nur in dieser Hinsicht kontrastreich ist.

Auf dem Weg vom Flughafen in die City passieren wir große Industrie- und Hafenanlagen, aus Schornsteinen lodern Flammen. Ich rümpfe die Nase ob des Raffineriegeruchs. Neben dem Tourismus sind Erdöl und der Hafen die zentralen wirtschaftlichen Standbeine Curaçaos.

Smoothie-Stände und ein schwimmender Marktplatz

In der Stadt angekommen, fällt

eines sofort auf: An jeder Ecke locken Smoothie-Stände. Dort gibt es das beliebte Getränk aus Früchten, Eis, Milch und reichlich Zucker – ein Sattmacher für zwischendurch. Von kleinen Booten aus verkaufen Händler Obst, Gemüse und Gewürze. Sie kommen aus Venezuela angesegelt und offerieren Avocados so groß wie Boxhandschuhe. In den zahlreichen Bars und Restaurants lässt es sich am Abend angenehm verweilen. Oder man lauscht in den Gassen den Straßenmusikern, die karibisches Flair vermitteln und zum Mittanzen animieren.

Dushi ist es auch für Naturliebhaber auf Curaçao, das neben Aruba und Bonaire zu den ABC-Inseln gehört, insbesondere im Frühjahr nach heftigen Regenfällen im Winter. Obgleich diese Jahreszeit ihren Namen schon wegen der hohen Temperaturen gar nicht verdient. Dann ist das Eiland in sattes Grün eingebettet, die Fahrt zu den weißen Stränden umso schöner. Und das Wasser ist so blau wie der Blue Curaçao – der Likör, den es hier auch in Rot, Orange oder Grün gibt. Halt bunt und vielfältig, passend zur Insel.